Cover des Buches Diesseits vom Paradies (ISBN: 9783257065176)
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Rezension zu Diesseits vom Paradies von F. Scott Fitzgerald

Gefeierter Erstling eines Weltklassikers

von Lostinwords vor 6 Jahren

Rezension

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Lostinwordsvor 6 Jahren

Heute ist dieses Buch leichte Sommerlektüre. In den 1920ern galt es jedoch als revolutionär, avantgardistisch und formal gewagt.

Mit seinem ersten Roman "Diesseits vom Paradies" wurde der 23-jährige Francis Scott Fitzgerald im März 1920 über Nacht berühmt. Das Neue an der Sprache des jungen amerikanischen Autors war seine Natürlichkeit und der unbedingte Drang nach emotionaler Authentizität. Zu diesem Zweck baute der gescheiterte Princeton-Student Primärmaterial wie Briefe unverändert in sein Manuskript ein. Zusätzlich übernahm er relativ frei sämtliche Texte und Textsorten aus seiner Schublade von bisher Geschriebenem wie Gedichte, Skizzen und Kurzgeschichten. Sowohl Freunde als auch verschiedene Kritiker bezeichneten sein Debüt deshalb spöttelnd als "Fitzgeralds Gesammelte Werke". Doch diese Kritik tat seinem einsetzenden Erfolg keinen Abbruch. Ein neuer Buchtypus war geboren, die Generation im Aufbruch hat ihre Identifikation gefunden, Francis Scott die Roaring Twenties charakterisiert. Zumindest zu seinen Lebzeiten (1896-1940) war "Diesseits vom Paradies" Fitzgeralds populärstes Buch.

Im Klappentext des neu übersetzten und 2007 frisch aufgelegten Romans aus dem Diogenes Verlag heißt es: "Hier war eine neue Generation, die aufgewachsen war, um herauszufinden, dass alle Götter tot waren, alle Kriege ausgefochten, alle Überzeugungen erschüttert."

In dem weitestgehend autobiografischen und genialischen Bildungsroman – typisch für einen Erstling – folgt der Leser der sensiblen Figur Amory Blaine, die sich zu Höherem berufen fühlt, von der Schulzeit in die Studienjahre bis zum ersten Schritt ins wirkliche Leben. Die Themen sind Sehnsüchte, erste Liebe, jugendliche Ideale und deren Scheitern, Enttäuschung, Grenzerfahrungen, Erkenntnis, dass das Leben in seiner Lächerlichkeit doch lebenswert ist. Nämlich diesseits vom Paradies, jetzt und hier. Diese Geschichte ist eingebettet in seine spezielle Zeit zwischen Erster Weltkrieg, Prohibition, ausgelassenes Jazzzeitalter.

Das Buch mit dem Arbeitstitel "Der romantische Egoist" handelt insbesondere von dem Wunsch Amorys und seiner Studienfreunde, einflussreiche Schriftsteller zu werden. Auf 429 Seiten kann der Leser 64 Buchtitel und 98 Schriftsteller entdecken. Fitzgeralds Figuren sind wild nach Literatur und suchen Identifikationsmuster, gehen jedoch hart mit der bis dato erschienenen amerikanischen Literatur ins Gericht. In einem aufreibenden Gespräch zwischen der Hauptfigur und seinem engsten Freund Tom ist sogar von der "Abschlachtung" dieser die Rede. "Fünfzigtausend Dollar im Jahr", schrie er. "Mein Gott! Schau sie dir an, schau sie dir doch an ... keiner von ihnen hat auch nur eine Erzählung oder einen Roman zustande gebracht, die die nächsten zehn Jahre überdauern werden ... Jeder Autor sollte jedes Buch so schreiben, als würde er geköpft, sobald er damit fertig wäre ... halt mich nicht auf!"

Der junge F. Scott Fitzgerald hatte es sich in den Kopf gesetzt, bei Charles Scribner' Sons, dem Verlag, der seine Vorbilder veröffentlicht hatte, zu publizieren. Und nur in diesem Verlag. Nach zwei Absagen begann er mit einer radikalen Überarbeitung des Stoffs, verzichtete auf die ursprüngliche Perspektive des Ich-Erzählers und schrieb teilweise komplett neue Passagen.

Die erste Auflage wimmelte nur so von Rechtschreibfehlern, da auch sein Lektor Maxwell nicht hochgradig bewandert war auf diesem Feld. Einige Kritiker machten sich in ihrer Besprechung sogar einen Spaß daraus, Fehlerlisten aufzustellen. Weder war das Buch stilistisch oder im Ton konstant noch folgte der Text durchgängig einer Logik. Trotzdem wurde "Diesseits vom Paradies" laufend nachgedruckt. Es machte F. Scott zwar nicht reich, aber berühmt und verschaffte ihm neue lukrative Aufträge. Außerdem konnte er den misstrauischen Eltern seiner Verlobten Zelda Sayre bescheinigen, dass er arbeits- und leistungsfähig ist. Er durfte die Heldin seines ersten Buches endlich zur Frau nehmen.

In einem Interview nach seinem Erstlingserfolg sagte der "romantische Egoist" Fitzgerald, dass sein "größter Ehrgeiz darin bestehe, den besten Roman aller Zeiten zu schreiben und seiner Frau für immer in Liebe verbunden zu sein."

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