Rezension zu "Whistle in the Dark: From the bestselling author of Elizabeth is Missing" von Emma Healey
Keinesfalls ein schlechtes Buch, nur wurde es völlig falsch beworben. Wenn man die Rezensionen auf dem Klappentext sieht, entsteht der Eindruck, dass es sich um einen Thriller oder einen fesselnden Krimi handelt. In Wahrheit ist „Whistle in the Dark“ eine Familiengeschichte mit viel Seelenstriptease, in der die Kernfrage, was mit dem Mädchen während seines Verschwindens passiert ist, zur Nebensache verkommt. Es hat zugegebenermaßen etwas Poetisches: Das Wie und Warum ist fast egal, wichtig ist, wie die Familie damit umgeht. Aber als Fan von klassischen Krimis und Whodunnits, fand ich das Buch, trotz Stärken, zu langatmig.
Was mir gefallen hat:
- Die Geschichte an sich ist mal was ganz anderes. Keine Klischees, nichts Abgedroschenes, sondern viele originelle Ideen, die in die (eigentlich simple) Handlung einfließen.
- Die Familie mit all ihren Macken kommt authentisch rüber. Jede Figur könnte mir genau so im realen Leben begegnen.
- Das Ende ist spannend & stimmig und ließ einen Teil meiner Frustration verpuffen.
Was mir nicht gefallen hat:
- Der Schreibstil ist zu blumig und ausführlich, die Autorin scheint besessen von der Idee zu sein, so viele Adjektive und Adverbien wie möglich in einen Satz zu packen. Beschreibungen kurzer Handlungen, Bewegungen, oder auch nur Blicke werden schnell mal drei Zeilen lang. Das bläht das Buch auf und ist Zeitverschwendung, da diese Ausführlichkeit nicht immer zur Charakterisierung beiträgt.
- Die Handlung wird durchbrochen von gedanklichen Abschweifungen und Einschüben, wie z.B. Erinnerungen oder Dialoge im Stil eines Theaterstücks. Stilistisch bedeutet das eine Aufwertung des Buches, gleichzeitig fühlte ich mich aber ausgebremst -- die Reminiszenz an einen Urlaubsflirt vor 30 Jahren ist nicht interessant, wenn ich einfach nur erfahren möchte, wieso die Hauptfigur verschwunden ist. Klar, am Anfang denkt man noch „Oh, das ist super wichtig was die Mutter da überlegt, da sind bestimmt Hinweise enthalten!“ Nein, leider eben nicht …
- Das ist eine ganz individuelle Sache, aber ich fand die Familie nicht sympathisch. Besonders nicht den Vater, der sich aus allem heraushält und ein schockierendes Laissez-faire an den Tag legt angesichts der Tatsache, dass seine Tochter eine höchst traumatische Erfahrung gemacht hat. Ganz allgemein habe ich nicht verstanden, wieso man der Tochter nach ihrer Rückkehr wieder so viel erlaubte und wie schnell zum Alltag übergegangen wurde.
Fazit: Leider ist „Whistle in the Dark“ zu aufgebläht, der Schreibstil verwässert den im Grunde interessanten Plot. Und im Mittelpunkt steht letztendlich das Mutter-Tochter-Verhältnis … was nicht schlimm ist, aber eben etwas anders als das, was auf dem Etikett versprochen wird