Beim lesen dieses Buches fragt man sich wirklich wer eigentlich das lebenswertere Leben führt. Die Naturvölker oder die Zivilisierten. Gerade weil der Häuptling des Stammes eine einfache Rede hält, nachdem er sich die zivilisierte Welt angesehen, und seine Beobachtungen gemacht hat, ist alles sehr authentisch.
Erich Scheurmann
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Rezension zu "Der Papalagi" von Erich Scheurmann
Die Reden des Häuptlings Tuiavii der Insel Upolu in Samoa im Südpazifik sind 100 Jahre alt und wurden von Erich Scheuermann, der ein Jahr mit Tuiavii auf der kleinen Insel verbrachte, ohne dessen Wissen vor langer Zeit veröffentlicht. Wer demütig genug ist, wird die ungeschminkte Sicht des Häuptlings auf uns Zivilisierte weise belächeln. Wer sich selbst zu wichtig nimmt, wird das Buch als einfältig und kindisch beurteilen.
Denn Tuiavii erzählt seinem Stamm detailliert, dass der Papalagi, also der fremde Europäer, von oben bis unten sein Fleisch mit seltsamen Häuten mehrfach bedeckt, sodass kein Sonnenstrahl hindurchdringt und sein Leib dadurch bleich und müde wird, zumal er auch noch in steinernen Truhen wohnt.
Die Zeit vertreibt er sich, indem er oft freudlos einem anständigen Beruf nachgeht, was dem Zwecke dient, so viel wie möglich rundes Metall und schweres Papier zu bekommen, um sich dann darüber zu beklagen, dass er nie Zeit hat. Ständig jagt er rastlos von einem Ziel zum nächsten und weiß nicht, dass man Zielen nicht hinterherjagen muss, denn das Leben ist viel unbeschwerter, wenn das Ziel auf einen zukommt.
Hat er von seiner wertvollen Zeit etwas übrig, geht er gern an den Ort des falschen Lebens. Eine dunkle Hütte. So dunkel, dass man geblendet ist, wenn man hineingeht und noch geblendeter, wenn man wieder herausgeht, denn auf einer beschriebenen Matte ist eine Scheinwelt mit Scheinmenschen zu sehen, die den Papalagi im Kino ablenken soll.
Abschließend kann man sagen, der Papalagi ist ein Mensch mit besonderen Sinnen. Er tut vieles, was keinen Sinn ergibt und ihn deshalb krank macht, aber in seiner kleinen Welt hält er sich für großartig und je mehr dunkles Metall und schweres Papier er hat und je größer seine steinerne Truhe ist, umso besser kann er die anderen Papalagis blenden und so viel Blendung ist fünf Sterne wert.
Rezension zu "Der Papalagi. Die Reden des Südseehäuptlings Tuiavii aus Tiavea" von Erich Scheurmann
Das Buch ist erstmals 1920 erschienen, und zwar "als geheime Mitteilung" wie Scheurmann seinem Leser erklärt, da er die Reden des Häuptlings Tuiavii "sicherlich gegen seinen Willen“ veröffentlichte. Das Buch ist in 11 Reden untergliedert, was das Lesen und vor allem das Wiederfinden von bestimmten Beschreibungen des Häuptlings leicht macht.
Die naive Ausdrucksweise zur Darstellung der Weisheiten des Häuptlings wurde oft als rassistisch kritisiert, denn Scheurmann bedient sich des Klischees primitiver Kolonialvölker, in diesem Fall die Bewohner von Samoa. Es ist schnell kritisiert - v.a. wenn man immer wieder in die gleiche Kerbe schlägt.
Warum sich nicht auf das konzentrieren, was das Buch heute lesenswert macht? Die Message ist Immer noch gültig - vielleicht mehr denn je.
Die Weisheiten des Häuptlings regen zum Nachdenken über unsere Wertvorstellungen an. Mit einem Augenzwinkern und einer Art Ermahnung gibt er einige Gedanken auf den Weg - Gedanken, die mich seit vielen Jahren begleiten. Immer wieder (nach 30 Jahren ?) habe ich mich an den einen oder anderen Punkt erinnern müssen, musste lachen oder auch den Kopf schütteln.
Das Buch ist in jedem Fall auch heute noch top-aktuell, oder gibt es etwa "das runde Metall" oder "das schwere Papier" nicht mehr?
Ein Beispiel:
Ist das nicht einfach genial?
"Der Papalagi trägt eine Metallplatte vor sich her, wenn er durch die Straßen geht, wendet seinen Blick fast nie von deren bunt glänzenden Seite ab und streichelt sie immer wieder. Seine Augen leuchten und Speichel tritt auf seine Lippen, wenn er mit einem oder zwei Fingern die bunte Seite in schnellen Bewegungen flüchtig berührt. Sollte der Papalagi die Metallplatte doch einmal in seine Lendentücher gesteckt haben, so zögert er keinen Augenblick, sie beim Vernehmen eines besonderen Klanges wieder ans Tageslicht zu holen - um sie erneut zu streicheln, bei ihrem Anblick zu lächeln oder entsetzt dreinzuschauen. Manchmal hält er die Metallplatte wie eine Muschel an sein Ohr und redet sogar mit ihr, als ob sie ganz und gar lebendig sei."
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