Rezension zu "Wir waren jung und unbekümmert" von Fignon Laurent
"Wir waren jung und unbekümmert", welch auf den ersten Blick seltsamer, hölzern wirkender Titel. Aber schon nach den ersten Kapiteln merkt man, dass nichts treffender sein könnte. Was Fignon hier in Kooperation mit Jean-Emmanuel Ducoin geschaffen hat, ist nichts weniger als ein grandioses Porträt des Radsportes in seiner letzten Phase der großen Champions, die Ende der 80er, zu Beginn der 90er so jäh endete.
Das Buch beginnt mit dem Kapitel von Fignons Geschichte, an das man sich heute am besten erinnert, aber auf das er selber am liebsten verzichtet hätte. Die berühmten acht Sekunden, um die er die Tour 1989 an Greg LeMond verloren hat. Man merkt, dass er dieses Thema am liebsten gleich vom Tisch haben möchte und dieser Bruch der ansonsten chronologischen Erzählung passt gut. Nicht nur hier, sondern auch in zahlreichen weiteren Szenen lässt Fignon den Leser nicht nur Teil haben an seinem Leben als Radsportler, er gibt einem das Gefühl, richtig dabei zu sein. Damals bei der Tour. Bei Mailand-San Remo. Beim Giro d'Italia. Die Art zu erzählen ist spannungsreich, mal melancholisch, aber noch viel häufiger energisch und stets auf den Punkt. An keiner Stelle wirkt die Wortwahl deplatziert, was dem Journalisten zu verdanken sein dürfte, das jedoch immer auch für Fignon nicht fremd klingt. Jedes Kapitel beginnt mit einer sehr schön und ziemlich weise formulierten Lehre, die ein Radsportler aus so vielen Jahren Karriere zieht und die nicht nur den Sport betreffen, sondern vor allem das Leben selber. Welch schöner aber tragischer Sport der Radsport ist, zeigt neben der Tour 1989 auch das Kapitel zu Fignons Karriereende, als die EPO-Seuche am Horizont aufzog, die Gewinner die Sieger ersetzten, wie er es wenn auch in einem anderen Zusammenhang nennt, als diejenigen gewannen, die sonst nicht hätten gewinnen können, was den Sport komplett veränderte.
Vor diesem Buch hatte ich nur schlechte Autobiografien gelesen, die versuchten, das Bild von sich selbst gerade zu rücken, zu erklären und zu mutmaßen. Diese hier aber zeigt auch die vielen Vorteile, die eine Autobiografie haben kann. Die ultimative Innenansicht, das Erzählen aus erster Hand, die Perspektive einer bedeutenden Persönlichkeit. Alles was Fignon erzählt ist schlüssig und authentisch, es scheint, als habe er sich selber gut getroffen, vor allem die Darstellung des jungen, unbekümmerten Sportlers beeindruckt. Die Leichtigkeit, die Gradlinigkeit und die Fähigkeit, Kompliziertes einfach zu machen. Es geht nicht darum, alle Geheimnisse aufzudecken oder mit jemandem abzurechnen, auch wenn natürlich auch solche Passagen nicht fehlen, so sind sie dennoch nicht ausufernd und zentral.
Ich bin froh, dieses Buch gelesen zu haben, ein authentischer Lebensbericht, der noch emotionaler wirkt, wenn man das Vorwort aus November 2009 liest, wenige Monate vor Fignons Tod. Es hilft einem, den Radsport in seiner Fülle zu sehen und eine Epoche aufleben zu lassen, die gerade 25 Jahre her ist, aber nicht distanzierter hätte erscheinen können. Aber es gibt auch Hoffnung für die Zukunft, denn es wird immer Gute geben und die Essenz des Sportes ist stets unverändert: Anmut, Kampf, Tragik, Überwindung, Erleichterung. Merci, Laurent.