Ferdinand Bordewijk

 4,3 Sterne bei 12 Bewertungen
Autor*in von Charakter, Bint und weiteren Büchern.

Lebenslauf

Ferdinand Bordewijk (1884 – 1965) gilt als der erste und wichtigste Autor der niederländischen Moderne. Neben seiner Tätigkeit als Anwalt in Rotterdam schrieb er zahlreiche Romane, in denen er so unterschiedliche literarische Strömungen wie die der Fantastik, der Neuen Sachlichkeit und des Magischen Realismus zu einer höchst originellen Mischung verbindet.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Ferdinand Bordewijk

Cover des Buches Charakter (ISBN: 9783406786150)

Charakter

 (9)
Erschienen am 15.04.2022
Cover des Buches Bint (ISBN: 9783406639579)

Bint

 (1)
Erschienen am 17.09.2012
Cover des Buches Blokken (ISBN: 9789023667162)

Blokken

 (1)
Erschienen am 01.01.1986

Neue Rezensionen zu Ferdinand Bordewijk

Cover des Buches Charakter (ISBN: 9783423139175)
Angelsammys avatar

Rezension zu "Charakter" von Ferdinand Bordewijk

Übel mitgespielt?!
Angelsammyvor 3 Jahren

Wie gut kennt ihr euch mit niederländischer Literatur aus? Wieviele unserer schreibenden Nachbarn habt ihr schon gelesen und wißt sie zu schätzen? 

Mulisch und Co. sowieso, aber auch solche wie Multatuli, Couperus und eben hier Bordewijk? Nee. Kennen viele nicht mehr oder gar nicht. Eine unterschätzte Perle der Literatur. Ein Klassiker, der wieder mehr gelesen werden sollte. 

Dreverhaven hatte sich einst an seiner Bediensteten Jacoba Katadreuffe vergriffen. Infolgedessen kam der illegitime Sohn Jacob zur Welt. 

Sie arbeitet nicht mehr für ihn und weigert sich beharrlich, seine monetäre Hilfe anzunehmen. 

Er läßt sie, gekränkt dadurch, einfach fallen. Mehr schlecht als recht versorgt Jacoba ihr Kind während der schwierigen Zeit des Ersten Weltkriegs. 

Die Mutter ist nicht gerade beredt, sehr knapp mit Worten also, was Jacob von ihr ( unbewußt? ) übernimmt. Er ist ebenso integer und stolz wie sie. 

Sie hindert ihn daran, Pläne zu verwirklichen.

Das ändert jedoch nichts daran, daß er ambitioniert dennoch ein großes Endziel verfolgt. Er möchte Jurist, genauer: Anwalt werden und ein wahres Unikat unter all den wandelnden Menschen dort draußen sein. 

Er wendet sehr viel Energie und Ehrgeiz wie Elan sowie Zeit für seinen Traum auf, muß Schulden machen, um sein Vorhaben zu finanzieren. 

Und da kommt sein biologischer Vater ins Spiel. Der ist nämlich Gerichtsvollzieher und macht ihm immerzu einen Strich durch die Rechnung, wenn er denkt, er habe endlich ein Plateau erreicht. 

Dreverhaven ist ein inhumaner Tyrann, dem es sadistische Freude bereitet, Menschen in schwierigen Lebensumständen noch mehr fertigzumachen. 

Jacob wird bald von dem immanenten Impuls angetrieben, es seinem Alten zu zeigen, nicht nur Rache zu nehmen für die Demütigungen, sondern weit weit mehr! 

Der Autor, der von 1884 bis 1965 gelebt hatte, versteht es hier, mit kühlem Blick und Wort gnadenlos seine Protagonisten wie Befindlichkeiten zu sezieren. 

Wie unter dem Elektronenmikroskop sehen wir ihrem desperaten Zappeln zu und erkennen durch mehrfaches Aufleuchten während der Lektüre, wie sehr diese ihre Eigenschaften nach außen hin zum Schutzpanzer geworden sind. 

Denn man kann des öfteren hinter ihre harten Fassaden blicken und sehen, daß die Umstände sie derart geformt haben und komplett andere Bedingungen sie so anders hätten machen können. 

Im Grunde genommen kann man mit allen dreien Mitleid sowie Mitgefühl haben, weil sie alle drei verpasste Gelegenheiten hinter sich haben und dazu noch ( unnötigerweise ) das Glück verfehlen. 

Alle drei sind tief unglücklich und trauern um ihr eigentlich "verlorenes" Leben, ohne sich dessen gewahr zu sein. 

Der Autor selbst war Rechtsanwalt und besaß einen sehr scharfen Blick für die Befindlichkeiten der Nächsten. Dieses Buch hier besitzt eine eigentümliche Abgründigkeit, die noch heute zu bannen versteht. 

1998 gewann die Verfilmung als bester ausländischer Film den Oscar. Unbedingt lesen! Vertraut mir! Ich weiß, was ich tue! Das Buch hier entdeckte ich durch Zufall, worüber ich froh bin! 

Cover des Buches Bint (ISBN: 9783406639579)
W

Rezension zu "Bint" von Ferdinand Bordewijk

Rezension zu "Bint" von Ferdinand Bordewijk
WinfriedStanzickvor 11 Jahren

Einen „Meister des Bizarren und Unausweichlichen“ hat der niederländische Schriftsteller Cees Nooteboom den 1965 verstorbenen Schriftsteller Ferdinand Bordewijk genannt, dessen Bücher in seinem Heimatland bis in diese Tage zum Teil schon in der 40. Auflage gedruckt werden und fest im Lehrplan der dortigen Schulen verankert sind. Der C.H. Beck Verlag hat vor einigen Jahren den in den Niederlanden berühmten Roman „Charakter“ veröffentlicht, der hierzulande aber leider kaum beachtet wurde.

Das Buch handelte nicht wesentlich von einem Charakter oder dem Unterschied von verschiedenen Charakteren, sondern es handelte von der Eigenschaft "Charakter" in seiner ursprünglichen griechischen Bedeutung, wo es so viel heißt wie schneiden, ausschneiden, gravieren.
"Charakter", schrieb Cees Nooteboom in seinem Nachwort, "in diesem Sinne ist das eigentliche Thema des Buches, zwingend und unausweichlich sind Vater, Mutter und Sohn in ihren Charakteren gefangen, unerreichbar füreinander mit Liebe und letzten Endes auch nicht mit Hass."

Bordewijk erzählt von Menschen mit einem solchen Charakter, Menschen, die anderen Menschen und Situationen ihren Stempel aufdrücken, ihr eingeschnittenes Zeichen - und doch zugleich armselige und bedauernswerte Gefangene sind ihrer Eigenart. Die Härte, mit der sie sich durchsetzen, beschädigt sie selbst oft am meisten.

Ein solcher Mensch wird auch beschrieben in seinem kleinen hier vorliegenden Roman „Bint“, der in Holland sein bekanntester ist und den er vier Jahr vor „Charakter“ 1934 schrieb. Er handelt von einem Schuldirektor, der seine Schule mit eiserner Hand regiert, bis schließlich der Selbstmord eines Schülers eine Art Aufstand auslöst.

Eine dichte Sprache und eine nicht weniger dichte Handlung machen, obwohl es heute an Schule Gott sei Dank anders zugeht, die Lektüre dennoch zu einer faszinierenden Lektion über Disziplin, Macht und Gehorsam und den Widerstand dagegen.

Cover des Buches Charakter (ISBN: 9783423139175)
W

Rezension zu "Charakter" von Ferdinand Bordewijk

Rezension zu "Charakter" von Ferdinand Bordewijk
WinfriedStanzickvor 11 Jahren

Dieser in Holland als Klassiker geschätzte, mittlerweile in der 40. (!) Auflage verkaufte Roman von Ferdinand Bordewijk ist von C.H. Beck zum ersten Mal einem deutschsprachigen Publikum präsentiert worden und liegt hier nun in einer Taschenbuchausgabe vor.

Der Roman spielt im Juristenmilieu der holländischen Hafenstadt Rotterdam, in dem sich der Autor, selbst im Hauptberuf Jurist, bestens auskannte. Es ist ein Rotterdam mit Ecken und Straßen und Plätzen, Kneipen und Theatern, das schon kurz nach dem ersten Erscheinen des Buches von den Bombern der deutschen Luftwaffe in Schutt und Asche gelegt wurde. Insofern ist die Lektüre des Buches für viele Generationen holländischer Leser auch eine Zeitreise zurück in die Vergangenheit einer unverwechselbaren Stadt gewesen.

Der Roman lebt von drei Hauptfiguren, dem Vater, der Mutter und dem Sohn. Alle anderen Personen, so liebevoll und detailliert sie auch geschildert sein mögen, dienen letztlich dazu, diese drei Charaktere in ihrer wie in Stein gehauenen Eindimensionalität zu betonen.
Alle drei Hauptpersonen sind in ihrem eigenen Wesen wie gefangen, sie kommunizieren nicht wirklich miteinander und können aus ihrer fast mythisch anmutenden Wesenheit nicht heraus. Die ganze, sich über einen Zeitraum von etwa sechs Jahren hinziehende Geschichte dieser drei Menschen ist auf eine ganz eigene Weise geschildert. Ein geradezu dramatisches Geschehen wird in einen trockenen Juristenprosa beschrieben, einem geradezu notariell zu nennenden Stil, den Cees Nooteboom in seinem lesenswerten Nachwort als "Kaltnadel" und "kaltes Feuer" bezeichnet.

Der Vater in diesem mythischen Dreieck des gegenseitigen Schweigens ist der hünenhafte Gerichtsvollzieher A.B. Dreverhaven, ein Mann von dämonischer Herzenskälte und Skrupellosigkeit, ebenso machtgierig und geizig und von Generationen von Rotterdamer Bürgern, besonders den Armen unter ihnen, für seine ganz eigene Form des Eintreibens von Außenständen und des Vertreibens von Schuldnern und Mietern berühmt, berüchtigt und gefürchtet.

Dieser Mann zeugt aus einer für ihn typischen Laune heraus mit seinem Dienstmädchen Jacoba Kattadreufe einen Sohn. Die unbeugsame Frau weist seinen Heiratsantrag zurück und nimmt all die Jahre keinen Pfennig von Dreverhaven an. Sie zieht ihren Sohn in großer Armut alleine auf, verdient sich das Nötigste mit sehr phantasievollen Handarbeiten, aus denen die Wiederverkäufer aber einen mehrfach größeren Gewinn herausschlagen. Nach einigen Jahren Grundschule muß sich der junge Jacob Kattadreufe in einer Zeit , in der sich die wirtschaftliche Lage auch in Holland zusehends verschlechtert, alleine durchschlagen. Er nimmt verschiedene Jobs an, und als er das Angebot zum Kauf und zur Übernahme eines Tabakladens bekommt, greift er zu. Das Geschäft wird zum Fiasko. Als er mit seiner Mutter über seinen Konkurs sprechen will, ist ihr einziger Kommentar: "Deine Sache".
Der Kreditgeber, später stellt sich heraus, daß es von Anfang an sein Vater Dreverhaven ist, verfolgt ihn mit eiserne Härte. Sein Sohn Jacob wehrt sich gegen das ihm drohende Schicksal mit einer Verbissenheit, die auch die beiden anderen Hauptpersonen des Romans, die Mutter und den Vater auf eine dem heutigen Leser schwerlich nachvollziehbare und gerade deshalb beeindruckende Weise auszeichnet.

Sein Konkursverwalter bei einer großen Rotterdamer Anwaltskanzlei verschafft ihm eine Stelle in der Kanzlei, nachdem Jacob, als er vor der Kanzlei stand, ein absolut sicheres Gefühl von genau diesem Vorgang hatte. Und mit dieser frappierenden Selbstsicherheit kämpft sich Jacob Kattadreufe hoch. Er übersteht zwei Versuche seines Vaters, ihn in den Konkurs zu zwingen, macht mit einer beispiellosen Willensanstrengung sein Abitur nach und legt mit Billigung der Leidener Professoren in Rekordzeit seine juristischen Examina ab und wird schlussendlich als Partner in die Anwaltskanzlei aufgenommen.

All die Jahre über hat Jacob einen Freund, Jan Maan, einen kommunistischen Arbeiter, der als Kostgänger über viele Jahre bei Jacobs Mutter wohnt und "Mutter" zu ihr sagt. Jacob zeigt sich von der kommunistischen Idee wenig begeistert, ihn interessiert allein sein Erfolg und Fortkommen. Diese innere Festlegung, quasi wie ein Stein in sein ansonsten tapferes Herz gepflanzt, hindert ihn auch, die einzig große Liebe seines Lebens wahrzunehmen. Lorna te George, eine für die Kanzlei fast unersetzliche Kraft, kündigt schließlich ihr Stellung, weil sie die kühle Nähe zu Jacob nicht mehr aushält. Als er ihr Jahre später am Meer mit ihrem mittlerweile geborenen Kind begegnet, kommt nicht einmal Bedauern in sein Herz. Er hatte sich von Anfang an für sich und seine Karriere entschieden.

Bordewijk erzählt seine Vater-Sohn-Geschichte nicht mit den Mitteln des psychologischen Realismus. Einfühlung ist kaum möglich. Die Figuren bleiben unergründlich, von mythischer Wucht. Das dämonische Scheusal von Vater, die wortlose, harte Liebe der Mutter, der in seinem Selbstbehauptungswillen ebenso harte Sohn - alles wird so nüchtern-knapp berichtet wie in den Chroniken des Alten Testaments. So rätselhaft die sadistischen Machenschaften des Vaters bleiben - das Versagen des Sohnes gegenüber der junge Lorna aus seiner Kanzlei ist ergreifend und beklemmend. Sie liebt ihn, er liebt sie, beide sind frei - aber er weist sie von sich. Die Mutter hat vollkommen recht, wenn sie trocken kommentiert: " So, dann warst du ein großer Esel, Jacob."

Das Buch handelt nicht wesentlich von einem Charakter oder dem Unterschied von verschiedenen Charakteren, sondern es handelt von der Eigenschaft "Charakter" in seiner ursprünglichen griechischen Bedeutung, wo es so viel heißt wie schneiden, ausschneiden, gravieren.
"Charakter", schreibt Cees Nooteboom in seinem Nachwort, "in diesem Sinne ist das eigentliche Thema des Buches, zwingend und unausweichlich sind Vater, Mutter und Sohn in ihren Charakteren gefangen, unerreichbar füreinander mit Liebe und letzten Endes auch nicht mit Hass."

Bordewijk erzählt von Menschen mit einem solchen Charakter, Menschen, die anderen Menschen und Situationen ihren Stempel aufdrücken, ihr eingeschnittenes Zeichen und doch zugleich armselige und bedauernswerte Gefangene sind ihrer Eigenart. Die Härte, mit der sie sich durchsetzen, beschädigt sie selbst oft am meisten. Ähnlich wie das beschriebene Rotterdam völlig verschwunden ist, scheinen auch Menschentypen wie die im Roman einem heute verschwundenen Menschenschlag anzugehören, mit einem Ethos im Guten wie im Bösen, den es nicht mehr geben kann. Dennoch sind Ansätze und Relikte solcher Eigenschaften, manchmal auch in stark veränderter, der jeweiligen gesellschaftlichen Situation angepasster Form, auch in der Gegenwart zwischen Menschen und ihren Beziehungen mächtig. Bordewijks beeindruckender Roman zwingt den Leser, sich mit dieser Einsicht auseinander zu setzen.

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