Mein zweites Hörbuch zum Thema "Jane Eyre", bisher kenne ich noch die Version mit Sophie Rois (ca. 616 Min, 7 CDs, inhaltlich allerdings auch gekürzt).
Ich muss sagen, dass mir dieses Hörbuch (6 CDs, ca. 440 Min.) besser gefallen hat. Das Problem ist nur: es ist noch mehr gekürzt, als die Rois-Lesung.
Warum ich diese deutlich kürzere Fassung trotzdem bevorzuge liegt einzig an Eva Mattes. Im Gegensatz zu Rois lässt sie mir als Hörer genügend Raum, den Text selbst zu erleben. Im direkten Vergleich finde ich die Rois-Lesung als zu "dick aufgetragen", vieles wird mir als Hörer "aufgezwungen" und ich muss es so nehmen, wie Frau Rois es interpretiert. Auch wenn ich selbst es mir halt anders vorgestellt hätte.
Eva Mattes liest deutlich zurückgenommener und lässt den Text mehr in den Vordergrund treten, als die Kunst der Interpretation. Es wird mehr gelesen, als geschauspielert. Mir hat diese zurückhaltendere Interpretation besser gefallen. Bedauerlich finde ich nur, dass sie so kurz ist. Viele Stellen fallen einem zuerst nicht auf, aber z.B. wird die Abfahrtsszene auf dem Weg zu ihrer kranken Tante nur gekürzt wiedergegeben. Die Geldfeilscherei fehlt total. Ebenso der Aufenthalt bei ihrer Tante bzw. den Cousinen - er wird komplett weggelassen. Was sich später gegen Ende als sehr bedauerlich herausstellt, weil bei einer Szene sich auf eine Gegebenheit bezogen wird, die man vorher nicht gehört hat, weil es ausgelassen wurde. Ein leicht irritierter Blick von mir Richtung Lektorat/Bearbeiter. Aber das ist jammern auf hohem Niveau.
Ungewöhnlich für mich die Musikeinspielungen am Ende/Anfang der jeweiligen CD. Das hat mir wirklich gut gefallen und die Musik ist einfach sehr schön. Das kannte ich vorher so noch gar nicht und finde die Idee und Umsetzung sehr gelungen.
Was ich nicht verstehen kann ist, warum St. John River in dieser Fassung"Sinjin" (schreibe ich das richtig, es klingt jedenfalls so) heißt... das kommt mir sehr merkwürdig und wie eim "Fremdkörper" vor. Das wäre eigentlich mein einziger Kritikpunkt.
Ein sehr schönes Hörbuch, wunderbar gelesen von Eva Mattes. Bedauerlich, dass es keine ungekürzte Lesung ist - sie wäre perfekt. Auf ein oder zwei CDs mehr wäre es doch nun wirklich nicht angekommen. Zu schade. Was ich noch mehr bedauere ist, dass es diese Fassung zu Zeit gar nicht mehr im Handel gibt. Warum, frage ich mich? Ich hoffe auf eine Neuausgabe, vielleicht sogar mit etwas Glück ungekürzt oder eine "Extended Edition", vielleicht wurde von Frau Mattes ja mehr eingelesen, als dann im Endeffekt veröffentlicht wurde? Ach wäre das schön!
Als nächstes werde ich "Stolz und Vorurteil" von Eva Mattes hören und freue mich jetzt schon sehr darauf. "Jane Eyre" kann ich jedenfalls allen empfehlen, ein tolles Hörbuch!
Eva Matthes
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Charlotte Bronte hat ihren autobiographisch geprägten Roman Jane Eyre erstmals 1847 unter Pseudonym veröffentlicht. Eine Veröffentlichung als weibliche Autorin wäre zu damaligen Zeiten wohl (noch) undenkbar gewesen in einer von Männern dominierten Verlagswelt. Der Roman gehört zu den unbestrittenen Klassikern der viktorianisch-englischen Literaturepoche und erfreut sich neben Jane Austen und Charles Dickens bis heute ungebremster Lesebegeisterung. Warum? – Nun, es geht um das Schicksal, um Leid, Verlust und den dramatischen Versuch der Selbstbehauptung (- zumal einer Frau) in schwierigen sozialen Zeiten, der am Ende mit einem (fast) Happy End belohnt wird. Charlotte Bronte reißt viele Probleme an; sehr viele auch einfach nur versteckt: Minderwertige Herkunft, Waisenkind, Rolle der Frau in einer von Männern dominierten Gesellschaft, die Rolle des Kindes noch vor der Zeit, in der man das „Kindeswohl“ erfunden hatte, selbstbestimmtes Leben insbesondere als Frau, freie Wahl des Partners, Ehescheidung, Wahl des Ehepartners aus finanziell-gesellschaftlicher Strategie – nur um die mir deutlichsten zu nennen. Ein wenig erinnert das Kaleidoskop der Motive an eine Mischung aus Jane Austen kombiniert mit Charles Dickens – und offensichtlich waren es auch die Zeitprobleme jener Jahre, die Autor(innen) thematisieren wollten, durch literarische Verarbeitung ihren Lesern deutlich machen. Charlotte Bronte schreibt mit weniger „Herz-Schmerz“ und Ironie als Jane Austen; ihre Sozialkritik ist weniger scharf wie die eines Charles Dickens. Allerdings kann sie gleichfalls bestens schreiben, schwungvoll, bilderreich, mit souveräner Sprache; Dramatik und dem ewigen Bangen, ob es das Schicksal mit der Protagonistin noch irgendwann einmal gut meint. – Eine Mischung, die nicht ohne Grund aus diesem Buch einen absoluten, vielfach verfilmten Klassiker gemacht hat.