Rezension zu "Das Gesicht der Anderen" von Fabian Eder
Die Idee hinter der Geschichte, die fand ich interessant. Ein Schuss entstellt das Gesicht eines jungen Mädchens und es muss damit leben. Dann sagt der Klappentext, dass sie diesen Makel zu ihrem großen Vorteil nutzen wird, in der auch die Grenzen zwischen Moral, Hingabe, Perversion, Hass und Wahnsinn verrinnen und das baut eine gewisse Erwartungshaltung auf und ich wollte unbedingt wissen, wie die Grenzen verschwimmen, wie sie Macht erlangt und was sie damit macht.
Der Klappentext lügt. Nichts davon passiert. Es steht da zwar da, aber es passiert nicht. Sie gewinnt Macht, das stimmt schon, aber nicht, weil sie entsetzlich entstellt ist, sondern weil sie steinreich ist. Wäre sie nämlich bitter arm, wäre ihr nichts davon gelungen. Aber von Moral, Hingabe, Perversion und Wahnsinn ist nichts da. Das bleibt eine billige Lüge.
Der Anfang ist schrecklich lieblos und darauf beschränkt, ganze Monate in wenigen Seiten zu pressen, die in Protokollform den Unfall und die Folgen danach berichten. Es ist kalt, unschön geschrieben, voller Wortwiederholungen und beschränkt auf die Details. Ein Zeitungsartikel zeigt mehr Gefühle als der Autor in den ersten 50 Seiten.
Und natürlich müssen sich die Eltern umbringen, weil der Vater schuld daran ist und die Tochter nun so hässlich ist, dass sie sich lieber umbringen, als weiterhin für sie da zu sein. Wer will schon ein hässliches Entlein daheim? Außerdem wird der Autor so die lästigen Figuren los, die für mehr Dynamik in der Geschichte gesorgt hätten.
Er beschreibt in etlichen Details den Unfall, den Tathergang, die Party, die Gäste, den Anblick, aber wie sie entstellt ist, das beschreibt er kein einziges Mal. Hier und da kommen die Worte hässlich, vernarbte Lippen, schiefe Augen, aber mit all dem habe ich kein Gesamtbild erstellen können. Das war nicht schlimm, aber ich hätte mir wirklich mehr Infos gewünscht, damit ich ein gewisses Bild von ihr habe.
Und dann verwendet er in einem Satz "unsagbare Trauer" und versucht damit, eine ganze Palette an Gefühle in einen winzigen Satz zu pressen. Wenn man nicht in der Lage ist, diese Trauer zu zeigen, zu beschreiben, mitfühlen zu lassen, dann macht man als Autor etwas falsch.
Die Protagonistin schämt sich von Anfang an für ihr Aussehen, versteckt sich in ihrem Palast (ja, sie hat ein Palast), meidet Menschen und dementsprechend ist sie eine verängstigte Figur. Doch sie wird plötzlich zu einer starken Persönlichkeit, die sich über die anderen stellt und die die Firma ihres Vaters an sich reißen möchte und auch hier fehlt die Entwicklung zu dieser Figur. Hinzu kommt, dass sie vergewaltigt wird und das sorgt nicht gerade dafür, dass man daraus sich stärker fühlt.
Ein Chat soll die entscheidende Wendung im Verlauf bringen, doch obwohl er so wichtig ist, fehlt hier die Entwicklung und das fühlt sich dann so an, als hätte man etwas überlesen. Außerdem würde ich gerne wissen, woher die Protagonistin den Mut findet, jemanden im Netz zu suchen, der mehr in ihr sieht, als nur ein entstelltes Gesicht?
Es tauchen Russen auf, die so wirken, als würden schlechtbezahlte Schauspieler lieblos versuchen, reiche arrogante Oligarchen zu imitieren.
Die Protagonistin verdeckt ihr Gesicht mit einer Maske, weil sie sich halt für ihr Aussehen schämt, doch als die Maske in der Öffentlichkeit fiel und Passanten ihr nacktes Gesicht sahen, nannten sie sie "widerlich", "abartig", "eine Laune der Natur"! Als wäre das ein Disney Märchen mit dummen Menschen.
Ein Mitarbeiter von ihr wird brutal ermordet, erhängt, zur Schau gestellt als wäre es eine Kreuzigung. Der Typ wird an die Firmenwand genagelt, die Arme ausgebreitet, die Innereien herum verteilt und obwohl das eindeutig ein Mord ist, wird in der Pressemitteilung der Polizei von Selbstmord gesprochen. Wieso macht die Polizei das?
Am Schluss tötet jeder jeden und ich halte ein Buch in der Hand und suche nach dem Perversen, nach dem Wahnsinn, nach irgendetwas. Es ist schlecht. Das Ende ist schlecht. Absolut alles ist eine riesige Enttäuschung, der ich gerne Minussterne geben würde und die mich mit seinem Klappentext anlügt.
Es wäre deutlich interessanter und spannender gewesen, wenn sie nicht reich gewesen wäre, wenn sie das absolute Gegenteil wäre und in der Armut die Perversion und den Wahnsinn entdecken würde, aber andererseits ist es eben leichter für einen Autoren, die Figur reich zu machen, weil es dadurch mehr Freiheiten hat.
Was mich aber am meisten wundert, ist, dass ein Verlag diesen Autor aufgenommen hat, obwohl der Typ eindeutig nicht schreiben kann.