Zu Friedelind Wagner liegt einiges an Literatur vor, ob nun ihr eigenes Werk, Biographien über sie, oder Erwähnungen ihrer Person in Büchern über andere Menschen. Eva Rieger, die Autorin des hier vorliegendes Werkes, hat es sich nun zur Aufgabe gemacht, den geneigten Leser*innen den Menschen Friedelind Wagner in all ihren Facetten näher zu bringen und dabei mit bestehenden Vorurteilen aufzuräumen. Dies gelingt ihr gerade dadurch richtig gut, indem sie es vermeidet, aus der Perspektive von heute und mit dem Wissen von heute über einen Menschen von damals zu Gericht zu sitzen. Sie vermeidet sowohl eine Idealisierung, als auch eine Dämonisierung, was das Buch zu einem sehr lesenswerten spannenden Buch macht, in dem mensch viel über den Menschen Friedelind Wagner im Zeitkontext erfahren kann.
Eva Rieger
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
Alle Bücher von Eva Rieger
Friedelind Wagner
Frauen mit Flügel
Isolde. Richard Wagners Tochter
„Meine alte, treue Liebe“
Nannerl Mozart
Friedelind Wagner
Neue Rezensionen zu Eva Rieger
Friedelind, die älteste Tochter von Siegfried und Winifred Wagner, wächst auf im Bewusstsein, als Enkelin des großen Meisters dessen Werk und den Bayreuther Festspielen verpflichtet zu sein. Durch diese früh geförderte Verbundenheit zum Familienunternehmen und aufgrund ihrer vielfältigen künstlerischen Talente erwartet Friedelind ganz selbstverständlich, in die Organisation der Festspiele eingebunden zu werden, doch die schwierige Beziehung zu ihrer Mutter, die die Söhne bevorzugt, sorgt schon früh für Spannungen. Als Friedelind dann in den 30er Jahren beginnt, die Politik von Familienfreund Adolf Hitler zu hinterfragen, und aus Protest gegen das Treiben der Nazis letztlich nach England und später in die USA emigriert, wird der Graben zwischen ihr und dem Rest des Wagnerclans nahezu unüberwindbar. Auch nach dem Krieg ist eine Annäherung schwierig. Als Einzige aus der Familie, die politisch unbelastet ist, scheint sie eigentlich dafür prädestiniert zu sein, die Festspielleitung zu übernehmen. Doch während sie noch zögert, in die kriegsversehrte Heimat zurückzukehren, wird sie von der Mutter und den beiden Brüdern geschickt von jeglicher aktiver Teilnahme an den Bayreuther Festspielen ausgeschlossen...
Eva Riegers Buch ist ein Portrait einer spannenden Frauenfigur. Die Biographie ist sehr sachlich und ausführlich, allerdings zeigt sich diese Detailverliebtheit für meinen Geschmack nicht immer an den passenden Stellen. Die Gründe für Friedelinds Wandel von der familienbedingten Schwärmerei für Hitler zur erklärten Nazigegnerin hätten gerne genauer beleuchtet werden dürfen. Auch wäre es hilfreich gewesen, die Gründe für ihr ständiges berufliches Scheitern genauer unter die Lupe zu nehmen. Bei anderen Passagen dagegen scheint die Ausführlichkeit übertrieben. So hätte etwas weniger Name-Dropping nicht geschadet, denn auch wenn ihre Vernetztheit mit bekannten Künstlern aus aller Welt prägend war, trägt die bloße Aufzählung, neben welchen Berühmtheiten Friedelind in der Oper gesessen hat, wenig zum tieferen Verständnis ihres Charakters und ihrer Lebensgeschichte bei. Dafür interessiert sich die Autorin nicht nur für Friedelind selber, sondern sie beleuchtet auch detailliert die Beziehungen und Mechanismen im ganzen Wagner-Clan und ermöglicht so Einblicke in eine Familie, deren Geschichte mit ihren Licht- und Schattenseiten die Opernwelt bis heute prägt.
Die etwas andere „Wagner“
Im Lichte der Macht sonnten sich die Mitglieder Familie Wagner in und um ihr Festspielhaus und die alljährlichen Wagner-Aufführungen immer schon gerne. Eng verbunden war das Haus vor allem mit dem düstersten Kapitel der deutschen Geschichte, dem Nationalsozialismus. Hitler als gern gesehener Gast, als Freund der Familie, als Gönner. Eine Liaison, mit der sich beide Seiten zu Zeiten zu schmücken wussten und die bis heute ihre Schatten wirft.
Eva Rieger hat sich nun in ihrer ausführlichen, fundiert recherchierten und ebenso breiten wie tiefen Biographie jenem Familienmitglied der Wagners zugewendet, das als einziges damals nach einer Zeit innerer Entwicklung Abstand wahrte zu Hitler und der Führung des dritten Reiches. Eine Wandlung in den Überzeugungen, ein Abstand, der nicht immer einfach zu wahren war und durchaus für massive Spannungen sorgte. Bis hin zur Emigration Friedelind Wagners. Und damit auch bis zum Bruch mit der eigenen Familie. Ab 1940 führte der Weg über zunächst England dann nach Amerika. Wobei, auch das sei nicht verschwiegen, der Name durchaus ein (von ihr genutzter) Türöffner, wenn auch nicht der Garant für materielle Sicherheit, war.
Vielfach sind die Details, die Eva Rieger dem Leser mit auf den Weg gibt, erkennbar ist, dass sie sich mit ihrem Objekt, aber auch der gesamten Familie, intensiv beschäftigt hat. Wobei, ein wenig störend, doch immer im Hintergrund die persönlichen Präferenzen Eva Riegers deutlich erkennbar sind. So lenkt sie den Eindruck Friedelind Wagners durchaus des Öfteren ohne zwingende Argumentation, wohl eher aus eigenen Überzeugungen heraus, in den Bereich der Emanzipation und des Feminismus, stellt Friedelind Wagner als eine Frau dar, die eben als Frau mit Kraft in einer männerdominierten Welt der 30er, 40er und 50er Jahre ihren Weg sich fast ertrotzte. Dies geben die Fakten so allerdings nicht her, Rieger selbst lässt ja keinen Zweifel daran, dass Friedelind Wagner durchaus um die Kraft ihrer Herkunft und ihres Namens wusste und dies versuchte, zu nutzen. Auch wenn natürlich auch Kämpfe um den Broterwerb im Raume stehen. Damit steht Friedelind aber nicht alleine zu jener Zeit und das allein ist noch kein Grund, auf der „Frauenfrage“ hier zu sehr zu beharren.
Dennoch, durchaus lohenswert und interessant zu lesen ist, wie Friedelind Wagner den „Kopf über Wasser“ hielt, viele Arbeiten annahm, annehmen musste und in materieller Unsicherheit den Weg suchte. Eine Unsicherheit, die auch nach der Rückkehr nach Deutschland noch andauerte. Das angespannte und mit Reibung versehene Verhältnis zur Familie steht durch Rieger ausführlich beschrieben im Raum und gibt einen durchaus tiefen Einblick in die „Sonderwelt“, in der „die Wagners“ sich selbst und im Verhältnis untereinander aufhalten. Ein Anpassungsdruck, der bis heute anhält und, dies arbeitet Rieger ebenfalls gut heraus, dem sich Friedelind Wagner Zeit ihres Lebens zu widersetzen verstand. Mit durchaus materiellen, künstlerischen und, sicher auch, emotionalen Belastungen für sie selbst.
Einen gemischten Eindruck hinterlässt das Buch. In Teilen sehr kleinteilig (bis hin zu pro und contra einzelner Aufführungen in den späteren Jahren) und hier und da mit zuviel „Erkennbarkeit“ der persönlichen Überzeugungen der Autorin, mit zuwenig Distanz zum Objekt der Darstellung. Andererseits finden sich vielfache Hintergrundinformationen zur Familie Wagner und eine fundierte Darstellung der Lebensstationen Friedelind Wagners, ihrer „Kraft zum Widerstand“ gegen allen Anpassungsdruck und der Suche nach einem (gesicherten) Platz im großen Gefüge der Wagner-Familie. Alles in allem durchaus interessant zu lesen, wenn auch hier und da zu subjektiv in der Darstellung.
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