Normalerweise beginne ich meine Rezensionen mit einer Art Inhaltsangabe. Aber was, wenn sich mir der Inhalt eines Romans von Anfang bis Ende verschließt? Versteht mich bitte nicht falsch: Dieses Buch ist genial! Es ist großartig geschrieben und hat mich von der ersten Seite an in seinen Bann gezogen. Aber worum es wirklich geht? Ich muss ganz ehrlich sein: Ich habe keine Ahnung.
Ich kann eigentlich nur etwas über den Stil sagen, über den Ton, der hier angeschlagen wird, und der ist – um es in einem geradezu unwürdigen Wort auszudrücken – grandios. Aber einen Versuch ist es wert: Da ist also dieser Mann (nennen wir ihn Robinson), der seinen ganz persönlichen Freitag im Internet findet, dem er seine Lebensgeschichte erzählt (oder beichtet?). Dieser Robinson wird Erbe eines großen Vermögens, macht sich damit die Welt zum Untertan und ist somit seit seinen Kindheitstagen auf der Flucht. Zunächst vor den Schlägertypen seiner Parallelklassen, später vor dem Feind an sich – denen, die ihn berauben wollen – und schließlich vor dem Tod höchstpersönlich. Die Schauplätze sind über die ganze Welt verteilt: London, New York, die pazifischen Königreiche, und immer wieder – gleich bei mir umme Egge – das mecklenburgische Grevesmühlen. Das komplette Buch ist im Grunde genommen eine in perfekte Prosa gegossene Paranoia, die sich jeder ernst gemeinten Wiedergabe entzieht.
Aber vielleicht geht es dem Autor auch gar nicht um einen handfesten und nacherzählbaren Plot. (Ich habe schon einige seiner Romane gelesen – Augustin ist in Rostock kein Unbekannter – und kann sagen, seine Bücher haben immer eine gewisse Unschärfe.) Ist das nun eine Lebensgeschichte? Oder ein Krimi? Oder gar ein Coming-Out? Diese verdammten Schubladen! Eines ist sicher: Ernst Augustin ist ein brillanter Schriftsteller, der es versteht, Ängste und Emotionen aller Art in Sätze zu bannen, die ihresgleichen suchen. Eigentlich schmeiße ich Bücher, deren Inhalt oder Ziel sich mir nach spätestens einem Drittel nicht erschließen, einfach gegen die Wand. Hier aber war ich gefangen – vom Witz, von der Kunstfertigkeit, von der überbordenden Fabulierlust. Die letzten 120 Seiten habe ich in einen Rutsch durchgelesen und war wie erschlagen von der Wucht der Sätze, die mir Augustin da um die Ohren (besser: Augen) haut. Man bedenke: Als der Roman veröffentlicht wurde, war der Autor über achtzig und nahezu blind!
Ein unfassbar fesselnder Roman, auch wenn ich ihn – da bin ich ganz ehrlich – kaum verstanden habe. Aber genug: Jetzt habe ich Lust auf Grießbrei…