Rezension zu "Vom Mut, das Glück zu suchen" von Fabio Genovesi
Es geht um Fabio, 24 Jahre alt und von den Eltern dazu bestimmt, Anwalt zu werden. Jetzt, während der Semesterferien möchte er mit seinen Freunden nach Sevilla und dort Party machen, selbst die Kondome sind schon besorgt. Doch er bekommt Post: weil er Kriegsdienstverweigerer ist, soll er in einer Klosterschule als Erzieher tätig werden, sofort. Dort aber angekommen muss er feststellen, dass es gar keine Kinder gibt, um die er sich kümmern könnte, nur zwei alte Priester und eine Haushälterin mit ihrer Tochter, die sich für ein Huhn hält.
Es geht um Don Basagni, den Leiter der Klosterschule, der sich als alter, verbitterter Greis gibt, der das Bett nicht verlässt und niemandem Zutritt zu seinem Zimmer gewährt bis auf Fabio und auch nur für die Körperwäsche. Die ganze Zeit wirft er Erdnüsse in sich ein und scheint von gar nichts anderem zu leben, gibt Fabio dabei seine ziemlich negative Weltsicht zum Besten und reagiert immer wieder äußerst mürrisch, wenn der junge Student persönlich wird und sich um ein bißchen Nähe bemüht.
Es geht um Marco Pantani, den berühmten Radrennsportler, den der Student und der Priester bewundern, der genau in dieser Zeit den Giro d'Italia und die Tour de France gewinnt und der mit seiner Leidenschaft, mit seinem Kampfeswillen für Fabio und Don Basagni zum Vorbild wird.
Es geht um das Leben und die Frage, was ist das überhaupt und vor allem: was ist ein gutes?
"Um auszureißen, um alles hinzuschmeißen und so schnell wegzulaufen, wie du nur kannst, ohne zu wissen, wie lange du durchhältst und wo du landen wirst, braucht es verdammt viel Mut." (S. 73)
"Denn die wirklich wichtigen Dinge im Leben, die, die alles verändern, machen nicht vorher einen Termin aus und studieren die Landkarte, sie wachen eines Tages auf und beschließen, dass es an der Zeit ist, sie suchen sich den unwegsamsten und umständlichsten Weg aus, den es gibt, und platschen dann als Arschbombe auf dich drauf." (S. 87)
"Jeden Abend gehst du ins Bett und beschließt, dass du am nächsten Tag etwas tun wirst, um die Lage zu ändern. Und du glaubst wirklich daran. Doch dann wachst du auf, und es ist nicht morgen, es ist heute. Morgen liegt noch weiter, einen Schritt weiter. Also wartest du noch einen Tag darauf. Und nach vielen Tagen wirst du vom Kind zum Alten, ..." (S. 174)
"Das ist die Zeit der Uhr, die höchstens unseren Körper misst, der sich verändert, der sich beugt, der dahinwelkt und am Ende stirbt. Aber im tiefsten Inneren sind wir immer noch und für immer jenes Kind, dem es in den Beinen kribbelte und das vor Vorfreude, zwanzig zu werden, in die Luft sprang. Doch die Uhr sagt uns, dass die Jahre vergehen, dass wir so alt sind, wie wir sind, und vielen Menschen gelingt es, so zu tun, als wäre dem so. Aber in Wahrheit sind und bleiben wir in uns drin für immer jenes Kind." (S. 277)
"Zwiscehn dem Möglichen und dem Unmöglichen gibt es eine Grenze, die uns Angst macht, aber um sie zu überwinden, muss nur jemand einen Schritt tun, nur einen einzigen, und schon verschiebt sich diese Grenze, für ihn und alle anderen." (S. 337)
Ja, vielleicht erzählt dieses Buch zuviel Radsport und macht einen, wie wir heute wissen, Dopingsünder zum stilisierten Helden. Doch es ist eine für mich äußerst schlüssige Metapher für Fragen die sich mit und an das Leben stellen, eine Klammer, die Lebensgeschichten und Menschen verbindet. Mir haben das Buch, sein Erzählstil, sein Personal, die Atmosphäre, der Fortgang und sein Ausgang außerordentlich gefallen und mich auch getroffen und bewegt und das ist dann doch wirklich allerbeste Literatur!