Eva von Redecker

 4,3 Sterne bei 3 Bewertungen

Lebenslauf

Eva von Redecker, geboren 1982, ist Philosophin und freie Autorin. Von 2009 bis 2019 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Humboldt-Universität und als Gastwissenschaftlerin an der Cambridge University sowie der New School for Social Research in New York tätig. 2020/2021 hatte sie ein Marie-Skłodowska-Curie-Stipendiatium an der Universität von Verona inne, wo sie zur Geschichte des Eigentums forschte. Eva von Redecker beschäftigt sich mit Kritischer Theorie, Feminismus und Kapitalismuskritik, schreibt Beiträge für u.a. »Die ZEIT« und ist regelmäßig in Rundfunk- und TV-Interviews zu hören. Seit Herbst 2022 richtet sie am Schauspiel Köln die philosophische Gesprächsreihe »Eva and the Apple« aus. Bei S. FISCHER erschien zuletzt ihr Buch »Revolution für das Leben. Philosophie der neuen Protestformen« (2020) sowie ein Vorwort zur Jubiläumsausgabe der »Dialektik der Aufklärung«. Aufgewachsen auf einem Biohof, lebt sie heute im ländlichen Brandenburg.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Eva von Redecker

Cover des Buches Revolution für das Leben (ISBN: 9783596708048)

Revolution für das Leben

 (2)
Erschienen am 29.03.2023
Cover des Buches Bleibefreiheit (ISBN: 9783103974997)

Bleibefreiheit

 (1)
Erschienen am 24.05.2023

Neue Rezensionen zu Eva von Redecker

Cover des Buches Bleibefreiheit (ISBN: 9783103974997)
Catastrophias avatar

Rezension zu "Bleibefreiheit" von Eva von Redecker

Über das Verhältnis von Freiheit und Zeit
Catastrophiavor 5 Monaten

Freiheit ist ein Begriff, den wir oft mit Bewegungsfreiheit gleichsetzen: Freiheit als räumliche Möglichkeit, Dinge zu tun. Doch es gibt auch eine zeitliche Freiheit, meint Eva von Redecker: "Bleibefreiheit". In ihrem gleichnamigen Essay spürt sie dieser Form der Freiheit nach.

Freiheit in ihrer räumlich-materiellen, auf Besitz abzielenden Bedeutung bringt Schwierigkeiten mit sich. Sie zentriert das Individuum und dessen Recht auf Eigentum, die Möglichkeit, Dinge zu tun und zu lassen. Diese Form der Freiheit kann allerdings gar nicht von allen erreicht werden - weil Ressourcen nun mal endlich sind. Außerdem fehlt die Zukunftsperspektive, da die Freiheit auf materielle Verfügung beschränkt bleibt. Die Vorstellung ist daher auch eng mit der dem Kapitalismus inhärenten Akkumulationslogik verbunden, da über die Anhäufung von Besitz eine gewisse Zukunftssicherheit erreichbar scheint. Doch diese Freiheit macht auch unfrei, weil sie Abhängigkeiten schafft - Abhängigkeiten in materieller wie hierarchischer Hinsicht.

Was würde aber passiert, wenn man diese Zukunftskomponente anders mit dem Freiheitsbegriff verbindet? Lässt sich Freiheit zeitlich verstehen und was gewinnen wir dadurch? Die Freiheit, bleiben zu können, statt einen Ort (wegen Krieg oder Klimawandel) verlassen zu müssen. Die Freiheit, über meine zwingendermaßen endliche Zeit zu entscheiden, auch und gerade, wenn das zugunsten eines Zuhause-Bleibens ausfällt. Eva von Redecker zeigt: Es gibt viel zu gewinnen, wenn man der Diagnose eines stetigen Zeitverlusts ein "jetzt erst recht!" für demokratische und zwischenmenschliche Prozesse entgegenstellt - und wenn man begreift, dass Freiheit nicht nur individuell und räumlich zu denken ist. Gerade die zeitliche Perspektive kann gemeinsame Räume öffnen: "Wenn in der Bleibefreiheit eine Idee der Liebe steckt, dann die, dass man Zeit teilt, ohne sie zu verlieren." (S. 91)

Im Gegensatz zur räumlichen Vorstellung fußt sie nicht auf endlichen, starren Voraussetzungen und rückt das Prozesshafte ins Zentrum. Eva von Redeckers Fokus liegt auf der stetigen Möglichkeit des Neubeginns, Hannah Arendts "Natalität", die sie mit anarchistischen und feministischen Überlegungen zu zwischenmenschlichen Beziehungen und der Gestaltung von Zukunft verbindet. Für diese Form der Freiheit muss die Zukunft potentiell offen und damit gestaltbar bleiben. Aus dieser Perspektive werden Handlungsräume auch in scheinbar aussichtslosen Situatione deutlich, denn eine Absage ist all den pessimistisch- apokalyptischen Weltuntergangsszenarien zu erteilen, die zu schnell in einem "wir können es ja eh nicht mehr ändern" münden. 

Im Kern geht es also darum, uns die Macht über unsere Zeit zurückzuholen – und zwar nicht nur individuell, sondern auch gesamtgesellschaftlich. Dies ist kein Versuch, den Wert von Bewegungsfreiheit zu leugnen. Das wäre auch absurd angesichts armutsbedingter Mobilitätseinschränkung und emanzipatorischer Siege der letzten Jahrhunderte.  Sondern es geht um die Erkenntnis, dass ebenso, wie Bewegung unfreiwillig geschehen, das Bleiben auch eine freiwillige Komponente beinhalten kann – und dass die Zeitlichkeitsperspektive Freiheit schafft, während unsere gängigen Freiheitsvorstellungen die Tendenz zur Unfreiheit in sich tragen.

Durch die Verbindung persönlicher Anekdoten mit der Bereitschaft, auch noch nicht zu Ende gedachte, potentiell offene Überlegungen zu formulieren und zur Diskussion zu stellen, ist ein Essayband entstanden, der zum Nachdenken anregt, Optimismus weckt und scheinbar Selbstverständliches  hinterfragt.  Wie schon in „Revolution für das Leben“ verbindet die Autorin politiktheoretische Kritik mit Perspektivwechseln und bietet keine abgeschlossene, starre „Gegentheorie“, sondern – ganz im Sinn des Projekts – einen offenen Denkraum. Das alles ist bereichernd und macht Mut, gesellschaftliche Entwicklungen nicht als alternativlos, sondern veränderbar wahrzunehmen.

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Cover des Buches Revolution für das Leben (ISBN: 9783103970487)
B

Rezension zu "Revolution für das Leben" von Eva von Redecker

Viel Stoff zum Nachdenken
belanaherminevor 3 Jahren

Inhalt

In einer Einleitung erfahren wir über die Autorin, ihren Werdegang und ihr Anliegen, das sie mit dem Buch verfolgt.

Dann folgt der erste Teil des Buches, der sich mit der Ist-Situation hinsichtlich "Eigentum", "Gütern", "Arbeit" und "Leben" befasst.

Ein Kapitel "Revolution" trennt die Ist-Situation von der folgenden Auseinandersetzung mit möglichen zukünftigen Situationen. Es zeigt, was Revolution aktuell bedeuten könnte und wo sich derzeit revolutionäre Tendenzen zeigen und wie sie wirken könnten.

Es folgt der zweite große Teil des Buches, der sich mit zukünftigen Möglichkeiten hinsichtlich "Leben", "Arbeit", "Gütern" und "Eigentum" befasst.

Am Ende des Buches finden sich 23 Seiten Literaturhinweise, die den einzelnen Kapiteln zu geordnet sind.

Subjektive Eindrücke

Ich hatte Frau von Redecker bereits in einem Podcast gehört, fand ihre Gedanken ziemlich interessant und wollte unbedingt mehr davon wissen.

Natürlich handelt es sich um ein philosophisches Buch. Man muss also schonmal mit ein paar komplizierteren Sätzen rechnen und beim Lesen auch ein wenig Nachdenken. Und gerade das war für mich das große Plus dieses Buches: Es hat mir viel Stoff zum Nachdenken gegeben. Grundsätzlich ist das Buch aber gut zu lesen und kommt ohne viele Fachbegriffe aus.

Die Rahmung des Textes in die beiden großen Teile, deren Inhalte in umgedrehter Reihenfolge angeordnet sind, ist sehr passend.

Wer eine eigene Standort-Überprüfung vornehmen oder auch alte Gedanken neu überdenken möchte, bekommt mit diesem Buch sicherlich sehr viel Anregung für eine derartige Auseinandersetzung.

Fazit

Sicherlich streitbar, aber ein wertvoller Beitrag zur allgemeinen Diskussion.

Weitere Rezensionen von mir gibt es unter https://belanahermine.wordpress.com/category/rezension/

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