Cover des Buches Bonjour tristesse (ISBN: 9783550081385)
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Rezension zu Bonjour tristesse von Françoise Sagan

Bonjour Françoise, aussi à nouveau..

von Aspasia vor 7 Jahren

Rezension

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Aspasiavor 7 Jahren
Ich muss hier gestehen, ich bin eine Wiederholungstäterin, was die Lektüre dieses Romans angeht. Ich habe ihn im zarten Alter von 13 oder 14 schon einmal gelesen. Damals, weil ich in meiner französischen Phase jedes Kulturgut der „Grand Nation“ und das ist dieses Debut nun einmal, gierig goutiert habe, den Hype im Erscheinungsjahr 1954, um seine Leistung als Emanzipationsroman, Jahrzehnte später, jugendlich ignorant wie ich war, aber nicht wirklich nachempfinden können. Dafür wurden die beiden Heldinnen Anne und Cécile aber für lange Zeit meine Blaupause für Französinnen mit einer deutlichen Preferenz.

Jetzt mit dem Abstand an Jahren und Erfahrungen ihn noch einmal zu lesen, fand ich ausgesprochen spannend. Einerseits, dass der Roman gerade jetzt erneut aufgelegt wurde, wo ich oft das Gefühl habe, dass die schon erstrittenen Freiheiten auch von Frauen oft mit Füßen getreten werden, und andererseits, weil ich wissen wollte, welche Wirkung er heute auf mich hat.

Françoise Sagans, mit zarten 18 Jahren in nur 7 Wochen herunter geschriebenes Debut „Bonjour Tristesse“ von 200 Seiten ist nicht nur ein in 22 Sprachen übersetzter Welterfolg, sondern vor allem in der Heimat der Autorin ein Kultbuch, weniger wegen seiner überragenden literarischen Qualität als des Eklats, der mit seinem Erscheinen im Nachkriegsfrankreich, dem Frankreich der Vierten Republik mit ständig wechselnden Regierungen, einer siegreichen Kolonie Indochina und den ersten Aufständen in Algerien, einherging.

Der Roman handelt wie so viele Romane von der Liebe. Ein Mann, drei Frauen, eine Intrige.

Cécile, die 17 jährige Erzählerin verbringt die langen, französischen Sommerferien mit ihrem Vater Raymond, und seiner aktuellen Geliebten, der 29 jährigen Elsa, eine sinnliche Rothaarige mit Hang zum Sonnenbrand, ein plaudernde Naive, der Männer nur schwer widerstehen können, in einer mondänen Villa an der Côte d’Azur. Der charmante, selbstverliebte Raymond ist Cécile trotz seiner 40 Jahre, mehr Kamerad als Erzieher seit sie zwei Jahre zuvor das Internat verlassen hat, und zu ihm nach Paris gezogen ist, wo die Beiden das Leben der Reichen und Schönen, der bohemianhaften Non-Konfomisten mit dem nötigen Kleingeld führen. Beide sind in ihrer ungewöhnlichen Vater-Tochter-Beziehung glücklich, Cécile stört sich nicht an den wechselnden Gespielinnen ihres Vaters, die ihm Zeitvertreib und Streicheleinheiten fürs Ego sind und Raymond verwöhnt sein kleines Mädchen, stellt keine bürgerliche Forderungen nach Schulabschluss und Zubettgezeiten, sondern macht sie zu der Einen, seinen ständigen Begleiterin.

So ist der Urlaub zu dritt ein Sommertraum, der sich unter flirrender Hitze zwischen verschlafen Café auf der Terrasse mit Meerblick, bäuchlings im heißen Sand liegend und abends in St Tropez oder Cannes ein Barbesuch, ein Restaurant und dann ein Club bewegt.

Cécile lernt den 25 jährigen Jurastudenten Cyril kennen, der mit seiner Mutter in einer benachbarten Villa residiert: sie baden im Meer, segeln an der Küste und küssen sich im Pinienwäldchen.

Dieses Idyll des seligen Nichtstuns wird unterbrochen als sich Anne Larsen, eine Freundin von Cécils verstorbener Mutter zu ihnen gesellt. Anne ist eine elegante, gebildete Frau, eine Frau mit Grundsätzen und Stil, die in Paris ein Modeatelier leitet und die leicht unterkühlte, maßvolle Aura einer Lauren Bacall versprüht. Sie wird von der flatterhaften Cécile, die gerade durch ihre Abiturprüfung gefallen ist und sich zu einer Nahprüfung nicht aufraffen kann, mit ängstlicher Bewunderung verehrt. Doch schnell schlägt die Stimmung um. Die Frau in den Vierzigern ist ganz Taktikerin, zu klug, um sich offen gegen Elsa zu positionieren. Und Raymond beißt an, er verbringt eine Nacht mit ihr, der Gleichaltrigen, die so vernünftig und verantwortungsbewusst ist, so exotisch, dass sie am Morgen danach Cécile ihre Heiratspläne eröffnen. Cécile ist zu schockiert, sie schwank zwischen Freude über die zukünftige Erwachsene in ihrem flatterhaftem Leben, die ihrem und dem Leben ihres Vaters Richtung gibt und Wut darüber, dass Anne ihnen damit auch das Gefühl gibt unzureichend zu sein, die personifizierte Kritik in ihr Leben träte. „Durch Annes Schuld geriet ich nun in eine Welt der Vorwürfe, des schlechten Gewissens, in der ich mich verlor..“ Das führt dazu, dass Cécile sich in ihrer Verlustangst wehrt und eine nicht unbedingt kreative Intrige spinnt, an deren Wirkung sie sogar bis zum Schluss zweifelt.

Sie bringt Cyril und Elsa dazu ein Liebespaar zu mimen, um Raymonds Jagdtrieb zu wecken, was ihr letztlich gelingt. Er, dessen Ego es nicht verkraftet, dass Elsa sich so schnell nach der Trennung mit einem jüngeren Mann tröstet, nutzt die Gelegenheit im Pinienwäldchen Zärtlichkeiten mit ihr Auszutauschen und wird dabei von Anne inflagranti ertappt. Diese, tief verletzt, setzt sich in ihr Auto und rast viel zu schnell die kurvige Küstenstraße entlang und kommt zu Tode. Ein schrecklicher Unfall oder gar Selbstmord? Vater und Tochter sind geschockt, aber nicht wirklich betroffen von Annes tragischem Tod, an dem sie nicht unschuldig sind. Sie kehren zurück nach Paris und schon bald auch zurück in ihr altes Leben. Cécile lernt einen jungen Mann kennen, ihr Vater eine junge Frau. Sie sitzen wie zuvor gemeinsam am Tisch und erzählen sich lachend und trinkend von ihren kleinen Liebeleien, während sie den nächsten Sommerurlaub an der blauen Küste planen.

Dieses Skandalbuch steht für den Bruch mit den damals auch in der Literatur vorherrschenden bürgerlichen Werten. Fünf Jahre zuvor war Simone de Beauvoirs „Le deuxième sexe“ erschienen, es thematisierte die Gleichstellung der Frau und wandte sich gegen die vor allem für Frauen maßgebliche christliche Moral. Au revoir: Monogamie und eheliche Treue; Bonjour: Sex just for fun! Das die Vielleserin Sagan das Buch gelesen hat, halte ich für wahrscheinlich und sicherlich hätte es sie nicht unberührt gelassen. Die katholische Kirche war auf jeden Fall empört und setze beide Werke auf den Index der verbotenen Bücher.

Cécile, Sagans Alter Ego, das androgyne, kleine Ding, strebt nicht, wie es sich für eine Frau ihrer Zeit und Gesellschaftsschicht gehörte, nach einem Ehemann, Kindern, einem bürgerlichen Dasein, sondern lebt für den Augenblick, liebt Luxus und Genuss, ist schamlos und lässt sich treiben von ihren unmoralischen Bedürfnissen. Den Plan, die Beziehung zwischen Anne und ihrem Vater zu sabotieren, führt sie mit fast kindlicher Boshaftigkeit aus und wie ein Kind gelingt es ihr auch ihre bösen Taten schnell zu vergessen. Sie sagt über sich selbst: „Die einzige meinem Wesen gemässe Charaktereigenschaft ist die Freude am Vergnügen und am Glücklichsein.“

Eine Hedonistin at her best!

Ach, und die Wirkung: Ich habe „Bonjour Tristesse“ geliebt; gestern wie heute.

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