Googelt man den Titel, entdeckt man in der Umgebung der Verlagsmitteilung drei mittlere Ebenen. 1. “In einer Anwendung mit drei Ebenen enthält die mittlere Ebene die Logik zum Verwalten der Interaktion zwischen der Präsentationsebene und der Datenebene. In der mittleren Ebene wenden Sie ... Validierungsüberprüfungen an. ... In einer Personalanwendung können Sie eine Benutzeroberfläche bereitstellen, die es Mitarbeitern ermöglicht, einen Urlaubsantrag zu senden, Sie müssen jedoch sicherstellen, dass die Urlaubsbilanz eines Mitarbeiters nie kleiner als Null ist.” 2. “Von einer einheitlichen, alle Ebenen überspannenden Neurobiologie des Geistes sind wir ... weit entfernt. Die Kluft zwischen den zellphysiologischen Prozessen auf der einen Seite und der globalen funktionellen Architektur des Gehirns auf der anderen stellt eine große Herausforderung für die Zukunft dar. Neue, viel versprechende Methoden müssen uns den faszinierenden Kosmos auf dieser “mittleren Ebene” erst noch erschließen.” 3. “Das mittlere Management ist in einer “Sandwich-Position” und verbindet auf der mittleren Organisationsebene strategische Spitzenentscheidungen mit ausweichenden Darstellungen von Führung.”
Das passt total zu Jakubziks Nachrichten aus den Unterwelten globaler Angreifer. Die Geschichten verdichten sich zu einem fortlaufenden Text. Im ersten Durchgang nimmt eine Führungskraft Gestalt an. Schiffner-Sender, Deutschland-Chef des IT-Fossils McWorthy, erscheint unverbraucht und kaum abgeschliffen. Mit den aufrauenden Akzentuierungen einer durchschnittlichen Eliteausstattung zog er an der Konkurrenz vorbei. Ein resümierendes Ich erkennt: Nach oben gelangt nur, wer frei dreht und sich selbst nicht (vor) führen lässt.
Ob das stimmt? Der Erzähler verfolgt den nachhinkenden Ingenieur Kessler, der in lauter Abwägungen (der eigenen Chancen bei McWorthy) Schiffner-Sender zur Sprache bringt. Kessler verweigert sich jedenfalls den Tamtam-Akquisen und dem “idiotenbasierten” Intuitionsboogiewoogie. Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen. Im “blanken Rausch der Nüchternheit” will Kessler kalt wie ein Stern sein.
Bereits in dieser frühen Homo-faber-Studie gibt sich ein Motiv zu erkennen, dem der Band Beispiele liefert. Jakubzik reizt ein Spiel mit Abbildern. Eine flachgetretene Ikonografie in Kalenderblattklischeemanier entzieht dem Fluid einer Autofahrt, die ein Erfolgreicher (Kessler) im Kapitalismus als sinnstiftende Belohnung erlebt, vitale Dimensionen.
Bald dreht sich das Geschehen direkt um Schiffner-Sender, für das waltende Ich “der (jederzeit abrufbare) Gott meines gegenwärtigen Universums”. Der Erzähler möchte mit Gott Schlitten fahren. Ihn vor einer Kamera lenken zu dürfen, reicht für einen Rausch. “Das Machtgefühl in mir ist so stark ... daß ich momentweise meine, die ganze Welt zu dirigieren.” Zugleich kackt die Angst mit, aus der Position eines preferred suppliers gekegelt zu werden, weil die Anmaßung durch die Subalternendunstabzugshaube nicht einfach verschwindet. Hinter der Anordnung scheint sehr schön skizziert die Frankfurter Skyline im Zentrum einer Wohlstandssteppe (der Rheinmainebene) auf.
Viele Vorgänge wirken so flach wie ihre Images. Zugleich vernimmt man das Rülpsen und Schmatzen und den Verdauungslärm des Kapitalismus, der ungestört die Realität frisst.
Dem diffundierenden Ich fallen die kernigen Kinnzentralen von Taxifahrern auf. Es setzt das Virilitätssignal in ein ordnendes Verhältnis zum Status; so als fletzten sich da ein paar Neandertaler oder anders fundamentalistisch Abgehängte am Saum der mütterlichen Normalität, die für sie nichts übrig hat außer Kennzeichen der Deklassierung. Der Erzähler bestimmt die Koordinaten der gesellschaftlichen Mittellage, er rückt die Plattform in Uterusnähe. Jacketts werfen “nachdenkliche Falten. Ein Lächeln “zahnt”. In “wetterleuchtenden” Angestelltenkörpern arbeitet aggressiv und ängstlich der Wunsch, aus der Arbeitsanspannung heraus zu kommen. Die Entriegelung muss von einem Gremium genehmigt werden, dem Scham als eine andere Schiffner-Sender vorsteht. Jeder Analverkehr wird zum Meeting hochgejazzt. Wer nicht immer im Dienst ist, kann gleich ganz zuhause bleiben.
Frank Jakubzik
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
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In der mittleren Ebene
Neue Rezensionen zu Frank Jakubzik
Daniel Miller, Ethnologe, hat sich im Rahmen einer Feldstudie, die er auf Trinidad durchführte, mit dem Phänomen 'Facebook' auseinandergesetzt. Ziel war es, die altbekannten Vorwürfe gegenüber Facebook sowie seine positiven Zuschreibungen auf ihre Wirksamkeit hin zu untersuchen. Was Miller indes feststellen musste, war gemischt: zwar unterstreicht er die Behauptung, dass Facebook die soziale Interaktion erleichtert, relevanter sozialer Kontakt bleibt indes nur für maximale 15 Personen (durchschnittlich) möglich - die stereotypen '100 Freunde' bleiben damit Verlinkungen und sind keine realen Sozialkontakte. Damit widerspricht Miller auch der These, wonach Facebook die informelle globale Vernetzung verbessern/steigern würde. Zwar wäre man theoretisch 'in' Facebook global vernetzt, aber das ist man de facto auch ohne Facebook dank moderner Informationsmedien, Radio, Fernsehen und Wissensverbreitung über das I-Netz. Auch die Wirkmächtigkeit in Bezug auf basisdemokratische Anliegen zieht er in Zweifel. Die Kommunikation bleibt vielmehr "konservativ", nämlich weitgehend beschränkt auf Klatsch und Tratsch.
Wer neben der allgemein, mitunter sehr voreingenommenen Literatur mehr über Facebook aus wissenschaftlicher Perspektive erfahren möchte, dem sei diese Abhandlung empfohlen. Miller nennt eine Vielzahl soziologischer Studien, mit deren Thesen er arbeitet und welche er in seine Argumentation einbezieht. Sein Fazit ist gemischt: Er sieht zweifellos positive Aspekte bei Facebook, widmet sich jedoch kritisch-dämpfend auch den negativen Aspekten und fordert mehr Nachdenklichkeit, denn im Netz neigt viel, schnell ein "Hype" zu werden und damit die eigene Wichtigkeit völlig zu übersteigern.
Daniel Miller und seine Kollegin Fiona Parrott trauen ihren Augen nicht: George, alleinstehend und 76 Jahre alt, bewohnt seit einem Jahr ein Reihenhaus, das abgesehen von den notwendigsten Möbeln und ein paar Teppichen absolut leer ist. Kein Bild, kein Foto, kein bisschen Dekoration – kein Hinweis auf den Menschen, der hier lebt. Wie ist es möglich, dass ein Engländer in diesem Alter rein gar nichts Persönliches besitzt? Der Blick des Anthropologen Miller irrt suchend umher, aber nichts weckt seine Aufmerksamkeit, nichts sein Interesse. „Man empfindet einen Mangel an Form, Respekt und Integrität“, schreibt er in seinem Buch „Der Trost der Dinge“, in dem die Geschichte von George eine von 15 ist. Miller und seine Kollegin besuchten vor ein paar Jahren 100 Haushalte in einer gewöhnlichen Wohnstraße im Süden Londons, um herauszufinden, wie sich die Persönlichkeit und die Lebensverhältnisse von Menschen in den Dingen widerspiegeln, mit denen sie sich innerhalb der eigenen vier Wände umgeben. Und welche Bedeutung die Dinge für die Beziehung der Menschen zu sich selbst und zu anderen Menschen haben. Indem die Wissenschaftler die Bewohner nur nach den Gegenständen fragten und direkte Fragen nach ihrem Privatleben vermieden, bekamen sie meist ungezwungene Antworten, die sie wiederum in Bezug zu ihren eigenen Eindrücken von den Dingen und von ihrem Gegenüber setzten. So entstanden unvergessliche Bilder von ganz unterschiedlichen Mikrokosmen; und feine, teilweise sehr berührende Porträts von Menschen, die manchmal eine sehr ungewöhnliche Beziehung zu bestimmten Dingen oder, wie George, generell Materiellem gegenüber haben.
Daniel Miller lehrt Ethnologie am University College in London und hat schon das Einkaufsverhalten von Hausfrauen im Supermarkt, die Handynutzung in der Karibik und die Bedeutung des Weihnachtsfests in nichtchristlichen Gesellschaften untersucht. Bevor er für diese Studie die typisch englischen Reihenhäuser betrat, wusste er nicht, was ihn erwarten würde. „Ich erwartete nur, auf die Kümmernisse des Lebens und den Trost der Dinge zu treffen.“
Die meisten Menschen in diesem Buch haben Dinge, die sie trösten, die sie mit anderen Menschen verbinden oder eine Entwicklung oder einen Traum symbolisieren: Für Marina stehen die Happy-Meal-Figuren von McDonald's, die sie sammelt, für Auflehnung und Abgrenzung gegen ihre Eltern und glückliche Stunden mit ihren Kindern. Die Hippie-Frau Di tankt nach der Arbeit Energie in ihrer Wohnung voller bunter Dinge aus der ganzen Welt. Für Malcolm, der mal in England, mal in Australien arbeitet, ist sein Laptop sein Zuhause. Anna bestellt für ihren Sohn, der noch viel zu klein dafür ist, jede Menge Spielzeug, das sie selbst als Kind nicht bekam. Nur George lebt völlig isoliert. Abgesehen von einer Cousine hat er keine sozialen Kontakte und eben auch keine Gegenstände, die ihn mit seiner Vergangenheit oder mit der Außenwelt verbinden. Er weiß sehr wohl, wie es in normal eingerichteten Wohnungen aussieht, aber George hat nie gelernt, etwas selbst in die Hand zu nehmen. Seine Eltern hatten seine Selbständigkeit unterbunden, später lebte er immer Wohnheimen. Er weiß, dass er sein Leben verpasst hat. Miller lässt die Trostlosigkeit dieses Lebens und die innere Leere dieses alten Mannes aus jedem Stück weißer Wand sprechen.
Doch es ist Weihnachtszeit und natürlich gibt es auch in jener Londoner Straße nicht nur Leere, sondern auch Fülle. Ein paar Häuser weiter haben Mr. und Mrs. Clarke ihr Haus so üppig, aufwändig und fantasievoll geschmückt, wie Miller es noch nie gesehen hat. Die Clarkes kultivieren seit Jahrzehnten ihre Leidenschaft für das Weihnachtsfest mit einer immer ausgefeilteren Weihnachtsdekoration und einem Festmahl für ihre große Familie. Auch Geschenke sind für sie ein Zeichen der Liebe und Anerkennung, die sie jedem gleichmäßig zukommen lassen möchten. Auch in Mr. Clarkes Sammlungen – von Weihnachtsdekoration, über Briefmarken und Uhren bis zu Oldtimern – entdeckt der Anthropologe Miller eine große Wertschätzung für die Dinge und einen ausgeprägten Sinn für Beständigkeit und Tradition.
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