„Diese moderne Ehe zentriert sich also um die emotionale Reproduktion der Arbeitskraft, um die Gefühle von Frau und Mann, um Sexualtität und Beziehungsarbeit; damit ist sie affektiv unzweifelhaft überfrachtet.“ (S.33)
Zum Inhalt: Wer glaubt, anhand des Titels darauf schließen zu müssen, dass Eva Jaeggi und Walter Hollstein sich mit Paarbeziehungen jenseits des silbernen Hochzeitsjubiläums beschäftigen, wird überrascht sein. Von wenigen Jahren bis zu Jahrzenten spannt sich der Zeitbogen, den die Autoren in den beispielhaft ausgewählten, für sie archätypischen Beziehungen bearbeiten.
Zentrale Fragestellungen zielen hierbei auf die individuellen »Rezepte« die Paare entwickeln, um ihre Zweisamkeit gelingen zu lassen, welche Fährnisse und Fallstricke sich über die Jahre zeigen, ob es so etwas wie rote Fäden in den teils schicksalshaften Entwicklungen gibt und wo immer wiederkehrende Muster auftauchen, die nicht unbedingt offensichtlich zutage treten, sondern einer genaueren Analyse der Lebenswege der Partner bedürfen. Die Autoren bleiben dabei nicht in einer akademisch kontemplativen Beobachtungshaltung stecken. Sie erarbeiten Handlungsschablonen, in denen sich Leser durchaus wiederfinden können und die sich oft – mit aller gebotenen Vorsicht – auch auf die eigenen Erlebnisse, Beziehungsproblematiken und -potentiale übertragen lassen. Eben diese erwähnte Vorsicht ist sowohl Fr. Jaeggi, welche zur Zeit der Drucklegung als Professorin für Klinische Psychologie an der TU Berlin tätig war, wie auch dem Soziologen Walter Hollstein ein hohes Anliegen, auf das sie immer wieder seriöserweise hinweisen. Diese Professionalität hebt den Text auch weit ab von diversen Selbsttherapie Büchern, deren Nutzen – im besten Fall – fraglich ist.
Inhalte (Hauptüberschriften)
I. Partnerschaft als soziales Problem
II. Der Alltag in einer Partnerschaft und Trennung
III. Einheit und Bruch
IV. Überleben Weiterleben
V. Veränderungen
VI Die Routine und das Fest
Fazit: Das Buch hatte ich vor genau 12 Jahren bereits einmal gelesen und umso erstaunlicher war es, den Text ein erneutes mal zu lesen, feststellend, dass sich zwar gewisse Ansichten durchaus gewandelt haben, aber ich den Kernaussagen nach wie vor inhaltlich weitestgehend zustimmen kann. Sprachlich ist die Darstellung duchaus auf anspruchsvollerem Niveau geschrieben, wobei die Autoren stehts um sachliche und nachvollziehbare Darstellung bemüht sind. Einen nicht zu ingnorierenden Kritikpunkt stellt aus meiner Sicht die Auswahl der exemplarisch vorgestellten Paare / Personen dar. Es sind dies durchwegs Vertreter einer gehobenen Bildungsschicht – „Fast alle unsere Gesprächspartner hatten eine überdurchschnittlich hohe Ausbildung“ (S.127) –, zumeist gut bis sehr gut situiert, deren Selbstreflexion und Ausdrucksstärke zwar eine gewissen Gesellschaftsschicht beleuchten mögen, aber Rückschlüsse auf bildungsschwächere Paare / Personen – und dies sei explizit nicht wertend gemeint – nur sehr bedingt erlauben. Ansonsten bietet der Text einen weitreichenden, komplexen Einblick in die „Mechanik“ von Beziehungsgeflechten, sowie deren Triebfedern, Fallstricken und Potentialen, ohne Schönfärberei, aber auch ohne moralisierenden Zeigefinger.