Cover des Buches Marconis magische Maschine (ISBN: 9783502150084)
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Rezension zu Marconis magische Maschine von Erik Larson

Rezension zu "Marconis magische Maschine" von Erik Larson

von sabisteb vor 11 Jahren

Rezension

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sabistebvor 11 Jahren
In diesem Buch werden zwei Geschichten parallel erzählt: 1. Der Mordfall Hawley Crippen 1910 erschütterte ein Mordfall London. Dr. Crippen, obwohl ich der Meinung bin, dass er eher ein Scharlatan war, da er auf Homöopathie und selbsterfundene Patentmedizin spezialisiert war, und man ihn wohl kaum Dr. nennen darf, ist ein harmloser freundlicher Mann. Leider ist seine zweite Frau (die erste starb und er schob seinen Sohn einfach zu Verwandten ab und begann mit Nr. 2 ein neues Leben, eigentlich verdiente er diese Frau), ein übler Hausdrache. Sie träumt von der Oper, nimmt Gesangsunterricht und hat leider gar kein Talent. Sie macht Crippen das Leben zur Hölle. Als dieser sich in seine junge Stenotypistin Ethel Le Nege verliebt, vergiftet er seine Frau, zerstückelt sie, verbrennt die Knochen und vergräbt den Rest im Kohlenkeller. Nur weil einige ihrer Theaterfreunde Belle vermissen, und eher wegen der Affaire mit der Neuen bei der Polizei anklopfen, wird die Leiche eher durch Zufalle entdeckt. Dieser Mordfall war noch bis Mitte des letzten Jahrhunderts sehr bekannt. Hitchcock entlehnte Motive für „Coctail für eine Leiche“ und „Das Fenster zum Hof“. Es gab Filme über diesen Fall wie „Dr. Crippen an Bord“ (1942). Heute jedoch, erinnert sich kaum noch einer an diesem damals spektakulären Fall. Vielleicht, weil zerstückelte Leichen heutzutage nicht mehr sonderlich aufsehenerregend sind. 2. Guglielmo Marconi Entwicklung des Funkens Marconi, Nobelpreisträger, Unternehmer, gefeierter Vater der Funktelegraphie, ein Prototyp des modernen Unternehmers und ein mahnendes Beispiel, aus dem leider immer noch niemand gelernt hat. Marconi verhält sich wie andere Egomanen seines Schlages (Zuckerberg, der Facebook „Erfinder“ ist noch so einer). Er, Marconi, und nur er ist wichtig. Alle, die ihm zuarbeiten werden unterschlagen, nicht erwähnt, ihre Meinung, ihre Gefühle mit Füßen getreten. Marconi schert sich einen Dreck darum, was andere, wie Oliver Lodge (für mich der eigentliche Erfinder des Funkprinzips) beigetragen haben. Er profitiert von public domain Forschungsdaten, patentiert seine darauf beruhenden Ergebnisse und hält seine Entwicklungen geheim. Er geht sogar noch weiter, er will, dass künftig alle seine Funkanalagen nur untereinander kommunizieren und verbietet den Kontakt zu Anlagen der Konkurrenz, außer in Notfällen. Ein ganz mieser, aggressiver Monopolist. Er verschweigt Probleme und Fehler seines Systems und macht ernsthafte Wissenschaftler lächerlich, obwohl er selbst nicht mehr als ein Tüftler ist und keine Ahnung hat von der Physik, auf der sein System basiert. Damals immerhin gab es noch Kaiser, die mit einer allgemeinen Funkkonferenz verlangen konnten, dass sämtliche Funksysteme miteinander frei verkehren dürften. Heute undenkbar, Markoni hätte wohl einfach das Parlament bestochen und sein Monopol durchgesetzt und Lobbyismus betrieben. Er fand es UNFAIR, sein Netz für Dritte zu öffnen (S. 251). Er gebärdet sich schon 1905 wie die heutigen Geschäftsführer. Obwohl es der Fima finanziell schlecht geht, für ihn nur das Beste, erste Klasse, beste Hotels, er wirft Socken lieber weg und kauft neue, statt sie zu waschen, das wäre effizienter. Seine erste Verlobte ist clever genug, zu erkennen, dass Marconi mit seiner Arbeit verheiratet ist, und löst die Verlobung. Aber schon bald fällt ein anderes junges Mädchen auf ihn rein, Beatrice O'Brien. Er behandelt sie wie ein Möbelstück, mal schleppt er sie mit, mal parkt er sie irgendwo aus dem weg, über Monate, schwanger, und kommt nicht mal nach Hause, als die Kinder fällig sind. Als sie sich endlich scheiden lässt, lässt er sogar die Ehe annullieren, um eine erzkatholische neue Frau zu heiraten. Natürlich ist dieser widerliche, arrogante, aggressive Geschäftsmann Nobelpreisträger und heute noch bewundert. Für mich unverständlich. Er hat von der Arbeit anderer profitiert, keine Ahnung von den wissenschaftlichen Grundlagen gehabt und eine aggressive Geschäftspolitik gegen das Allgemeinwohl betrieben. Helden sehen für mich anders aus. Eigentlich sind diese beiden Geschichten unabhängig, man hätte sich auch in zwei getrennten Büchern veröffentlichten können. Dann wäre Marconis Geschichte aber streckenweise einfach nur zum Einschlafen gewesen, denn der Werdegang dieses aggressiven Geschäftsmannes, der mir mit fortschreiten der Geschichte immer unsympathischer wurde, ist teilweise extrem langweilig, sosehr ich Wissenschaftsgeschichte auch mag. Gegen Marconi ist Crippen ein regelrechter Sympathieträger. Dies ist KEIN ROMAN, sondern ein normales Sachbuch. Der Autor recherchierte die beiden Geschichte anhand Originalquellen und rekonstruierte die Geschichten dieser beiden Männer. Etwas ungeschickt finde ich bei der Zusammenstellung, dass die sich abwechselnden Dichtweisen zeitlich nicht parallel laufen, sondern der Crippen Fall immer mehrere Jahre in der Zukunft, vom Marconi Handlungsstrang aus gesehen, verläuft. Das Buch enthält einige s/w Bilder, dennoch fehlen viele Bilder, die der Autor eingehend beschreibt, aber leider nicht beigefügt hat (S. 177), das nervt. In der deutschen Übersetzung sind zudem öfter mal Satzstellungsfehler wie „ich mich freute darauf“ (S. 358). Insgesamt ein teilweise unterhaltsames Sachbuch, streckenweise besonders gegen Mitte hin, sehr zäh.
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