Eva-Maria Obermann

„Tropfen der Ewigkeit“ ist Band 13 der Märchenspinnerei. Rapunzel im Steampunk-Gewand.

Valeria lebt eingesperrt in ihrem Zimmer, das Einzige, auf das sie sich freut, ist der Garten, der mehr und mehr wächst, wenn sie ihre Aufgaben löst. Am meisten wünscht sie sich Zitronenbäume. Diese vermisst sie, seit ihre Mutter mit ihr aus Italien geflohen ist.
Valeria glaubt, dass ihre Mutter sie versteckt, weil sie schwarz ist.
Außerhalb der Mauern lauert der Tod. Sie hat nur zu wenigen, ausgewählten Menschen Kontakt, dafür sorgt ihre Mutter Stella. Sie ist eine angesehene Ärztin und konnte durch ihre Forschung einiges bewegen. Statt Prothesen so herzustellen, wie wir es kennen, werden darin Zahnräder verarbeitet.

Immer wieder denkt sie an das Märchen mit dem Mädchen und dem Prinzen, der sich in einen Drachen verwandelt, doch was hat es damit auf sich? Und wer ist Minna, die Bedienstete wirklich?
Nach und nach kommt Valeria dem Geheimnis auf die Spur. Wem kann sie trauen? Ihrer Mutter, die bereit ist für ihren Traum alles zu tun? Minna, die scheinbar einen Anschlag auf sie verübt hat? Oder Gideon, der Koch, der ihr einziger Freund ist?

Eva-Marias Schreibstil ist sehr angenehm zu lesen, bildreich und lebendig. Diese Welt aus Wissenschaft, Technik, Dampfmaschinen und Äther-Technologie ist einfach faszinierend. Und kombiniert mit dem Märchen Rapunzel ergibt sich daraus eine spannende Geschichte um den Kampf um die Wahrheit und Selbstbestimmung.

Mir gefällt die Entwicklung, die Valeria durchmacht sehr gut, auch wenn sie gerne noch ein bisschen mehr Raum hätte einnehmen dürfen. Anfangs noch ein naives, unbedarftes Mädchen, beginnt sie zu hinterfragen und wächst schließlich über sich selbst hinaus. Hier braucht es keinen Prinzen in schillernder Rüstung.

Die Märchenspinnerei kannte ich bisher nicht, aber Eva-Marias Geschichte hat mich neugierig auf weitere gemacht.
Und so langsam finde ich Gefallen an Steampunk-Geschichten. Das Thema an sich ist für mich nicht neu, auf den Gothic Festivals (Mera Luna, WGT oder Amphi Festival) laufen Besucher auch in Steampunk-Outfits herum.

Tropfen der Ewigkeit war meine erste Steampunk-Geschichte. Und sie hat mir definitiv Lust auf mehr Steampunk gemacht! Auch das Cover hat mir großartig gefallen. Alleine deshalb muss ich mir das Buch nochmal als physisches Buch kaufen, weil ich es unbedingt in mein Bücherregal stellen möchte.

Die Geschichte ist unterhaltsam, humorvoll und fesselnd. Man will gar nicht aufhören, weil es so gut ist. Die Spannung gefiel mir auch sehr gut. Es fängt langsam an, dass man Valeria und ihre Welt kennenlernt und dann gibt es bis zum Ende hin auch einige Wendungen, so dass man selber irgendwann nicht mehr so wirklich weiß, wer jetzt gut oder böse ist. In den Momenten konnte ich auch mit Valeria (der es ähnlich geht) richtig mitfühlen. Obwohl es einige Wendungen waren, war es aber auch nicht überladen.

Valeria ist eine tolle Protagonistin. Sie ist mir direkt sehr sympathisch gewesen! Sie ist klug und wissbegierig und macht das Beste aus ihrer Situation, obwohl sie wie Rapunzel eingesperrt ist. Nur nicht in einem Turm, sondern in einem Zimmer. Die kleine Zusatzgeschichte mit dem Drachen fand ich auch sehr cool! Ein weiteres gut verarbeitetes Element, dass sich wunderbar in die Geschichte von Rapunzel mit einfügt.

Dieses Buch war eine Überraschung für mich. Ich kannte kein anderes Werk der Autorin, wollte aber gern mal ein Buch aus der Märchenspinnerei lesen. Meine Wahl fiel auf „Tropfen der Ewigkeit“, hauptsächlich weil mich das mir ebenfalls fremde Steampunk-Millieu interessierte.

Schon die Leseprobe hat mich völlig gefesselt. Die Bilder, die gezeichnet wurden, schienen wie mit einer dünnen sehr scharfen Feder gezeichnet. Erstaunlich präzise und klar. Davon wollte ich mehr. Und der Roman hat mich nicht enttäuscht, sondern diese tollen Bildern zu einer erstaunlichen Geschichte verwoben.

Die Autorin bringt das Gefühlsleben ihrer Hauptfigur sehr authentisch herüber. Es ließt sich sehr spannend, obwohl im ersten Teil die Handlung in einem sehr begrenzten Raum stattfindet. Dazu gibt es viele Rückblenden (was ja manchmal problematisch sein kann). Aber auch sie stören nicht, sondern ziehen den Leser tief in das Geschehen. Im ersten Teil umgeben die Hauptperson viele Rätsel rund um die Personen und Ereignisse, die sie umgeben. Das machte einen großen Teil der Faszination beim Lesen für mich aus.

Im zweiten Teil lösen sich die Mysterien, die Handlung wird atemberaubend schnell, aktionsgetrieben. Es kommt zum spannenden Shutdown und ein Rückschlag folgt auf den anderen. Durch diese Seiten bin ich regelrecht gehetzt, was aufgrund der hohen Qualität des Geschriebenen fast ein bisschen schade war. Ich habe mit Valeria gehofft und gekämpft und mich verzweifelt gefragt, wie sie sich retten kann.

Das Steampunkmillieu fand ich klasse und detailreich beschrieben. Auch die Verflechtung zum Märchen ist sehr gut gemacht.

Bei der rasanten Aufklärung am Schluss sind mir ein paar Logikfäden zum Anfang gerissen. Ein paar Fragezeichen blieben zurück, was die einzelnen Zusammenhänge betrifft.

Trotzdem hinterlässt mich diese Geschichte begeistert. Ich ziehe meinen Hut vor dem Können der Autorin – und in diesem Fall muss das natürlich ein Zylinder sein!