Rezension zu "Kafka. Um sein Leben schreiben." von Rüdiger Safranski
Es scheint vergeblich, als Laiin zu einer eindeutigen Aussage über Kafkas Werk kommen zu wollen. Auch über eine Biographie das Schaffen Kafkas zu begreifen, erscheint fast aussichtslos. Kafkas Texte verführen, ebenso wie die mythisch aufgeladene historische Figur Kafkas selbst. Text und Figur sprechen Instinkte an, die danach streben, nahe zu kommen, Intimität zu erleben, sie auch zu empfinden, um dann wieder zurück geworfen zu werden auf einen Echoraum in sich selbst. Naheliegend ist es, in einer Biographie nach Einordnung und Halt zu suchen, nach Bedeutung in der Familie, beim Vater, in der literarischen Tradition, der gesellschaftlichen Situation und Stellung oder in seinen nicht glücklich verlaufenden Beziehungen zu Frauen.
Zum Glück erliegt der souveräne Biograph Safranski dieser Verführung nur in Teilen. Seine auch mit wenig Kafka-Vorbildung flüssig zu lesende und in eine Kafka-Welt ziehende Biographie konzentriert sich auf die Texte, die zur Veröffentlichung bestimmt waren oder schon zu Lebzeiten veröffentlicht wurden und stützt sich auf Briefe sowie Tagebucheinträge, die eine ähnliche Wirkung haben wie das Werk; auch sie sind mehrdeutig, widersprüchlich, Interesse bindend und komplex. Der Familiengeschichte und dem Vater gibt Safranski wenig Raum, philosophische oder kabbalistische Deutungsspuren werden nur gestreift und eine literaturwissenschaftliche Einordnung unterbleibt fast. Der Reiz Safranskis Biographie liegt in den Frauen, bzw. in Kafkas Konzentration auf das Schreiben und in seinem schwankenden Begehren, dem nicht halten und nicht loslassen können von Bindungen. So wie mit den Frauen verhält es sich auch mit den Texten. Kafka sucht zu verführen und einzunehmen. Das Gegenüber sieht sich in einer exklusiven Verbindung, dann hält Kafka etwas zurück, er bleibt in seiner eigenen mit sich selbst beschäftigten Welt und sorgt so für Spannung. Einnehmend ist dieser emotionale Zugang, den Safranski in der Biographie nahelegt; je allgemeiner, desto überzeugender wirkt er. Sucht Safranski konkret nach Ereignissen und Motiven des Lebens im Werk, so beginnt auch diese Deutungsfährte zu verblassen. Denn macht die Stärke von Kafkas Texten nicht das Unbestimmbare, das Paradoxe und das nicht Feste aus? Die Verweigerung eindeutiger Motive, Bezüge und Botschaften nach Außen? Auch mit Hilfe einer Biographie bleibt das auf sich zurück geworfen sein bestehen.