Man könnte annehmen, man wüsste, was einen erwartet, und doch wird man trotzdem irgendwie überrascht. Ich war es zumindest. Der Streifzug durch die Geschichte der Menschheit ist faszinierend; mit ihren unterschiedlichen idealistischen Strömungen und einer Hauptfigur, der langsam aber sicher aufgeht, dass die Unendlichkeit sehr lang sein kann, wenn man alleine ist und nichts bleibt wie es ist - milde ausgedrückt.
Die Geschichte kann einen emotional ziemlich mitnehmen, wenn man sich zu viele Gedanken darüber macht, und gleichzeitig ist das das Spannende an der ganzen Sache. Die Autorin gibt viele Denkanstöße und hinterher ist man in der Lage, sein sterbliches Leben aus einem etwas anderen Blickwinkel zu sehen, positiv oder negativ, je nachdem, auf welche Erkenntnis man sich fokussiert. So oder so wird man die Geschichte nicht so schnell wieder los.
Was die Figuren angeht: Die Wandlung des Hauptcharakters ist beeindruckend beschrieben: nachvollziehbar und äußerst beklemmend. Je weiter man liest, desto beängstigender ist die Vorstellung, sich in seiner Haut zu befinden. Möglicherweise beschränkt sich das Mitgefühl des Lesers auf ein Minimum, weil Fosca sich schließlich selbst in diese Lage gebracht hat, aber das macht es nicht weniger gruselig. Das geht so weit, dass, sollte der Leser anfangs mit seiner eigenen Sterblichkeit hadern, er gegen Ende vermutlich von dieser Gefühlsregung befreit sein wird. Nicht, dass man im Gegenzug mit der Sterblichkeit zufrieden wäre, aber sie ist dann doch das kleinere Übel, sie geht vorbei.
Was am Schluss dieses Gedankenexperiments bleibt, sind ein paar (unangenehme) Erkenntnisse. Aber es ist auch ein faszinierendes Studium der menschlichen Natur und Gesellschaft, die Autorin scheint wirklich an alles gedacht und alles beachtet zu haben, was Unsterblichkeit mit einem menschlichen Wesen anrichten kann. Man denkt: Okay, Unsterblichkeit, das ist doch einfach. Aber das ist es nicht, man erfährt immer wieder neue Facetten.