Nach "Peehs Liebe" und "Winterbienen" ist "Mutabor" inzwischen das dritte Buch, das ich von Norbert Scheuer gelesen habe. Wie bei allen seinen Büchern spielt die Geschichte in Kall in der Nordeifel, eine Gemeinde, in der sich die unterschiedlichsten Gestalten tummeln. Man trifft sogar alte Bekannte aus Vorgängerromanen wieder wie Paul Arimond, der bereits im Roman "Die Sprache der Vögel" seinen Auftritt hatte. In ihn ist die junge Nina Plisson, Hauptprotagonistin des vorliegenden Bandes, unsterblich verliebt, doch leider interessiert er sich nicht für sie - jedenfalls nicht zu Beginn.
Dann ist da noch der griechische Gastwirt Evros, der mit den verbliebenen zwei Daumen seiner Hände rätselhafte Göttergeschichten auf Bierdeckel schreibt, die Grauköpfe, die in der Cafeteria des Supermarkts täglich den neuesten Klatsch austauschen oder Ninas alte Lehrerin Sophia, die dem Mädchen das Schreiben beibringt, nachdem diese sich jahrelang nur in Klecksen (wunderbar illustriert von Norbet Scheuers Sohn Erasmus) ausdrücken konnte.
Nina kann sich nur noch dunkel an ihre Mutter erinnern und ihr Vater ist ihr gänzlich unbekannt. Keiner will ihr Näheres sagen, Schweigen umhüllt den Verbleib ihrer Mutter.
In seiner gewohnt poetischen Sprache erzählt Scheuer von Vernachlässigung, Missbrauch, Untreue, Betrug und all den dunklen Geheimnissen, von denen in Kleinstädten wie Kall nur hinter vorgehaltener Hand getuschelt wird. Nina ist sich jedenfalls sicher, dass ihr die Grauköpfe niemals etwas erzählen werden und dass sie alles selbst herausfinden muss.
Als Leser(in) begleitet man das Mädchen auf ihrer Suche nach Antworten, rätselt wie sie über das zerkratzte Gesicht des Reiters auf dem Foto in Evros' Gaststätte oder den Verbleib der Mutter und ist am Ende des Romans um ein paar Antworten reicher.
Mir hat der Roman wieder gut gefallen, auch wenn ich manche Botschaften wie etwa die Geschichten auf den Bierdeckeln schon sehr kryptisch fand und immer noch ein paar unbeantwortete Fragen habe. Am besten ich lese das Büchlein gleich noch einmal. Ich bin mir sicher, dass die Antworten dort irgendwo stecken müssen.