Zum Autor
Erik Neutsch wurde 1931 in Schönebeck an der Elbe als Arbeitersohn geboren. 1949 trat er in die FDJ und die SED ein. 1953 schloss er sein Studium als Diplomjournalist ab und schrieb 1964 schließlich seinen Roman "Spur der Steine", für den er den Nationalpreis für Kunst und Literatur der DDR verliehen bekam, welchen er 1981 erneut erhielt. 1961, 1962 und 1974 erhielt er den Literaturpreis des FDGB und 1971 bekam er den Heinrich Mann Preis der Deutschen Akademie der Künste zu Berlin verliehen. Ein Autor also, wie ihn sich die DDR wünschte.
Spur der Steine ist in die Epoche des Bitterfelder Weges einzuordnen, der die Hauptaufgabe an die Schriftsteller und Künstler stellte, in die Betriebe zu gehen und dort die Arbeiter bei ihrer eigenen künstlerischen Tätigkeit zu unterstützen und Volk und Partei einander näher zu bringen. Damit war der Arbeiter am Aufbau des Sozialismus beteiligt.
Zum Inhalt
Im Mittelpunkt der Handlung steht der Zimmermannbrigadier Hannes Balla, ein Anarchist, der sich von niemandem etwas sagen lässt und eigentlich immer dagegen ist und damit keinen Respekt vor der Partei zeigt. Balla arbeitet mit seiner Brigade in Schkona, einem Großbauprojekt, dessen Name aus den realen Großprojekten der DDR Leuna und Schkopau zusammengesetzt wurde. Nun wird Werner Horrath neuer Parteisekretär von Schkona und wird gleich bei seiner Ankunft mit den Missständen der Planwirtschaft konfrontiert, woran er etwas ändern möchte und eigenständig das Salzkohlewerk stilllegt. Oberbauleiter Trutmann passt das gar nicht und meldet dies dem Kombinat, Horrath bekommt daraufhin eine Rüge von der Partei wegen Planänderung. Später trifft Horrath auf die Ingenieurin Kati Klee und beide beginnen eine Affäre und sie wird schwanger, obwohl er verheiratet ist. Da Kati Mitglied der Partei ist und den Namen des Vaters nicht nennen will, wirft diese ihr unmoralischen Lebenswandel vor und Horrath steckt ganz schön in der Klemme. In der Zwischenzeit spricht sich Balla für ein neues Schichtensystem aus, um der Partei zu zeigen, dass er der King ist und entdeckt während eines Richtfestes die Spur der Steine, die er durch das Land zog und mit der er die DDR aufgebaut hat. Diese Spur der Steine zeigt ihm endlich den Sinn im Leben. Durch seine Bewunderung für Horrath und einige erschütternde Ereignisse, darunter der Tod seines Vaters, tritt Balla schließlich in die Partei ein und sagt der Rebellion und dem Anarchismus ab und wird zum Sozialisten. Derweil muss Horrath seinen Platz als Parteisekretär räumen, doch ist er nicht der Einzige, der geht.
Zur Sprache
Neutsch verwendet eine einfache Sprache, die für jeden Verständlich sein sollte, und relativ lange Sätze. Das Ziel des Bitterfelder Weges war, Inhalt zu vermitteln, deshalb finden sich nicht unnötige Schnörkel in der Sprache.
Das Buch ist in 3 Teile eingeteilt, wobei Teil 1 16 Kapitel, Teil 2 22 und Teil 3 8 Kapitel hat.
Eigentlich entspricht das Buch den Wunschvorstellungen der SED: Der Anarchist Balla, der ständig auf der Suche nach dem Glück ist und verzweifelt versucht, sesshaft zu werden entwickelt sich zum sozialistisch denkenden Menschen und geht in seiner Arbeit für die Partei auf. Insofern unterscheidet dieses Buch sich nicht weiter von anderen Werken der DDR-Literatur. Jedoch wird der Alltag offen und ehrlich geschildert und weicht somit vom propagandierten Bild der DDR ab: Da ist der Parteisekretär, der eine junge Genossin schwängert und sich nicht dazu bekennen will, weil er Angst um seine Karriere hat, ein Bauleiter, der krumme Dinger dreht, ein Bauer, der sich gegen die Kollektivierung wehrt, die Missstände der Planwirtschaft. Trotzdem durfte das Buch erscheinen und wurde fast 2 Jahre lang verkauft. 1966 kommt schließlich der gleichnamige Film von Frank Beyer in die Kinos. Dieser Film erreicht eine breitere Öffentlichkeit als das Buch, nicht zuletzt wegen der populären Besetzung mit Manfred Krug in der Hauptrolle. Der Film erhält großen Zulauf, finden die Bürger doch nun ihren Alltag in ungeschönter Form wieder. Das macht die SED-Führung stutzig und nach 3 Tagen wird der Film verboten, Argumente dafür waren u.a. Abwertung der Funktionäre der Partei und eine angebliche Tendenz gegen Partei und Staat. Wenig später folgt auch das Verbot des Romans. Dabei wollte Neutsch weder den Weg der SED noch den Aufbau des Sozialismus kritisieren, er hat lediglich ein realistisches Werk geschaffen, auf das die SED-Führung gerne verzichtet hätte.
Meine Meinung
Das Buch mit seinen 776 Seiten liest sich natürlich nicht so schnell durch. Es gibt durchaus Passagen, die einfach nur langweilig und zäh sind. Andererseits gibt es aber auch wieder Stellen, bei denen man nicht aufhören kann zu lesen. Abgesehen davon ist das Buch wirklich zu empfehlen, da es ungeschönt den DDR-Alltag zeigt. Dabei darf man den Hintergrund, den Aufbau des Sozialismus und den Schriftsteller als Erzieher, natürlich nicht vergessen, aber ich finde, dass dieses Buch ein Stück Zeitgeschichte ist und somit einen guten Einblick in die damalige Zeit gibt. Es ist gut zu sehen, dass auch Parteifunktionäre nur Menschen sind. Auch die ziemlich übertriebenen Reaktionen der SED sind interessant, da diese natürlich keine Unmoral dulden konnte und aus einer Mücke teilweise einen Elefanten macht. Aber wie gesagt, dies ist nicht unbedingt fiktiv, sondern real. Neutsch als SED-Mitglied müsste wissen, was so abging. Alles in allem also ein gutes, empfehlenswertes Buch, zwar nicht für entspannende Sonntag-Nachmittage, aber gut, um den persönlichen Horizont zu erweitern.