Rezension zu "Die besten Geistergeschichten aus aller Welt" von Erich Ackermann
Die dunkle Jahreszeit ist für mich immer auch Grusel- und Geisterzeit. Der wohlig grausige Schauer von Spukgeschichten, erzählt vorm Kamin bei flackerndem Kerzenschein und Tee. Draußen peitscht der Regen gegen die Scheiben und die Kälte kriecht in die Wohnstube, so dass man sich zusätzlich noch unter eine Decke kuschelt. Klar, das ist nicht gerade meine Erinnerung, sondern von Theodor Storms Kurzgeschichtensammlung „Am Kamin“ von 1862 entlehnt. Welche übrigens in der grandiosen Serie Kabinett der Phantasten im jmb-Verlag herausgegeben wird. Aber da ich von Geistergeschichten nicht genug bekommen kann, kommt die Sammlung von Erich Ackermann „Die besten Geistergeschichten aus aller Welt“ gerade recht.
Mumien, Monstren, Mutationen
Dabei ist der Titel eher großzügig zu interpretieren, denn es geht nicht ausschließlich um Geister, sondern um im weiteren Sinne Schauergeschichten. Hier wird nicht nur gespukt, hier spielen auch die klassischen Wesen, Unwesen, Werwölfe, Vampire, Untoten und Monstren eine Rolle. Und was ich besonders gerne mag, hierbei handelt es sich um die alten Sagen, die Erzählungen aus dem Volksglauben, (un)bekannte klassische Geschichten bekannter Autoren. Weltliteratur gemischt mit Dorfgeschichten. Fantastisch im besten Sinne. Dabei hält Ackermann, was er verspricht. Von Nord nach Süd, von Ost nach West, einmal rund um den Globus vereinen sich hier die unterschiedlichsten kulturellen und gesellschaftlichen Ängste. Immer ein wenig ähnlich und immer ein wenig Besonders. So liest man sich nicht nur einmal um die Welt und durch die Zeit, sondern lernt zugleich noch etwas über die spezifischen Ausprägungen allgemeiner Ängste.
Die Geschichten reichen von sehr kurzen zwei Seiten Erzählungen bis hin zu unveröffentlichten Kapiteln von Klassikern. Es finden sich Texte von Bram Stoker, Charles Dickens, Guy de Maupassent, Washington Irving, Alexander Puschkin, dem großen E.T.A. Hoffmann, dem ebenso großen E.A. Poe, Mark Twain und noch vielen weiteren. Von unbekannten Sagen und Geschichten aus Island, China oder Japan bis bin zu vermeintlich bekannten Erzählungen wie Sleepy Hollow, der fliegende Holländer, Märchen aus Tausendundeiner Nacht oder das verwünschte Schloß. Insgesamt warten 81 fantastische Erzählungen auf die Leser*innen. Und hier man kann sich sicher sein, dass es ums Gruseln geht. Es spielt sich noch alles im Kopf der Leser*innen respektive Zuhörer*innen ab und wird nicht bis zum Erbrechen expliziert, wie es der gegenwärtige Horror massenweise fabriziert.
Liebhaberei für Fantasten
Diese Geistergeschichten sind Liebhaberei, das sollte man bedenken. Wer den unsäglichen Slaughter-Horror der aktuellen Filme und Serien mag, der wird hiermit nichts anfangen können. In den alten Geschichten ist alles aus heutiger Sicht harmloser. Der ein oder die andere wird es langweiliger nennen. Mit kopflosen Geistern lockt man heute niemanden mehr hinterm Ofen hervor. Aber genau das soll ja auch gar nicht geschehen. Bleibt am Ofen sitzen. Macht ein paar Kerzen an, holt euch eine heiße Kanne Tee und genießt die gute alte Gruselzeit.
