Cover des Buches Tod und Nachtigallen (ISBN: 9783869302331)
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Rezension zu Tod und Nachtigallen von Eugene McCabe

Rezension zu "Tod und Nachtigallen" von Eugene McCabe

von Clari vor 12 Jahren

Rezension

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Clarivor 12 Jahren
Rabenschwarze Zeiten mit bitterbösen Erfahrungen. Die Rahmenhandlung zu diesem archaischen Familiendrama bildet das irische Moor, eine herbe Landschaft und Menschen, die in einer gewissen Gefühlsstarre verharren. Die politische Verfassung 1883 in Irland zeigt sich in Grenzstreitigkeiten, Religionskontroversen zwischen Protestanten, Katholiken und politischer Gegnerschaft beider Seiten, die sich in brutalen Übergriffen manifestiert. Elizabeth Winters ist die Protagonistin, die sich nach dem Tod der Mutter dem störrischen, eigenbrötlerischen und häufig betrunkenen und gewalttätigen protestantischen Vater Billie Winters ausgesetzt sieht. Zu allem Übel bestreitet er seine Vaterschaft für sie und bezichtigt seine verstorbene katholische Frau, ihm ein Kuckucksei ins Nest gelegt zu haben. Er weigert sich großspurig, Beth je etwas vererben zu wollen. Die Erzählung nimmt ihren Lauf, und die unterschiedlichsten Charaktere bevölkern das Dorf und die öden Farmen. Die tölpelhafte Sprache und Schilderungen von primitiven Gebäuden mit ihren Holzöfen und dem bedürfnislosen Interieur zusammen mit dem Vieh in den Ställen zeigen eine Lebensform, die fern heutiger zivilisatorischer Errungenschaften auskommen musste. 1883 gab es weder Internet, Telefon noch sonstige Kommunikationsmöglichkeiten geschweige denn sanitäre Anlagen heutiger Provenienz. Beth sucht sich in ihrer emotionalen Not mit dem radikalen und brutalen Vater einen falschen Liebhaber. Dieser heckt ein Verbrechen aus, das zu dem Perfidesten gehört, was man sich vorstellen kann. Liam Ward, ihr Liebhaber, gehört zu einer ganz gemeinen Sorte von Verbrechern, was Beth zu spät entdeckt. Geld, Gier und Selbstsucht sind die Charaktereigenschaften dieses Wüstlings. Eugen MacCabe ist ein gekonnter Visionär. Mit dieser Begabung vermag er sich in eine Vergangenheit zu versetzen, in der jeder mit seinen Emotionen alleine blieb, und folgerichtig die Gewalt das Mittel der Wahl zur Kommunikation blieb. In diesem Klima wächst überall Misstrauen, Argwohn und rudimentäre archaische Gewalt. Beth beschließt an ihrem 25. Geburtstag zu fliehen, um den Attacken des cholerischen Vaters und seinen nicht immer züchtigen Annäherungsversuchen zu entgehen. Sie ist hübsch, fleißig und tatkräftig. Doch ihr Fluchtplan misslingt und die Geschichte nimmt ihren tragischen Verlauf. Nicht ganz leicht verdaulich zeigt dieser Roman ein Zeitbild im fernen Irland,das eher in Grautönen gehalten ist. Daneben gibt es jedoch Landschaftsbeschreibungen, die sich in ihrer vielfarbigen Schönheit wunderbar in das Geschehen einfügen. In sich geschlossen und gleichbleibend in der Stimmung bleibt sich McCabe bis zuletzt treu: er zeigt eine Gesellschaft von konstanter Härte und egoistischer Selbstsucht, die von Rachegedanken durchdrungen ist. Überzeugend und ehrlich wird hier nichts beschönigt. Man kann nur überleben, wenn man sich den gleichen Geist und die gleiche Härte zulegt, die hier ein jeder praktiziert. Laut John Banville hat sich McCabe mit diesem einzigen Roman „in die vorderste Reihe irischer Gegenwartsautoren geschrieben“. Dem kann man uneingeschränkt zustimmen.
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