Ernst Haffner

 4,5 Sterne bei 49 Bewertungen
Autor*in von Blutsbrüder und Blutsbrüder.

Lebenslauf

Ernst Haffner arbeitete zwischen 1925 und 1933 als Journalist und Sozialarbeiter in Berlin. Mit der Machtergreifung der NSDAP verliert sich seine Spur. Sein 1932 unter dem Titel „Jugend auf der Landstraße Berlin“ erschienener und einziger Roman wurde von den Nazis verboten und öffentlich verbrannt. In Vergessenheit geraten, erschien das Buch nun 80 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung ein zweites Mal: unter dem Titel „Blutsbrüder“.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Ernst Haffner

Cover des Buches Blutsbrüder (ISBN: 9783746630694)

Blutsbrüder

(46)
Erschienen am 16.01.2015
Cover des Buches Blutsbrüder (ISBN: 9783839812945)

Blutsbrüder

(3)
Erschienen am 02.09.2013

Neue Rezensionen zu Ernst Haffner

Cover des Buches Blutsbrüder (ISBN: 9783746630694)
Papiertiger17s avatar

Rezension zu "Blutsbrüder" von Ernst Haffner

Papiertiger17
Ein lesenswertes Buch.

Aufschlussreiches und interessantes Gesellschaftsporträt über das Leben obdachloser Jugendlicher im Berlin der 1920iger Jahre. In meist knappen Sätzen und kurzen Kapiteln schildert der Autor nachvollziehbar das aus der Trostlosigkeit der Situation geborene zweckmäßige Handeln der Figuren. Dabei ist Sprache und Erzählstil ebenso nüchtern wie direkt, jedoch ohne das Menschliche der dargestellten Personen zu vernachlässigen. Ein lesenswertes Buch.

Cover des Buches Blutsbrüder (ISBN: 9783839812945)
Wortklaubers avatar

Rezension zu "Blutsbrüder" von Ernst Haffner

Wortklauber
Harte Lebenswirklichkeit in der Weimarer Republik

Ein Mann, der in seinem Leben ein einziges Buch geschrieben hat; ein Buch, das in einer Auflage von 5.000 erscheint und wenig beachtet, wenn auch gelobt, wird, ein Buch, das man ein Jahr später zusammen mit anderen „missliebigen“ Büchern öffentlich verbrennt. Als jener Mann Jahre später in eine Behörde zitiert wird, verliert sich seine Spur. Niemand weiß, was mit ihm passiert ist – oder: Sollte es jemand wissen, ist er nicht damit hausieren gegangen. Kein Foto ist von diesem Mann überliefert, man weiß nur, dass er einige Jahre in Berlin gemeldet war und als Journalist gearbeitet hat, vielleicht auch als Sozialarbeiter. Und dass er eben dieses eine Buch geschrieben hat. Der Mann hieß Ernst Haffner, sein Buch (der Autor selbst bezeichnete es als Sammlung von Reportagen), 1932 im Verlag von Bruno Cassierer veröffentlicht, „Jugend auf der Landstraße Berlin“, oder, in der Wiederveröffentlichung schlicht „Blutsbrüder“.

 

Ludwig, Willi, Johnny und einige Jungen mehr, sind die Protagonisten dieses Romans. Sie verbringen ihre Tage in Kneipen, auf der Suche nach Arbeit oder illegalen Gelegenheiten, sich ein paar Mark zu verdienen, prügeln sich und saufen, verkaufen ihre Kleidung für ein paar Groschen direkt vom Leib und sich selbst als Stricher, kaufen ihrerseits Sex bei Huren, leben von Tag zu Tag, immer auf der Hut – vor der Polizei, Vätern - so vorhanden bzw. noch an ihren Söhnen interessiert – oder Mitgliedern rivalisierender Banden, hoffen auf einen trockenen Platz für die Nacht. Cliquen heißen diese Zusammenschlüsse, die ihnen Schutz und Familienersatz sind, die Anführer dieser Cliquen sind die Bullen. Wer seinen 21. Geburtstag feiert, wähnt sich aus dem Schneider: Fürsorge und Erziehungsheim ade!

 

Haffner erzählt die Geschicke der Jungen im Stil der damals so genannten Neuen Sachlichkeit. Hart, direkt, lakonisch, treffende Beobachtungen, die sich manchmal in pointierten Nebensätzen verstecken.

Frauen kommen in diesem Buch nur in Statistenrollen vor: als Cliquenliebsche, jugendliche Delinquentin, Prostituierte, Verkäuferinnen, Zigarettenmädchen, Konfitürentantchen, Schlafwirtin, Stenotypistin vor Gericht. Romantische Beziehungen existieren nicht, bestenfalls erkaufte Liebesdienste. Der Alltag dieser Jungen lässt keinen Platz für Romantik.

Ein Sumpf ist das, in dem sich diese Jungen im Berlin der Weimarer Republik zwischen Alexanderplatz und Schlesischem Bahnhof bewegen; der oft beschworene Glamour des gerade vergangenen Jahrzehnts, der “Goldenen Zwanziger Jahre“, so sie denn jemals so „golden“ waren, kommt hier nicht vor. Hier zählt die harte Lebenswirklichkeit junger Männer, die der Staat in dieser Zeit allzu gerne in Erziehungsheime sperrt, einer Generation, die zu parieren hatte, wenn es denn sein musste, mit Gewalt.

 

Es ist von einer traurigen Plausibilität, dass man einen Mann wie Haffner, dessen Buch schon im Vorgängerstaat nicht gerade mit offenen Armen empfangen wurde, wie wohl in einer Demokratie erscheinen durfte, im Nationalsozialismus nicht unbehelligt dulden wollte. Nachdem man Haffner vor die Reichsschrifttumskammer zitiert hatte, verliert sich seine Spur, heißt es. War da niemand, der nach dem nicht einmal Vierzigjährigen gefragt hat, könnte man meinen? Oder war es schlicht nicht opportun, zu fragen? Man möchte im Rückblick vielleicht gern glauben, dass Ernst Haffner sich abgesetzt hat. Die sog. „Vagabundenbewegung“ findet in „Blutsbrüder“ einen Widerhall – Willi flieht aus einer Erziehungsanstalt im Rheinland und gelangt als „Blinder“ auf den Achsen eines D-Zugs von Köln nach Berlin. Und er schreibt von einem Mann, der seiner Zimmerwirtin nur ein schmutziges Hemd und seine Papiere hinterlassen hat. Da man offenbar jedoch nie wieder von Ernst Haffner gehört hat (sein jüdischer Verleger starb 1941 im Exil, nachdem Teile seiner Familie nach England emigriert waren), auch nicht, nachdem der Wind sich gedreht hatte, ist diese Möglichkeit vielleicht nicht ausgeschlossen, aber wahrscheinlich – leider – unwahrscheinlich.

 

PS: Das Hörbuch ist von Ben Becker treffend eingelesen worden, der damit auch auf Lesetour war.

Cover des Buches Blutsbrüder (ISBN: 9783839812945)
engineerwifes avatar

Rezension zu "Blutsbrüder" von Ernst Haffner

engineerwife
Kein leichtes Leben ...

Ich bin ganz begeistert von der Authentizität dieser Geschichte, die Roman und zugleich auch wieder schonungsloser Tatsachenbericht ist. Der Schriftsteller Ernst Haffner, der zwischen 1925 und 1933 in Berlin als Sozialarbeiter tätig war, nimmt sich in seinem erstmals im Jahr 1932 veröffentlichten Buch einem Thema an, das in den goldenen Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts so eigentlich nicht verarbeitet wurde. Schnörkellos und ehrlich beschreibt er die Zustände in der Hauptstadt, erzählt von den Straßenkindern, die ums nackte Überleben kämpfen. Auch vor knapp hundert Jahren mussten diese Jungs ohne Obdach und Familie Dinge tun, die sich schlecht mit ihrem Gewissen und noch schlechter mit ihrem Wohlbefinden vereinbaren ließen. Vom einfachen Taschendiebstahl bis hin zur Prostitution blieb diesen hungrigen Heranwachsenden wenig erspart. Zudem saß ihnen ständig die Angst im Nacken, von der Polizei aufgegriffen und der Fürsorge übergeben zu werden.

Von dem Autor Ernst Haffner verliert sich nach 1938 jede Spur. Sein Buch, ursprünglich unter dem Titel „Jugend auf der Landstraße“ erschienen und nach Erscheinen in der Zeitung gelobt, fällt während der Nazidiktatur der Bücherverbrennung zum Opfer.

Gelesen wird das Hörbuch von dem brillanten Schauspieler und Sprecher Ben Becker, der die Charaktere des Romans zum Leben erweckt. Ich hätte mir für dieses Hörbuch keinen besseren Leser vorstellen können, Hut ab. 

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