Cover des Buches Oona und Salinger (ISBN: 9783492054157)
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Rezension zu Oona und Salinger von Frédéric Beigbeder

Oona&Salinger&Charlie&Krieg&Beigbeder

von franzzi vor 9 Jahren

Kurzmeinung: Genau genommen schreibt Beigbeder immer das gleiche Buch, aber er schreibt es gut. Schnoddrig, selbstverliebt, aber auch packend und klug.

Rezension

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franzzivor 9 Jahren
Oona&Salinger heißt Frédéric Beigbeders neuster Roman. Es ist überraschend, dass Beigbeder sich eine echte Geschichte ausgesucht hat, die mehr als 70 Jahre zurückliegt. Denn für gewöhnlich schreibt er ja lieber über sich selbst und seine Jetztzeit. Und genau genommen-...nunja, er hat seine Leser ja gewarnt.

"Ich habe Lust, eine Geschichte zu erzählen.
Werde ich eines Tages etwas anderes erzählen können als meine Geschichte?" zitiert er Pierre Drieu La Rochelle zu Beginn seines Buches.

Und er löst es ein. Beigbeder schreibt wieder ein Buch über sich. Über sich und seine echte Salinger-Begeisterung und seinen warmherzigen Blick auf die junge Oona O'Neill. Über seinen Blick auf die Vergangenheit, über von ihm recherchierte und zusammengewebte Fakten über Krieg, Tratsch und Co. Über sein eigenes Altern und seinen Blick auf die Welt. Aber das kann er eben auch.

Die beiden Roman-Namensgeber treffen sich im New York der 1940er Jahre im Stork-Club, in ihrer Gesellschaft niemand geringerer als Truman Capote und Gloria Vanderbilt. Sie treffen und verlieben sich und sind kurz zusammen, so, wie es der Titel "Oona und Salinger" ja auch vorgibt.

Doch die Liaison ist kurz, der junge Jerry Salinger zieht in den Krieg, Oona nach Los Angeles. Jerry bereitet sich darauf vor, im Zweiten Weltkrieg zu sterben, Oona darauf, mit Charlie Chaplin zu leben. Genau genommen müsste das Buch eigentlich Oona&Salinger&Charlie&Krieg heißen. Mindestens. Denn Beigbeder, der einst mit seinem schnodderigen Roman Neunundreißigneunzig bekannt wurde, kann nicht aus seiner Haut. Er muss sich einmischen.

Wie ein Erzähler aus dem Off, scheinbar omnipotent, weil mit Zukunftswissen ausgestattet, kommentiert und lamentiert er, lobt die guten alten Zeiten und schimpft kulturpessimistisch über das Heute. Das ist ebenso oft witzig wie nervig. Beigbeder wird alt im Kopf, man merkt es, und er kommt schlechtestens damit zurecht. Das lebt er auch in seinem Roman aus und exerziert es am alternden Charlie Chaplin durch, der mit der gerade volljährigen Oona O'Neill einen Jungbrunnen an seiner Seite hat.

Wen diese ständige Kommentierung nervt, wer eine Geschichte über J.D. Salinger und Oona O'Neill lesen will, der könnte enttäuscht sein. Wer Frédéric Beigbeder, wie ich, vor allem für seinen Ton mag, der wird auch dieses Buch mögen. Denn stark ist Beigbeder vor allem, wenn er von den Folgen von Jerrys Liebeskummer erzählt - wenn er vom Krieg erzählt.

Für ihn ist die Triebfeder für den jungen Jerry und den später großen Salinger vor allem der Liebeskummer, den Oona auslöste. Deshalb meldet er sich für den Krieg, deshalb wird er bei der Landung in der Normandie gen Ende des Weltkriegs traumatisiert, deshalb schreibt er die Geschichten, die er schreibt. Beigbeder belegt das nachvollziehbar an teilweise nie als Buch veröffentlichten Kurzgeschichten Salingers, die sich in alten Zeitschriften finden.

Überhaupt macht Beigbeder die Zeit der 1940er Jahre erlebbar, die Clubs, die Filmszene, die Kriegsgräuel macht er mitunter schon unerträglich plastisch, obwohl er unaufgeregt und sachlich erzählt. Auch Salinger ist mir jetzt näher als noch im zuvor von mir gelesenen "Lieber Mr. Salinger".* Rakoff erzählt von dem in der Einsamkeit eingegrabenen schwerhörigen Literatur-Star, dessen Name alle mit Ehrfurcht aussprechen. Beigbeder erzählt, wie er zu diesem Mann geworden ist, und von den Menschen, die ihn dabei begleitet haben.

"Mir ist wichtig, feierlich das Folgende zu erklären: Wäre diese Geschichte nicht wahr, so wäre ich zutiefst enttäuscht." (f.b. oona&salinger, s.9)

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*Interessant auch das Nachwort von Beigbeder, in dem er 18(!) Geschichten von J.D. Salinger auflistet, die nach ihrer Erstveröffentlichung im New Yorker, Esquire, Cosmopolitan und Co. nie wieder in Buchform - oder im Ausland - erschienen. Verantwortlich dafür: der Salinger-Estate mit der Agentin Phyllis Westberg - der Agentin, von der Joanna Rakoff in "Lieber Mr. Salinger" vor allem erzählt; und die offenkundig bis heute einfach alles abbügelt, was mit Wiederveröffentlichungen zu tun hat.
Beigbeder übersetzt Auszüge aus diesen Geschichten, man kann also auch ein Stück unbekannten Salinger entdecken.
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