Cover des Buches Vaters Pistole (ISBN: 9783360500854)
krimielses avatar
Rezension zu Vaters Pistole von Eveline Schulze

Drei unblutige Berichte einer Insiderin

von krimielse vor 8 Jahren

Kurzmeinung: Unterhaltsame und wahre Kriminalfälle aus Görlitz zu Zeiten der ehemaligen DDR, aufgeschrieben von einer Insiderin

Rezension

krimielses avatar
krimielsevor 8 Jahren
Die Autorin Eveline Schulze berichtet im vorliegenden Buch von drei Kriminalfällen, die sich in ihrer Heimatstadt Görlitz zu Zeiten der ehemaligen DDR so tatsächlich zugetragen haben. Dabei begleitet man als Leser in zwei der beschriebenen Fälle die Ermittlungen bzw. im dritten Fall den Weg des Täters. Die Autorin bleibt dabei nahe bei den Protagonisten und verfolgt gleichzeitig mit journalistischem Geschick die Geschichten, die abgesehen von einigen wenigen persönlichen Informationen zum ermittelnden Haupmann der Kripo Görlitz Krause einen recht strengen Berichtsstil hat, der gut zum Geschehen passt. Die einzelnen Fälle sind in verschiedenen Zeiten angesiedelt. Der erste Fall ereignete sich in den 60er Jahren, eine Mutter und ihre Tochter werden tot in der eigenen Wohnung gefunden. Die Tatwaffe ist eine Parabellum mit zunächst unklarer Herkunft. Kommissar Krause ermittelt im beruflichen und privaten Umfeld der Mutter und löst so die Rätsel des Falles. Im zweiten Fall begleitet der Leser einen Alkoholiker, der ein Schläger und zweifacher Mörder ist, ein Stück seines Lebensweges bis in die 90er Jahre. Totaler Absturz, asoziales Verhalten, Gefängnis und Klinikaufenthalte zwecks Entzug pflastern diesen Pfad. Die Autorin zeigt hier auf, wie es zum Tod seiner Lebensgefährtin kam. Beim letzten Fall, bei dem es um Kindsmord infolge Verwahrlosung und Trunksucht geht, schauen wir wieder Kommissar Krause bei den Ermittlungen über die Schulter. Eveline Schulze hat Journalismus studiert und war in der 80 er Jahren bei der Volkspolizei in Görlitz tätig. Der Stil ihrer Geschichten unterstreicht das, es gibt keine romanhaften Ausschweifungen, die Charaktere, insbesondere die Täter, sind berichtartig knapp geschildert. Unterstützt wird das Ganze durch Fotos von Tatorten und Zeitungsausschnitten passend zu den Fällen. Ich muss zugeben, dass ich mit dem Buch nicht recht warm geworden bin. Für mich ist es geschrieben im Stil von alten Folgen des DDR-Tatort-Pendants "Polizeiruf 110". Die Figuren erscheinen seltsam blass, die Ermittlungen sind mir oft zu unausgegoren. Das trifft zum Beispiel auf den ersten Fall im Hinblick auf die Herkunft Tatwaffe zu: der ermittelnde Kommissar befragt einen alten Freund und Heimatkundigen, der Vermutungen anstellt, worauf hin der Fall als geklärt ad acta gelegt wird. Ich kann nicht beurteilen, ob in den 60er Jahren der DDR tatsächlich so ermittelt wurde, falls ja hätte mir eine kurze Erklärung dazu gut gefallen. Es ist sicher so, dass die damalige sozialistische Realität unter anderem durch die verwendete Sprache gut nachgezeichnet wurde (als Kind des ehemaligen Ostens kann ich das beurteilen), aber ich lese kein altes sondern ein neu erschienenes Buch, und da hätte ich mir mehr Wertung zum Geschehen oder auch eine modernere Sprache gewünscht. Die Geschichten und Berichte könnten nach meinem Dafürhalten genau so auch in den 60er Jahren der DDR geschrieben worden sein. Aber vielleicht ist das ja so gewollt? Ich denke, dass die Lektüre dennoch viele Liebhaber finden wird, die unblutige Polizeiberichte im alten Stil mögen.
Angehängte Bücher und Autor*innen einblenden (2)

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks