Frank Bajohr

 4,7 Sterne bei 7 Bewertungen
Autor*in von Parvenüs und Profiteure, "Unser Hotel ist judenfrei" und weiteren Büchern.

Lebenslauf

Dr. Frank Bajohr,geboren 1961, ist Wissenschaftlicher Leiter des Zentrums für Holocaust-Studien am Institut für Zeitgeschichte und Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Er war bis 2013 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg und arbeitete als Fellow u. a. in Yad Vashem/Israel und am US Holocaust Memorial Museum in Washington. Bei Fischer erschien von ihm u. a.: ›Parvenüs und Profiteure. Korruption in der NS-Zeit‹ (2001) und ›»Unser Hotel ist judenfrei«. Bäder-Antisemitismus im 19. und 20. Jahrhundert‹ (2003).

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Frank Bajohr

Cover des Buches "Unser Hotel ist judenfrei" (ISBN: 9783596157969)

"Unser Hotel ist judenfrei"

(2)
Erschienen am 01.06.2003
Cover des Buches Der Holocaust (ISBN: 9783596032792)

Der Holocaust

(1)
Erschienen am 26.03.2015
Cover des Buches Volksgemeinschaft (ISBN: 9783596183548)

Volksgemeinschaft

(1)
Erschienen am 01.10.2009
Cover des Buches Der Holocaust als offenes Geheimnis (ISBN: 9783406758591)

Der Holocaust als offenes Geheimnis

(0)
Erschienen am 18.12.2024
Cover des Buches Parvenüs und Profiteure (ISBN: 9783596153886)

Parvenüs und Profiteure

(2)
Erschienen am 01.09.2004

Neue Rezensionen zu Frank Bajohr

Cover des Buches "Unser Hotel ist judenfrei" (ISBN: 9783596157969)
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Rezension zu ""Unser Hotel ist judenfrei"" von Frank Bajohr

wsch
Die durch den Titel geweckten Erwartungen werden übertroffen!

Frank Bajohrs 2003 erschienenes Buch „Unser Hotel ist judenfrei“ ist eine ebenso aufschlussreiche wie beunruhigende Studie über eine lange vernachlässigte Facette des Antisemitismus nicht nur in Deutschland, sondern auch im ehemaligen Habsburger Reich, in seinen Resten nach der Zerschlagung als Folge des Ersten Weltkrieges Österreich, in den Ost-Europäischen Ländern, aber auch in Holland, Belgien und den USA. 

Auf knapp 300 Seiten beleuchtet Bajohr auf der Grundlage umfangreicher Quellenrecherchen, wie sich seit und mit dem Aufschwung des Tourismus im späten 19. Jahrhundert in zahlreichen Seebädern, Kurorten und Sommerfrischen ein Klima der Ausgrenzung und Feindseligkeit gegenüber jüdischen Gästen entwickelte.

Der Autor zeigt überzeugend, dass der sogenannte „Bäder-Antisemitismus“ keineswegs ein Randphänomen oder eine fürchterliche Auswirkung des Nationalsozialismus war. Vielmehr verortet Bajohr seine Wurzeln tief im Kaiserreich und der Weimarer Republik. Er analysiert detailliert, wie sich in den genannten Erholungsorten eine spezifische Form des Antisemitismus herausbildete, die darauf abzielte, ein „deutsches“, „arisches“ Urlaubsparadies zu schaffen, in dem Juden unerwünscht waren. Dies manifestierte sich in expliziten Diskriminierungen, subtilen Ausgrenzungen und einer zunehmend aggressiven Stimmung, die von antisemitischen Liedern und Postkarten bis hin zu handfesten Boykottaufrufen reichte.

Eindrücklich und für die Leser, die wie ich im Grunde genau das, wie es der Titel des Buches und die Erscheinung in Fischers ‚Schwarzer Reihe‘ suggeriert, erwarten, schildert Bajohr die Mechanismen dieser Ausgrenzung. Es geht den Hoteliers, den Touristikbüros auch ums Geschäft. Je nach Ort (Seebad oder Berge) wurden die Menschen jüdischen Glaubens in der jeweiligen Hochsaison mehr diskriminiert als in der umsatzschwachen Nebensaison.

Der Autor hat Gästebücher, Zeitungsartikel, Korrespondenzen und polizeiliche Berichte analysiert, um die vielfältigen Formen des Bäder-Antisemitismus zu dokumentieren. Dabei wird deutlich, dass es sich nicht ausschließlich um die Agitation extremistischer Kreise handelte, sondern dass breite Teile der bürgerlichen Gesellschaft diese antisemitische Haltung teilten und aktiv unterstützten. Die Selbstdeklaration vieler Orte als „judenfrei“ war somit ein bewusstes Signal an antisemitisch gesinnte Urlauber und trug maßgeblich zur Stigmatisierung und Marginalisierung jüdischer Bürger bei.

Im weiteren Verlauf des Buches weist Bajohr nach, wie der Bäder-Antisemitismus in der Zeit des Nationalsozialismus eine gravierende Radikalisierung erfuhr. Die anfängliche Ausgrenzung mündete nun in offene Vertreibung und Enteignung jüdischer Kurgäste und Hotelbesitzer. Die „Judenfreiheit“ der Bäder wurde zu einem integralen Bestandteil der nationalsozialistischen Rassenpolitik und trug zur Vorbereitung des Holocaust bei, indem sie die gesellschaftliche Akzeptanz für die Ausgrenzung und Entrechtung von Juden weiter erhöhte.

Diese Studie zeichnet sich durch eine klare und präzise Sprache sowie eine stringente Argumentation aus. Er vermeidet moralisierende Urteile, legt aber durch die detaillierte Darstellung der historischen Fakten die menschenverachtende Natur des Bäder-Antisemitismus schonungslos offen. „Unser Hotel ist judenfrei“ ist ein gewichtiger Beitrag zur Erforschung des Antisemitismus und der deutschen Gesellschaftsgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert. Es mahnt auf eindringliche Weise, die Kontinuitäten und die tief verwurzelten Vorurteile zu erkennen, die letztlich in die Katastrophe des Holocaust mündeten. 

Das Buch ist für eine breite historisch interessierte Leserschaft von großem Wert.


Cover des Buches Parvenüs und Profiteure (ISBN: 9783596153886)
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Rezension zu "Parvenüs und Profiteure" von Frank Bajohr

wsch
Das 'Dritte Reich' - ein Selbstbedienungsladen!!

Von wegen 'sozialistisch' - genau das Gegenteil! 

Durch das von Anbeginn ('Machtergreifung') konsequent durchgeführte Ausschalten aller Kontrollinstanzen, Gerichte etc. blieb die Vetternwirtschaft, die Kumpanei, das gegenseitige Zuschieben aller möglichen materiellen Vorteile stets geheim.

Die 'alten Kämpfer' aus der Anfangszeit der Nazi-Diktatur wurden bevorzugt mit hohen und höchsten, stets hervorragend dotierten Pöstchen bedacht. 

"In Hamburg wurde beispielsweise der SA-Führer und Leiter des Konzentrationslagers Fuhlsbüttel, Paul Ellerhusen, ein kaufmännischer Angestellter ohne Lehrabschluß, der seit 1929 ununterbrochen arbeitslos gewesen war, im Juli 1933 durch Privatdienstvertrag als »persönlicher Sekretär« des Reichsstatthalters mit der Dienstbezeichnung »Regierungsrat« eingestellt. Zum Senats- und Obersenatsrat befördert, wechselte er später als Dezernent zum Jugendamt, wo er jedoch selten erschien, »weil er fast ständig betrunken war«. Der NSDAP-Gauinspekteur Max Lahts, ein gelernter Klempner, der jedoch von 1925 bis 1933 ausschließlich als Hausierer gearbeitet hatte, wurde im April 1933 zum kommissarischen Leiter, im September 1933 zum kommissarischen Präsidenten und im März 1934 zum Präsidenten des Strafvollzugs in Hamburg ernannt. Im Jahr 1938 wechselte er schließlich in die lukrative Stelle des Direktors der Hamburger Wasserwerke.“ (Seite 26)


Unterschlagene Mitgliedsbeiträge, erzwungene 'Spenden', Familien- und Verwandschaftsdienste bei der Unterbringung und materiellen Versorgung von Angehörigen waren an der Alltagsordnung. 


"Hans Rattenhuber, Adjutant des Reichsführers SS und Chef des Reichssicherheitsdienstes (RSD), kümmerte sich im Besonderen um die Belange seines Cousins, des Münchner Privatbankiers Georg Eidenschink, der u. a. Brauereien des jüdischen Generaldirektors der Engelhardt-Brauerei, Ignaz Nacher, erwerben wollte. Rattenhuber besuchte den von der Gestapo inhaftierten Nacher in der Gefängniszelle und zwang ihn, eine entsprechende Erklärung zugunsten seines Cousins Eidenschink zu unterzeichnen und diesem noch zusätzlich eine »Aufwandsentschädigung« von 150000 RM zukommen zu lassen."

(S. 116)


Während des Bombenkrieges der Alliierten und der damit zusammenhängenden Rationierung aller möglichen Lebensmittel und Güter für die 'Volksdeutschen' wurden die führenden Persönlichkeiten des Staates und der Partei von dem in Berlin-Steglitz ansässigen Delikatessengroßhändler August Nöthling jahrelang versorgt  Von Nöthling wurden "zwangsbewirtschaftete Lebensmittel ohne Lebensmittelmarken an zahlreiche Prominente des NS-Staates geliefert. [...] Alleine an die sieben Hauptabnehmer hatte Nöthling u. a. 22 Zentner Wild und Geflügel, 240 Pfund Pralinen. 125 Pfund Wurst sowie 75 Pfund Tee und Kakao ohne Lebensmittelmarken abgegeben." 

(S. 171f.)

Das Buch liest sich flüssig, ist spannend und erhellend von der ersten Seite an. Und wirft das richtige Licht auf den Teilbegriff "sozialistisch" im Parteinamen NSDAP...

Das ‚Dritte Reich‘, die Nazi-Diktatur war eine Bereicherung der oberen und obersten Führung. 

Ein bezeichnendes Merkmal aller Diktaturen!


Cover des Buches Parvenüs und Profiteure (ISBN: 9783100048127)
Sokratess avatar

Rezension zu "Parvenüs und Profiteure" von Frank Bajohr

Sokrates
Rezension zu "Parvenüs und Profiteure" von Frank Bajohr

Das Buch gibt einen guten Überblick über ein brisantes Thema: äußerlich gebärdete sich das NS-Regime mit besonderer Rechtschaffenheit. So war erklärtes Ziel, die ‚Bonzenwirtschaft‘ der Weimarer Republik abschaffen zu wollen. Tatsächlich übertraf man jedoch die Weimarer Zustände haushoch und in perfider Art und Weise. Bajohr schafft ein erschreckendes Bild: nicht nur, dass sich die Nazis an dem von ihnen konfiszierten fremden – meist jüdischen – Eigentum nach Strich und Faden bedienten, nein, sie häuften überdies auf Staatskosten massenweise Besitz und Geld an. Steuerstraftaten wurden nur schlecht bis gar nicht geahndet. Materieller Besitz wurde auf Staatskosten erworben, ausgebaut und wirtschaftlich – einschließlich Personal – unterhalten. Gehälter bewegten sich jenseits der Grenze des verhältnismäßigen. Nach Außen jedoch wurde der Schein des Normalen, des „Anständigen“ gewahrt. Das Buch erschrickt, befremdet, irritiert.

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