Rezension zu "Zeit der Geister" von Fatin Abbas
Es ist eine schwierige Liebe, die Fatin Abbas in ihrem Debürtoman "Zeit der Geister" in der fiktiven sudanesischen Stadt Saaraya beschreibt: Es herrscht Bürgerkrieg zwischen Nord und Süd, und in dem ethnisch segregierten Land ist eine Verbindung zwischen einem Schwarzen und einer arabischstämmigen Sudanesin, zwischen William und Layla nicht vorgesehen, ja nicht einmal eine Begegnung. Doch im Büro einer amerikanischen NGO, in der William als Dolmetscher und Layla als Köchin arbeitet, kommen sie sich langsam näher. Die übrigen Bewohner des Compounds - der amerikanische Kartograph Alex, der der einzige Weiße weit und breit ist, die Filmemacherin Dena, deren Familien ursprünglich aus dem Sudan stammt und jetzt in den USA lebt, und der zwölfjährige Botenjunge Mustafa beobachten die aufblühende, eher keusche Romanze mit freundlichem Interesse, aber außerhalb des NGO-Geländes müssen die beiden stets die Regeln und Realitäten der Gesellschaft im Blick behalten.
Die Handlung spielt vor der Unabhängigkeit des Südsudans, in der ethnisch gemischten Gegend, in der die überwiegend schwarzen Bauern und die arabischen Nomaden und Viehzüchter seit vielen Jahren mal friedlich, mal voller Konflikte zusammenleben. Die genaue Zeit bleibt ebenso wie die Region eher vage, selbst die ethnischen Zugehörigkeiten hält die Autorin verschwommen - William wird als "Nilot" beschrieben, Layla als "Nomadin", auch wenn Williams Nachname und seine Beschreibung nahelegen, dass er zum Volk der Dinka gehört, der größten Volksgruppe des heutigen Südsudan. Vielleicht ist diese Ungenauigkeit auch der Tatsache geschuldet, dass Abbas - ähnlich wie ihre Figur Dena - zwar in Khartum geboren wurde, aber ihre Familie ins Exil ging, als sie acht Jahre alt war. Die komplexe ethnische Bevölkerungslage in ihrer ursprünglichen Heimat dürfte sie also nicht bewusst selbst erlebt haben.
Dennoch beschreibt das Buch eindringlich, wie der Konflikt die Gesellschaft prägt und die Situation eskaliert, als der Bürgerkrieg auch Saaraya erreicht und der NGO Compound plötzlich Zufluchtsort für Dutzende Vertriebene wird. Doch es ist ein schrecklicher Fehler Mustafas, der mit einem Waffenschmuggel Geld für seine verwitwete Mutter verdienen will, der zu einer dramatischen Eskalation führt. Vorübergehend scheint es, als könne wahre Liebe ethnische und religiöse Grenzen überwinden. Doch es soll anders kommen.
"Zeit der Geister" hat ein paar vereinfachende, gar kitschige Szenen, zeigt aber auch Alltagsszenen und -probleme in einem Land und einem isolierten Städtchen, in dem die meisten Menschen einfach nur irgendwie überleben wollen. Die Herausforderungen, mit denen auch die Compound-Bewohner umgehen müssen, werden naive Weltsichten und scheinbar sichere Gewissheiten zerstören. Insgesamt ein spannender und lesenswerter Roman in einer Zeit, in der der Sudan erneut von Gewalt erschüttert wird und mittlerweile Schauplatz der weltweit größten Flüchtlingskrise ist.