Rezension zu "Pierre und Jean" von Guy de Maupassant
Die schmale Novelle erzählt die Geschichte zweier sehr unterschiedlicher Brüder in der französischen Provinz. Probleme treten erstmals auf, als der eine der Brüder aus heiterem Himmel Erbe eines nahen Familienfreundes wird, der andere Bruder hingegen leer ausgeht. Der von der Erbschaft Unbedachte beginnt zu grübeln: den Anstoß für ein kritisches Hinterfragen dieses Zufalls liefert schließlich eine Frau, die sachte die Idee anstößt, wonach möglicherweise der Erbe illegitimer Sohn des Verstorbenen war und deshalb das Glück dieser reichen Erbschaft hatte. - Bel Ami hat mir vom Schreibstil besser gefallen, doch Maupassant schafft es auch in dieser schmalen Novelle, durch recht gut gezeichnete Charaktere ein Sittengemälde zu entwerfen. Zentral wird die Widerlegung einer Illusion, wonach die Ehe der eigenen Eltern konfliktfrei wäre. Die Mutter der beiden Brüder hatte vielmehr eine Affäre, die für beide Brüder zu unterschiedlichen Vätern führte. Der vom ganzen eigentlich betroffene Ehemann spielt indes nur eine Statistenrolle: er liebt das Angeln und macht sich um alles überhaupt keine Gedanken. Insgesamt lesenswertes Büchlein, das aber nicht gerade zu Maupassants Spitzenleistungen gehört.