Cover des Buches Incendium. Wofür du auch brennst: Band 2 (ISBN: 9783959270007)
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Rezension zu Incendium. Wofür du auch brennst: Band 2 von Evelyn Uebach

Des Menschen Wille ist sein Himmelreich und manchmal seine Hölle!

von alice14072013 vor 8 Jahren

Kurzmeinung: Sehr komplexe und genial durchdachte Geschichte, die mich manchmal emotional an meine Grenzen gebracht hat und zum Nachdenken anregte.

Rezension

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alice14072013vor 8 Jahren

„ >>Des Menschen Wille ist sein Himmelreich<< so sagt eines der bekanntesten und gebräuchlichsten aus dem reichhaltigsten Schatze unserer Sprüchwörter, und wie oft möchte man mit ernstem Grunde hinzufügen: >> aber auch seine Hölle!<<“ ( Karl May)


Es gab Zeiten, da lagen dir deine Ziele klar vor Augen. Du hast gewusst, was richtig und falsch war. Dir war bewusst für was du bereit warst zu kämpfen. Gut und Böse schienen klar definiert und du hast geglaubt zu lieben. Was aber tust du, wenn du herausfindest, dass sich diese beiden Seiten eben nicht so klar definieren lassen und dass du mit den Entscheidungen, die du aus freiem Willen getroffen hast, vielleicht alles verloren hast, das du liebst?

Es ist nicht immer einfach, den Willen, der uns gegeben wurde, auch richtig einzusetzen. Manche Entscheidungen lösen Hass aus, manche schmerzen, und manchmal stoßen wir an die Grenzen, unser Leid gerade noch zu ertragen. Wir geraten in Situationen, die uns verwirren und hilflos zurücklassen und nicht selten laden wir uns durch unsere willentlichen Entscheidungen Schuld auf.


Wovon soll man sich lenken lassen? Von der Liebe oder Vernunft? Von der Angst zu scheitern, oder dem Glauben, alles bewirken zu können, wenn man nur will?


Evelyn Uebach greift in „Incendium – Wofür du auch brennst“ gekonnt die Thematik der Willensunterdrückung aus „Arbitrium – Alles was du willst“ auf und vertieft sie noch deutlich, indem sie uns mögliche Folgen einmal getroffener Entscheidungen und Handlungen aufzeigt.

Wie bereits im ersten Band ist der Leser oft auf unbequeme Weise gezwungen, über Handlungen und Gefühle der Protagonisten nachzudenken, sich emotional mit dem Geschehen auseinanderzusetzen und die Frage zu stellen, wie er selber mit der Situation umgegangen wäre.

Und gerade hier, wo der Leser sich mit einer Gefühlswelt auseinandersetzt, die seiner eigenen ähnelt, wird das Lesen von subjektiven Empfindungen geleitet. Dann stellt sich auf einmal die Frage, ob es uns fesselt und fasziniert, oder ob wir uns beim Lesen gerade ärgern und wütend werden. Fühlen wir mit den Charakteren, oder wünschen wir sie zur Hölle? Ich gestehe, bei mir passierte dies oft ungewollt alles zur gleichen Zeit. Aber genau hierin scheint die Absicht der Geschichte zu liegen. Denn genau so ist das Leben. Weder schwarz noch weiß, weder gut noch böse. Liebe, Hass, Glück, Schmerz, Schuld, Verletzung und das Gefühl an etwas zu zerbrechen, alles liegt nah beieinander und bedarf manchmal nur des geringsten Auslöser, um von der einen in die andere Empfindung zu schwanken.


Achtung, da es sich um das Finale einer Dilogie handelt, ist es schwer Spoiler zu vermeiden. Ich werde trotzdem versuchen so wenig wie möglich vorweg zu nehmen. Denn den Verlauf und Ausgang der Handlung sollte jeder selbst beim Lesen erfahren und seinen eigenen Gefühlen freien Lauf lassen.


Inhalt:


Um den Geheimnissen um die Kunst der Willensunterdrückung auf die Spur zu kommen, muss Cel ein großes Risiko eingehen. Doch wie weit kann sie gehen, ohne sich selbst zu verraten? Wie viel wird der Kampf um den freien Willen sie kosten? Und wie soll sie die schützen, die sie liebt, wenn der Feind gerade diese Liebe zur Waffe werden lässt?
Um Risomente näherzukommen, muss Cel sich mehr auf ihn und seine Methoden einlassen, als ihr lieb ist. Sogar Gray stößt sie von sich, denn jederzeit könnte Risomente ihr Spiel durchschauen. Dann bekommt sie den folgenschweren Auftrag, ausgerechnet Remo auszuspionieren, der sie nach wie vor für eine Verräterin hält. Doch trotz Misstrauen, Vorwürfen und Gefahr schaffen die beiden es nicht länger, ihre Gefühle füreinander zu leugnen. Als die Situation im Königreich eskaliert, merken Cel, Gray und Remo, dass sie Risomente nur gemeinsam zu Fall bringen können.


Meinung:


Nachdem „Arbitrium“ mit einem gemeinen Cliffhanger endete, war ich sehr gespannt, wie sich die Dinge im finalen „Incendium“ entwickeln und vor allem lösen lassen. Hatte ich nach dem ersten Band noch ein ganz klares Bild der Charaktere vor Augen, und wie ich zugeben muss eine fertige Meinung über deren Rolle und Charaktereigenschaften, so muss ich gestehen, die Autorin hat es geschafft, sie komplett über den Haufen zu werfen und mich zwischenzeitlich auch mächtig zu verwirren, in meinem Glauben, wer denn nun der wahre Antagonist ist.


Gerade Celeyna, die im ersten Band sehr stark polarisierte und von der ich nicht immer sagen konnte, dass sie mir sympathisch war, entwickelt sich hier von einer stolzen, eigensinnigen und manchmal selbstsüchtigen Persönlichkeit, die wenn auch unbewusst andere gefährdete und verletzte weiter. Auf ihrem selbstgewählten Alleingang ist sie gezwungen, sich mit ihren Gefühlen, Ängsten und Zweifeln auseinanderzusetzen. Einsamkeit, Schmerz und die Frage, ob ihre Entscheidungen richtig waren und sind, lässt sie auf einmal erkennen, was sie wirklich fühlt, wem sie ihr Herz geschenkt hat und welches Ziel sie vor Augen hat. Endlich geht sie einen konsequenten Weg, auch wenn es bedeutet, sich dem Schmerz zu stellen und leider manchmal auch gegen die eigenen Prinzipien handeln zu müssen. Ich habe nie erwartet mich so sehr mit ihrem Charakter identifizieren zu können. Oft habe ich regelrecht mit ihr gelitten und gehofft. Ihr Schmerz und ihre Hoffnung doch etwas zu bewirken waren sehr greifbar dargestellt. Sie hat sich zu einer starken Persönlichkeit entwickelt, die bedacht und ehrlich ihren Weg geht und auch unter seelischen Schmerzen dennoch ihren Stolz bewahrt. Eine gelungene Entwicklung, die für den Leser jederzeit nachvollziehbar ist.


„Verschwende deine Zeit nicht mit Erklärungen. Die Menschen hören nur, was sie hören wollen“ (Paolo Coelho)


Dagegen scheitert und verzweifelt Remo, der im ersten Band noch so faszinierend, schlagfertig und gefährlich wirkte immer mehr in seiner neuen Rolle, in die er gezwungen wird. Aus dem selbstsicheren Mann, wird auf einmal jemand, der an seinen Fähigkeiten zweifelt, der nicht mehr weiß, ob er das Gute, nach dem er strebt damit auch bewirken kann. Der mit der Verantwortung, die auf ihm lastet nicht zurecht kommt und der vor allem glaubt, dass gerade das, was er sich von Herzen wünscht, ein Scheitern der „Guten“ bewirkt. Somit wird für ihn seine Liebe und seine wahren Gefühle zu einer Bedrohung, denn sie werden benutzt in einem grausamen Spiel. Können gerade diese Gefühle die Seelenpartner und Rotraken zu Fall zu bringen und die Frau, die er liebt in Gefahr? Wie Remo mit dieser Situation, seinen Ängsten und Zweifeln umgegangen ist, hat mich manchmal an den Rand der Weißglut gebracht. Ich habe ihn verflucht und zur Hölle gewünscht für sein wankelmütiges Verhalten. Sicher war es begründet und glaubwürdig, aber ich habe es teilweise gehasst, beim Lesen so leiden zu müssen, wenn auch nicht mit ihm. Was ist aus meinem Lieblingscharakter geworden? Eigentlich will ein Leser doch mit seinen Lieblingen leiden und nicht wegen ihnen. Hier stellt sich die Frage, kann das Schicksal aus einem so starken Protagonisten einen so schwachen Menschen machen, der mit seinen Fehlentscheidungen so viele Schmerzen auslösen kann? Ich habe es lange sacken lassen müssen und viel gegrübelt. Aber ja, es ist durchaus realistisch, dass sich Menschen so entwickeln.

Allerdings bin ich mit dieser Entwicklung an den Punkt gekommen, an dem ich mir manchmal keinen guten Ausgang der Liebesgeschichte mehr erhofft habe.


„Warten ist schmerzhaft. Vergessen ist schmerzhaft. Aber nicht zu wissen, was davon man tun soll, ist das Schlimmste.“ (Paolo Coelho)


Begeistert war ich hingegen davon, wie undurchsichtig die anderen Charaktere für den Leser blieben, obwohl man in ihren Dialogen und Handlungen immer wieder glaubte ein Bild von ihnen zu haben. Habe ich zwischendurch geglaubt, der eigentlich „Böse“ in der Geschichte hätte doch ein Herz, so musste ich dies Seiten später wieder verwerfen, um es dann doch wieder neu in Frage zu stellen. Ähnlich geht es dem Leser mit fast allen Charakteren. Sie gewähren Einblicke, verleiten den Leser zu Spekulationen, um ihn dann doch immer wieder neu zu überraschen und zu verunsichern.

Die einzige Konstante scheint Gray zu bleiben, der durchweg sympathisch, liebenswürdig, gerecht und durchdacht wirkt.

Dies unterstreicht Evelyn Uebach wunderbar durch ihren Schreibstil. Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht Cels in der ersten Person und Remos Sicht in der dritten Person erzählt. Somit erhalten beide Figuren eine unglaubliche Transparenz und Gefühlstiefe. Der Leser kann gar nicht anders, als subjektiv mitzufühlen. Gleichzeitig erfahren wir aber auch nie mehr über alle anderen handelnden Figuren, als die beiden wissen. Somit treffen uns die Überraschungsmomente jedes Mal schonungslos.


Die Handlung setzt ein halbes Jahr nach dem Ende des ersten Bandes ein, somit haben die Charaktere bereits eine Entwicklung zur jetzigen Situation durchlaufen und die Autorin kann ohne lange ausschweifen zu müssen, sofort in die Aktionen aus der neuen Rollenverteilung einsteigen. Dadurch kommt unmittelbar zu Beginn schon Spannung auf. Was mir allerdings sehr gut gefallen hat ist, dass Evelyn Uebach in diesem Teil die Geschichte nicht so rasant und actionreich verlaufen lässt wie in Arbitrium, sondern ihren Fokus auf die Gefühlswelt ihrer Charaktere legt und eine andere Art der Spannung erzeugt. Der Leser wird immer wieder gezwungen sich zu fragen, wie die Charaktere zueinander stehen und für welche Seite und Handlungen sie sich entscheiden. Die Handlung spielt also auf grandiose Weise mit der Thematik des „freien“ Willens und erzeugt dabei eine Sogwirkung beim Lesen. Nie kann man sich sicher sein und manche Wendung, die ich nie vorhersehen konnte, ließ mich geschockt zurück. Was mich fasziniert hat, ist wie die Autorin es schafft, trotz aller Verwirrungen, unverhofften Wendungen und immer neuer aufkommender Fragen, die einzelnen Fäden am Ende logisch zusammenzuführen und im spannenden Finale glaubwürdig und stimmig aufzulösen. Die immer wiederkehrende Prophezeiung, die den Leser durch die Geschichte begleitet hat, findet hierbei ihre Gültigkeit, für die Lösung des Konflikts. Ich bin wirklich begeistert, wie Evelyn Uebach in dieser komplexen Geschichte den Überblick behalten hat und sich nie in unwichtigen Dingen verloren hat. Alles ergibt im Nachhinein einen Sinn. Hut ab, genial durchdacht.

Gerade mit dem Ende, bei dem ich vorher meine Zweifel hatte, ob es mir gefallen würde, bin ich mehr als zufrieden. Nichts anderes hätte zu der Geschichte gepasst. So konnte ich dieses Buch mit einem sehr guten Gefühl beenden.

Sehr stimmungsvoll fand ich die Zitate, die jedes Kapitel eingeleitet haben und so den Leser gefühlsmäßig auf die Handlung vorbereitet haben. Auch der Sprachstil der Autorin gefällt mir außerordentlich gut. Der Roman ist flüssig zu lesen und die Emotionen werden immer sehr greifbar dargestellt.


Fazit:


Die Handlung und Idee, die Incendium zugrunde liegen sind derart genial und durchdacht, dass ich dem Roman ohne mit der Wimper zu zucken 5 Sterne zugestehen möchte. Das habe ich bereits versucht zum Ausdruck zu bringen. Das Spiel der Autorin mit den Gefühlen und Zweifeln der Protagonisten ist ebenfalls mehr als großartig und zu jeder Zeit nachzuvollziehen. Ich habe ganz oft die Emotionen der Figuren zu meinen eigenen gemacht und die Geschichte emotional regelrecht gelebt. Dieser Roman zwingt einfach den Leser, sich mit der Thematik und seinen eigenen Gefühlen zu beschäftigen und kann sehr leicht auch auf unsere Realität übertragen werden. Das macht ihn so großartig. Oberflächlichkeit sucht man vergeblich. Warum ich dennoch einen kleinen Abzug vornehmen muss, ist die Entwicklung der Liebesgeschichte, die in der Summe der Verletzungen und Leiden für meinen Geschmack ein wenig über das Ziel hinausgeschossen ist. Das mögen manche Leser nicht so sehen, aber wenn man so ein emotionaler Mensch ist wie ich, möchte man manchmal in der Welt, in die man sich beim Lesen begibt weniger leiden müssen. Das ist aber auch der einzige Grund für mich an dem Buch zu meckern.


„Wer an die Freiheit des menschlichen Willens glaubt, der hat nie geliebt und nie gehasst.“ (Marie von Ebner-Eschenbach)

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