4.5 Sterne für den Weihnachtsklassiker
Der kleine Cedric wächst zusammen mit seiner Mutter in ärmlichen Verhältnissen in Amerika auf. Sein Vater ist Engländer und vor einigen Jahren verstorben. Kontakt zur Familie aus England gibt es keinen, denn der Großvater hat einen unbändigen Hass auf die beiden, die ihm seinen jüngsten Sohn "weggenommen" haben.
Der Großvater ist ein Graf, sehr reich und besitzt viele Ländereien in England. Von seinen drei Söhnen war ihm der jüngste am liebsten, weswegen er besonderen Groll gegen dessen angeheiratete Frau hebt, die für ihn nur auf das Geld aus war.
Seine beiden älteren Söhne kann er nicht ausstehen. Für ihn sind sie unfähig und eine einzige Enttäuschung. Dass er selbst der Grund dafür sein könnte, kommt ihm aber nicht in den Sinn. Dabei weiß er sehr genau, dass ihm keine Menschen nahestehen und die Liebe in seinem Leben keinen Platz hat.
Er ist ein störrischer, egoistischer und geiziger Mensch, der nichts umsonst gibt und mit seinem Gebaren vor allem Angst und Unmut verbreitet.
Als jedoch seine beiden älteren Söhne auch sterben und keinen Erben hinterlassen, bleibt ihm nichts anderes übrig, als nach seinem Enkel zu schicken, den kleinen Cedric in Amerika, den er für einen unerzogenen, frechen Bengel hält.
Cedric wird hier sehr oft als schön und anmutig beschrieben. Natürlich der Zeit geschuldet, in dem das Buch geschrieben wurde, dennoch zieht sich für mich das Bild von "schönen Menschen" ein bisschen zu sehr durch die Geschichte, in der diese die "guten" sind.
Auch der Stolz des Großvaters auf diesen "schönen, wohlerzogenen" Jungen, den er herumzeigen kann, mir nicht und das er etwas bieten muss, sozusagen, um das Wohlgefallen zu erringen.
Die Menschen wussten, welche Enttäuschungen ihm seine Söhne bereitet hatten, und so gewährte es ihm nun ein gewisses Triumpfgefühl, diesen neuen Lord Fauntleroy herauszustellen, der niemanden enttäuschen konnte.
Zitat Seite 161
Natürlich ein Charakterzug des Grafen, der sich noch ändern wird. Trotzdem wurde ich bis zum Schluss das Gefühl nicht los, dass diese Erwartungen in der Liebe dazugehören. Gerade in der Familie aber haben Erwartungen nichts zu suchen - man muss den Eltern oder Großeltern nichts "bieten", um geliebt zu werden, das sollte ja gerade der Ort und die Menschen sein, die einen bedingungslos annehmen.
Die guten Manieren würde ich hier schlicht mit Respekt und Höflichkeit übersetzen, die ja leider in der heutigen Zeit sehr zu wünschen übrig lassen. Da gibts wirklich einige schöne Wohlfühlmomente wenn man sieht, wie leicht es fallen könnte, mit kleinen Gesten etwas wunderschönes zu bewirken.
Dennoch, gerade mit seiner blauäugigen, naiven Art, seiner herzlichen ehrlichen Freundlichkeit, bewegt Cedric die Herzen von allen, die ihm begegnen. Vor allem auch sein Bestreben, anderen gutes zu tun und weniger an sich selbst zu denken. Das öffnet schließlich auch das Herz des Großvaters der erkennt, wie schön diese ungezwungene und natürlich Freundlichkeit ist.
Auch die Arglosigkeit, mit der Cedric dem allseits gefürchteten alten Grafen begegnet ist ein wichtiger Punkt. Cedric weiß nichts von seinen schlechten Eigenschaften und sieht in ihm das Gute, glaubt an das Gute in ihm und genau das löst dann die Veränderungen im Großvater aus.
Der Glaube versetzt Berge heißt es - wenn ich anderen Menschen mit Misstrauen begegne und ihnen das Gefühl gebe, dass sie "nicht gut" sind, werde ich sicher keinen positiven Einfluss auf sie haben. Wenn ich ihnen jedoch so begegne, wie sie sein könnten, ohne Gram, ohne Angst, ohne Hass, dann werde ich sie natürlich nicht ändern, aber vielleicht eine kleine Änderung bewirken.
Cedrics Mutter hat ebenfalls eine sehr wichtige Rolle, denn sie hat an Cedric all die guten Eigenschaften und Werte weitergegeben. Sie akzeptiert die Ablehnung des Grafen und hält sich zurück, um ihrem Sohn einen ungezwungenen Umgang mit seinem Großvater zu ermöglichen. Sie hat ein gütiges Herz und will nur das Beste für ihren Sohn.
"... sei immer tapfer und gütig und aufrichtig, dann wirst du niemandem weh tun, und die Welt wird vielleicht durch dich besser werden. Und das ist das Wichtigste, Ceddie - wichtiger als alles andere: dass die Welt ein bisschen besser wird, weil ein Mensch gelebt hat."
Zitat Seite 144
Und, ebenfalls eine schöne Botschaft: es ist nie zu spät, um etwas zu verändern. Selbst der alte Graf, der sein Leben lang in seinem lieblosen Bitterkeit geschwelgt hat, ist dazu fähig, dazu zu lernen.
Ich mochte die Geschichte wirklich sehr gerne! Sie berührt, geht zu Herzen und hat viele wirklich wichtige Botschaften, die scheinbar jeder weiß, aber leider so oft nicht umgesetzt werden!
Der Schreibstil ist schön zu lesen und wirkt nicht so antiquiert wie anderes aus der Zeit, was vielleicht auch an der Übersetzung liegt ... kurzweilig und immer unterhaltsam.
Etwas überraschend war das Ende, dass in den Filmen ja immer am Weihnachtstag stattfindet, hier der 8. Geburtstag von Cedric war. Jedenfalls ein gelungener Schluss, nachdem es nochmal eine kleine spannende Aufregung gab.