Félix Francisco Casanova

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Cover des Buches Heute ist mein letzter Tag lebendig (hoffentlich) (ISBN: 9783902844378)
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Rezension zu "Heute ist mein letzter Tag lebendig (hoffentlich)" von Félix Francisco Casanova

"Mein Verstand ist die ersoffene Kakerlake im Schleim meines Wahns."
letusreadsomebooksvor 4 Jahren

Bernardo ist erst fünfundzwanzig und doch schon des Lebens überdrüssig. Mehrmals versuchte er bisher, sich umzubringen, doch jeder Versuch scheiterte. Er kann einfach nicht sterben. So kämpft er sich weiter durch die Tage, erträgt eine nervtötende Verlobte und beginnt, das Lebenswerk des schwerkranken Literaten David niederzuschreiben. Doch immer mehr verliert Bernardo den Bezug zur Realität und den Verstand – die Todessehnsucht wird so groß, dass er zu ungeahnten Mitteln greift.

"Es geht mir wirklich besser. Am Fenster verwischen Kommazeichen aus Wasser die Landschaft. Vielleicht sind es auch meine Augen, die diesen Regenvorhang um mich ziehen. Ich glaube, ich lächle, wie glücklich Sterbende es tun. Aber auch dieses Mal bringe ich meinen Tod nicht zu Ende. Ich erreiche den Gipfel des Grotesken."

Félix Francisco Casanova schrieb neben Gedichten diesen einen Roman im Alter von neunzehn Jahren – weniger als ein Jahr später, 1976, starb er unter ungeklärten Umständen, vermutet wurde ein Gasaustritt. Dass ein so junger Autor nur kurz vor seinem Tod über einen Unsterblichen schreibt, der sich nichts sehnlicher wünscht als den Tod, scheint wie eine Laune des Schicksals. In nur 44 Tagen verfasste er dieses Buch, und das merkt man auch. Es ist hitzig, es ist fiebrig und seine wunderschöne Prosa wirkt geradezu hypnotisch.

Casanovas Roman beginnt zunächst verwirrend. Der Leser wird im Dunkeln gelassen, was Bernardos Ausbildung, Arbeit, Familie und Freunde angeht. Die einzigen Informationen, die er erhält, sind diejenigen, die für den erzählten Moment von Bedeutung sind. So stehen vor allem Bernardos Selbstmordversuche sowie die Dreiecksbeziehung zwischen ihm, Marta und dem Schriftsteller David im Vordergrund. Begleitet wird Bernardos Alltag von wirren Träumen, Halluzinationen oder Gedanken, so ganz klar wird anfänglich nicht, wo die Realität beginnt und aufhört. Einige Passagen klingen unheimlich schön, sind allerdings schwer zu entziffern – auf mich haben sie eine große Faszination ausgeübt, ohne dass ich behaupten könnte, sie wirklich verstanden zu haben.

"Die Stille, ein Gemisch aus Angst und Einsamkeit, ist am schwierigsten zu vergessen, trotzdem habe ich keinen Respekt vor ihr und ich schreie verzweifelt, Gewinsel eines scheußlichen Untiers, ein gezähmter Drache, der vor seinem eigenen Atem davonläuft."

Je weiter der nur 150 Seiten kurze Roman voranschreitet, desto mehr schleicht sich der Verdacht ein, dass das Unverständnis gar nicht mein Fehler, sondern vom Autor so beabsichtigt ist. Viele Beschreibungen und Geschehnisse wirken rauschhaft, (alp)traumhaft. Das Groteske, das Bernardo schon im allerersten Absatz des Buchs nennt, zieht sich durch die gesamte Geschichte: es gibt Tiermasken und ein großes Feuer, Engel und der Teufel höchstpersönlich tauchen auf, Morde werden einfach so nebenbei begangen.

Haben wir es hier mit magischem Realismus zu tun? Ist Bernardo wirklich unsterblich? Oder ist er einfach ein extrem unzuverlässiger Erzähler, der immer weiter in den Wahnsinn abdriftet? Diese Interpretation bleibt wohl jedem Leser selbst überlassen. Fakt ist allerdings, dass das Buch zum Ende hin deutlich temporeicher wird und mit immer mehr Wendungen auftrumpft. Nach dem allerletzten Satz bin ich immer noch verwirrt, aber auf eine positive Weise: das war ein wilder Ritt. Verrückt, düster aber auch stellenweise humorvoll offenbart Casanova die menschlichen Abgründe.

Félix Francisco Casanova hätte einer der ganz großen spanischsprachigen Literaten werden können. Dass sein Erstling Heute ist mein letzter Tag lebendig (hoffentlich) auch sein einziger Roman bleibt, ist schade – denn die opulente Sprache, die rasanten Wendungen, die düsteren Bilder und diese Fiebrigkeit und Dringlichkeit, mit der der Roman verfasst wurde, offenbaren ein großartiges, junges Talent.

Cover des Buches Heute ist mein letzter Tag lebendig (hoffentlich) (ISBN: 9783902844378)
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Rezension zu "Heute ist mein letzter Tag lebendig (hoffentlich)" von Félix Francisco Casanova

Heute ist mein letzter Tag lebendig (hoffentlich)
Sarlaschtvor 10 Jahren

Inhalt:
Voller Sehnsucht wartet Bernardo auf den Tod, sein Leben erscheint ihn kläglich. In seiner Schläfe hat er ein Loch, notdürftig mit einem Pflaster überklebt, es zeigt, dass es ihm einfach nicht gelingen mag, seiner Existenz ein Ende zu setzen. Allerdings ist es nicht so, dass seine Versuche so ungeschickt sind, nein, mehr hat er eine Gabe, die zu seinem Fluch wird: Bernardo kann nicht sterben. Was er auch versucht, wie brutal die Methode auch sein mag, jedes Mal erwacht er aufs Neue. Marta pflegt ihn nach jedem Versuch hingebungsvoll, die junge Frau ist Freundin und Liebhaberin zugleich, kehrt jedoch immer wieder zu David zurück, einen alternden Dichter, den Bernardo beneidet, nicht wegen Marta, sondern deswegen, weil dessen Tod nur noch eine Frage der Zeit ist. In diesen Irrungen und Wirrungen, entsteht eine Geschichte üben den Tod, aber vor allem über das Leben.

Meine Meinung:
Kennt ihr diese Bücher, welche man gelesen hat und letztlich mit der großen Frage zurückbleibt: Menschenkind, was war dass jetzt gerade? So geht es mir mit „Heute ist mein letzter Tag lebendig (hoffentlich)“. Bernardo sehnt sich den Tod, schon in den ersten Zeilen ist es deutlich spürbar, springt sofort auf den Leser über, wie ein Parasit, der sich in die Haut krallt. Man schüttelt und schüttelt, doch los wird man ihn nicht, die ungestillte Sehnsucht, sie begleitet einen die ganze Geschichte über, hält einen gefangen und lässt den Atem stocken. Wer jetzt allerdings glaubt, hier wäre alles zutiefst melancholisch, der liegt richtig. Die bleierne Schwere überspannt die ganzen Seite, wenn sie auch manchmal von Gedankengängen unterbrochen wird, die man erst einmal verarbeiten muss, um sie zu fühlen.

Bernardo hat seltsame Träume und wenn ich seltsam meine, dann meine ich es genau so. Träume sind Interpretationssache und hier muss man richtig viel ackern, nichts wird einem auf dem Silbertablett gereicht, es scheint fast so, als möchte der Autor, dass man sich komplett in seinem Werk verliert und verdammt nochmal auch selbst Zusammenhänge sucht, findet und dann wieder als Unsinnigkeit verwirft. Hier liegt die Kraft des Buches, man ist direkt einbezogen, kann nicht einfach mal so drüberlesen, sondern muss sich den Worten widmen und ihnen alle Aufmerksamkeit schenken, die man nur finden kann.

Mein Verstand ist die ersoffene Kakerlake im Schleim meines Wahns. (Seite 73)

Die Dreiecksbeziehung von Bernardo, Marta und David ist verworren, aber was ist in diesem Buch nicht so? Trotzdem fällt es mir hier wohl am Schwersten, eine klare Sicht zu erlangen. Marta ist eine Gespielin, so zumindest scheint mir. Sie pendelt zwischen den Männern hin und her, um von jedem das Beste abzuholen, letztlich bleiben mir aber ein paar zu viele Fragen. Wie kam es zu der Beziehung? Wieso hat David so einen großen Stellenwert?

Gegen Ende hin, da dachte ich mir, nun gut, welchen Schluss wird die Geschichte schon nehmen? Bernardo findet sich mit seiner Unsterblichkeit ab, erkennt den Wert des Lebens und springt beschwingt über Weizenfelder. Gesagt sei, der Leser hat ja so was von keine Ahnung, wie man nur ein Nichtwissender sein kann. Das Ende, ich verspreche euch, hat alles was ein Herzschlagfinale braucht. Bernardos Plan ist so voller Kalkül, dass es einem einen eisigen Schauer über den Rücken jagt und die Umsetzung erst. Diese Wendung, diese Idee der er verfällt, sie war nicht zu erwarten, aber ist deswegen umso gelungener.

Jetzt könnte man meinen, der Autor wäre ein Großmeister im Literaturbetrieb gewesen, Tatsache ist aber: geschrieben wurde das Buch von dem damals 17-jährigen Félix Francisco Casanova in nur 44 Tagen. Eines steht fest, dieser Junge war ein Genie, leider ist er allerdings im Alter von 19 Jahren unter nie ganz geklärten Umständen gestorben. Dieser Aspekt gibt den Buch zusätzlich eine besondere Note, dass ich letztlich nur sagen kann: Hut ab.

Fazit:
Definitiv kein Buch für Zwischendurch, hier ist der Leser gefordert, seine eigenen Überlegungen anzustellen, Verwirrungen zu entwirren und manchmal auch Gedanken zu lesen. Die Lektüre mag manchmal nicht die leichteste sein, jedoch eine absolut lohnenswerte.

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