Florian Kienzle

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Lebenslauf

Florian Kienzle (geb. 1982) ist promovierter Albanologe und freier Übersetzer. Zuletzt erschienen seine Übersetzung von Lindita Arapis Roman "Albanische Schwestern" im Weidle Verlag sowie eine Arbeit über "Orte und Räume in der albanischen Literatur" im Harrassowitz Verlag.

Quelle: Verlag / vlb

Neue Bücher

Cover des Buches Albanische Schwestern (ISBN: 9783835377264)

Albanische Schwestern

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Erscheint am 23.07.2025 als eBook (Download) bei Weidle.

Alle Bücher von Florian Kienzle

Cover des Buches Das ist nur ein Kratzer. (ISBN: 9783758349447)

Das ist nur ein Kratzer.

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Erschienen am 25.04.2024

Neue Rezensionen zu Florian Kienzle

Cover des Buches Verbrannte Sonne (ISBN: 9783906811130)
Gwhynwhyfars avatar

Rezension zu "Verbrannte Sonne" von Elvira Dones

Gwhynwhyfar
Sie wurden mit Arbeit gelockt - endeten als Sexsklavinnen

«‹Sie werden sagen, das ist Männerarbeit›, sagte Xhafer, ‹aber in unserer Gegend machen die Frauen die Männerarbeit.›

‹Und die Arbeit der Frauen?›

‹Die erledigen auch die Frauen.›

Er lächelte und zog dabei eine hasenartige Grimasse.»


Das Tagebuch von Leila ist der Grundstock von diesem Buch. Sie ist tot, ihre Mutter nimmt ihren Körper zur Beerdigung entgegen und Leila erzählt uns ihre Geschichte. Kurze Auszüge aus Leilas Berichten, dazwischen ein auktorialer Erzähler, der uns vom Leid der jungen Albanerinnen berichtet, die in Italien als Prostituierte arbeiten müssen. Leila wird neben ihrer Schwester liegen, die ihr Leben lassen musste, um Leila auf Spur zu bringen, ihr zu zeigen, was man mit denen macht, die sie liebt, wenn sie nicht gehorcht. Mädchen, die auf dem Nachhauseweg von der Schule entführt werden oder mit falschen Versprechungen der Arbeitssuche ins Land kommen. Viele Einzelschicksale ergeben ein Ganzes: Leila, Soraja, Elena, Laura, Sanija und all den anderen Mädchen, die ein und dasselbe Los vereint – und die Geschichte ihrer abartigen Zuhälter. 


«So waren die Männer nun mal, dachte Sanija zuweilen, sie verloren wegen irgendeiner Kleinigkeit die Orientierung und weil sie aus dem Schlamassel nicht mehr herausfanden, stieg ihnen die Galle hoch, und ihre Gedanken trübten sich. Frauen passierte das nicht so schnell. Frauen stand gar nicht das Recht zu, die Orientierung zu verlieren.»


Elvira Dones hat einen rohen und aufschlussreichen Roman über die albanische Mafia und den Frauenhandel geschrieben, bei dem deutlich wird, dass es nichts zu romantisieren gibt. Es sind die 1990er Jahre unter dem schrecklichen Hodscha-Kommunismus – Noir, die Ausbeutung der Frauen durch grenzenlose Gewalt. Aber auch die Kunden sind ein Teil dieser Schicksale – denn ohne sie gäbe es kein Geschäft. Sie wollen weder hören, dass diese gekaufte Mädchen ihren Job nicht freiwillig machen, noch interessiert es sie, sie sind völlig überfordert, wenn ein Mädchen um Hilfe bittet. Was haben sie denn damit zu tun, sie haben doch bezahlt.


«Ich werde niemals mehr in meinem Leben einem Mann vertrauen, hat Suela geschworen.

Bist du sicher, frage ich sie.

Wieso, würdest du einem Mann noch jemals Glauben schenken?

Nein, niemals. Ich auch nicht, sagte Soraja erleichtert.

An jenem Tag haben wir uns durch diesen Schwur besser gefühlt.»


Dortunten nach Dortoben – Albanien und Italien. Warum nennt die Autorin es nicht beim Namen? Mich hat es gestört. Erschreckend ist, dass die Täter nicht unbedingt Fremde sind! Der Onkel, der Cousin, der Mann, der sich mit dem Mädchen verlobt, bis hin zum Vater, sie alle sind beteiligt, ebenso die Ehefrauen der Bosse, die sich am Leben in Saus und Braus erfreuen. Leila verlässt aus eigenem Willen diese Welt, sagt, für sie ist es besser so. «Ich habe keine Kraft mehr und ich kann nicht mehr kämpfen. Besser so.» Manch ein Zuhälter verliebt sich in eine der Frauen und erwartet auch noch Gegenliebe in seiner Selbstüberschätzung. Die einzige Chance der Frauen, wenigstens ein bisschen Macht über diese Typen zu erlangen. 


Der Roman beschreibt im Detail, wie diese Mädchen gewalttätig vorbereitet werden für ihren Job, was sie später aushalten müssen, bis hin zur Unerträglichkeit – denn hier wird Reales brutal auf Papier gebracht. Ich finde es immer gut, die Wahrheit aufzuschreiben, aber das hier ist wirklich nur ein Text für starke Nerven. Ich hatte das Buch vor längerem angefangen, weggelegt. Nun habe ich es bis zum Ende geschafft – nicht leicht. Das Buch ist ein Argument dafür, Prostitution zu verbieten, denn selten arbeiten die Frauen freiwillig. Kein Roman zum Entspannen, doch mit Licht am Ende. Mich hat an diesem Taschenbuch auch die stramme Bindung genervt. Es braucht Kraft, die Seiten offen zu halten. Am Ende die Frage, kann ich den Roman empfehlen? Für die, die sich für sexualisierte Gewalt interessieren ja. Wer eine schöne Geschichte sucht, nein.


«So war das, Schwesterherz. Und da bin ich nun. Ich arbeite. Wenn das Wort Arbeit auf solch eine Weise entwertet werden kann.»



Elvira Dones wurde 1960 in Durrës/Durazzo (Albanien) geboren. 1988 kam sie in die italienische Schweiz. Von 2004 bis 2015 lebte sie in Amerika (zuerst Washington D.C., dann Kalifornien, Bucht von San Francisco). Seit 2015 lebt sie wieder im Tessin. 


Cover des Buches Albanische Schwestern (ISBN: 9783949441073)
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Rezension zu "Albanische Schwestern" von Lindita Arapi

MarcoL
Eine schonungsloser Roman über die Unterdrückung der Frauen in Albanien

S.26: „In einem gottverlassenen Nest, wo zu dieser Zeit der einzige Wandel das Knospen und Welken der Blätter war, je nach Jahreszeit. Wo es sich für junge Frauen nicht gehörte, laut zu lachen, wo die Geburt eines Mädchens dessen Schicksal als minderwertiges Wesen besiegelte, ein Bewusstsein, das mit der Muttermilch eingesogen wurde und fortbestand als Existenz unter der Allmacht der Angst.“

Dies ist eines jener versteckten Schätze in Buchform, die wesentlich mehr Aufmerksamkeit bekommen müssten.
Lindita Arapi, eine der bekanntesten Albanischen Autorinnen, erzählt über das Leben von Alba, einer jungen Frau aus einer Provinzstadt in Albanien. Sie geht schonungslos mit den bestehenden Strukturen von blinder Parteitreue zum Kommunismus und dem mehr als vorherrschenden Patriarchat ins Gericht. Ungeschönt, erbarmungslos wirft sie uns in den albanischen Alltag, beherrscht von großer Armut und dem unsäglichen System. Selbst nach dem Fall des Eisernen Vorhangs bleibt ein Teil der Bevölkerung in der Indoktrination hängen.
Alba und ihre Schwester, welche vor dem „Mauerfall“ aufwuchsen, erfahren am eigenen Leib, wie es ist, sich auch nur im Ansatz gewissen Regeln zu widersetzen. Die Liebe der Eltern gilt dem Staat, aber nicht dem Nachwuchs, vor allem, wenn es nur Töchter sind. Für Pranvera, Albas ältere Schwester, war es noch ein wenig leichter. Aber Alba bekam immer zu spüren, wie unerwünscht sie war, weil sie nicht als der erhoffte Sohn das Licht der Welt erblickt hatte.
Unschöne Szenen (Triggerwarnung: Darstellung von körperlicher und seelischer Gewalt) aus ihrer Kindheit und Jugend hatten Alba traumatisiert.
S.103: „Prügel waren eine Erziehungsmethode. Wer dich liebt, schlägt dich, war die Rechtfertigung. Damit du als Mädchen noch braver wirst.“
Aus diesen inneren Kämpfen kam sie auch später nicht heraus. Sie verließ zwar ihre Heimat, ging nach Wien und heiratete. Aber die Schatten der Vergangenheit krochen immer wieder hervor, dimmten ihr eigenes Licht derart, dass sie sich immer mehr und mehr zurückzog und von ihrem Ehemann entfernte.

Ihr einziger Halt war die starke Verbindung zu ihrer Schwester. Das war in Albanien so, und auch, als Alba im Westen war. Dennoch drifteten irgendwann die Ansichten der beiden auseinander.
Als Albas Vater starb, ging sie zurück nach Albanien. Sie fand nur mehr alte Menschen und Verwahrlosung wieder, vom Leben zerstört.
Der Roman ist eine knallharte Abrechnung mit dem Regime, dem kommunistischen Fanatismus und vor allem dem vorherrschenden Patriarchat. Die Sprache ist geradlinig, die Szenen kommen in Rückblenden daher, und machen es einfacher, in Albas Welt einzutauchen. Die geballte Ladung an den frauenfeindlichen Strukturen kommen so Schritt für Schritt daher. Nichts wird beschönigt, ganz im Gegenteil.
Für mich war die Lektüre ein ergreifendes Erlebnis. Bisher wusste ich nicht viel von dem Land, und so nimmt Alba die Leser:Innen an die Hand und führt sie durch die unbarmherzige Geschichte einer der letzten Bastionen des europäischen Kommunismus.
Absolute Leseempfehlung für diesen tief schürfenden Roman – traut euch, kauft das Buch und lest es. Es lohnt sich allemal.
Was ich noch anmerken möchte: das Werk wurde durch Traduki gefördert. Ohne dieses Netzwerk wäre die literarische Vielfalt aus dem südosteuropäischen Raum wohl ziemlich eingeschränkt. Besonders Indie-Verlage schaffen es so, diese schriftstellerischen Kostbarkeiten uns näher zu bringen, und leisten aus meiner Sicht einen wertvollen kulturellen Beitrag.

Cover des Buches Albanische Schwestern (ISBN: 9783949441073)
KataRafs avatar

Rezension zu "Albanische Schwestern" von Lindita Arapi

KataRaf
Befreiung

»"Wie läuft's da drüben, in der großen Welt?" "Ich sehe sie vom Fenster aus", antwortete Alba mit einem bitteren Lächeln, doch ihre Schwester schien nicht verstanden zu haben, was sie meinte.« | 58

Alba und Pranvera könnten unterschiedlicher nicht sein. Alba ging in die große Welt, von Albanien nach Österreich. Sie heiratete, doch blieb Alba innerlich hängen in ihrer Vergangenheit, in begrenzenden Rollenbildern, stummen inneren Widerständen und Ängsten. Ihre Schwester Pranvera ist in Albanien geblieben, hat Kinder bekommen und Karriere gemacht. Sie hat sich arrangiert und beschwert sich nicht. Dabei war Pranvera einst die bewunderte, laute und schöne große Schwester, die sich dem Patriarchat nicht zu fügen schien. Bis etwas passierte, das Alba nachhaltiger zu prägen schien, als die pragmatische Pranvera.

Doch der Titel täuscht. »Albanische Schwestern« dreht sich nur am Rande um die Beziehung ungleicher Schwestern. Vielmehr handelt es sich um einen klassisch erzählten weiblichen Entwicklungsroman, in dem sich Alba lange um sich selbst dreht und dabei den Kontakt zur Außenwelt verliert. Nach und nach zieht Alba die Lesenden in ihre Erinnerungen an das ebenso von der Außenwelt isoluerte Albanien ihrer Kindheit und Jugend und vermischt diese mit aktuellen Szenen in Wien. Die Rolle der gut integrierten Migrantin und der bescheidenen Ehefrau funktionieren nicht und sie wird neue Wege finden.

Die Sprache transportiert die Beklemmung und Entfremdung der Figur Alba. Den anderen Figuren hätte mehr Komplexität und Innenschau gut gestanden. Pranvera bleibt eine Fläche für das albanische Patriarchat und die Widersprüche albanischer Frauen, ebenso wie die unsolidarische Mutter. Auch der Vater bleibt schemenhaft, wie ihr hölzerner österreichischer Ehemann, der Nähe eben so wenig kann wie Alba.

»Albanische Schwestern« bot spannende Einblick in die albanische Gesellschaft der Vergangenheit, die einen recht abgeschotteten Weg genommen hatte und in die Gegenwart, in der Migration das Land verwaist. Jetzt muss ich unbedingt Frei von Lea Ypi lesen, das wollte ich schon längst tun.


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