Rezension zu "Karneval in Romans" von Emmanuel LeRoy Ladurie
Ladurie, Sozialhistoriker und Mitherausgeber der namhaften französischen Zeitschrift „Annales“, widmet sich in diesem Buch einer Kleinstadt in der Landschaft Dauphiné, der Stadt Romans. Hier artet in den Jahren 1579 bis 1580 ein zunächst friedliches Karnevalsspektakel zu einem revolutionären Gewaltakt aus. Ladurie durchforstete für seine Einzelfallstudie über Rebellion in den unteren Gesellschaftsschichten Archive, wertete Steuertabellen aus, glich Namenslisten von Pesttoten ab, nur um sich ein realistisches Bild der in der Stadt lebenden Menschen und ihrer sozialen Verhältnisse machen zu können. Sein interessantes Ergebnis steht stellvertretend für die gesamt-französische Gesellschaft: immer mehr Adlige bzw. Reiche vereinen in ihren Händen Geld und Privilegien. Für die weniger begüterten wird das Leben immer beschwerlicher, eine Verbesserung ihrer Situation ist nicht in Sicht. So haben Aufwiegler (auch solche mit zweifelhaftem Ruf) leichtes Spiel und können einen eigentlich konfliktfreien Karneval leicht zu einem Volksaufstand aufwiegeln. Ladurie schreibt sehr lebendig, hält sich wenig in ausführlichen Einzelbeschreibungen auf und arbeitet sehr nah an seinen historischen Quellen. Wer von Geschichte wenig Ahnung hat, insbesondere Fachvokabular scheut, muss hier keine Angst haben. Vielmehr wird ihm ein rundum interessant geschilderter – und aus Quellen sehr gut recherchierter – historischer Schauplatz geboten, der bereits in seiner Motivation die 200 Jahre später einsetzende Französische Revolution vorwegnimmt.