Im Klappentext zu Eva Biringers Sachbuch „Unversehrt“ ist zu lesen: „Ein autobiografisches Plädoyer, weiblichen Schmerz ernst zu nehmen, und ein Aufruf an alle Frauen, ihn in etwas Machtvolles zu verwandeln.“ Und dieser Satz fasst die Message des Buches wahnsinnig gut zusammen. Denn alles, wovon Eva Biringer erzählt, ist einerseits augenöffnend, macht andererseits unheimlich wütend und bietet schlussendlich eine fundierte Grundlage, um das gesellschaftliche Problem um weiblichen Schmerz anzugehen.
Aufhänger ist für Eva Biringer eine persönliche Geschichte – die nämlich ihrer Großmutter, die jahrzehntelang unter chronischen Schmerzen litt, gegen die sie täglich zahlreiche Tabletten nahm und die letztendlich dafür sorgten, dass sie kaum mehr das Haus verließ und sich sozial zurückzog. Es ist eine Geschichte, die exemplarisch für das Leid unzähliger Frauen steht, deren Schmerzen von Ärzten und Ärztinnen nicht ernstgenommen werden und die dadurch nicht selten Medikamentenabhängigkeiten und/oder psychische Erkrankungen wie Depressionen entwickeln.
In neun Kapiteln zu unterschiedlichen Aspekten des Themenkomplexes „weiblicher Schmerz“ geht Eva Biringer den Ursprüngen weiblichen Leidens auf den Grund – denn tatsächlich müssen Frauen allein aufgrund von Schwangerschaft und Geburt stärkere Schmerzen aushalten als Männer, leiden häufiger unter chronischen Erkrankungen und werden signifikant häufiger Opfer von häuslicher und se*ualisierter Gewalt. Weshalb also orientiert sich die Medizin noch immer in erster Linie am männlichen Körper, werden Frauen oftmals psychische Probleme unterstellt, statt ihre Schmerzen diagnostisch zu untersuchen, werden ihnen schneller stärkere Schmerzmittel verschrieben?
Eva Biringer legt den Finger in eine gesellschaftliche Wunde, die sowohl Frauen als auch Männer etwas angeht, und plädiert überzeugend und leidenschaftlich dafür, weiblichen Schmerz endlich ernst zu nehmen, statt ihn kleinzureden, zu ignorieren und zu betäuben. „Unversehrt“ ist damit ein aufschlussreiches, gut recherchiertes und von vorne bis hinten lesenswertes Buch, das einen wichtigen Aspekt auf dem Weg zu echter Gleichberechtigung beleuchtet. Auf jeden Fall unbedingt lesen!