Cover des Buches Sie Kamen Bis Konstantinopel (ISBN: 9783805340816)
Rezension zu Sie Kamen Bis Konstantinopel von Frank S. Becker

Rezension zu "Sie Kamen Bis Konstantinopel" von Frank S. Becker

von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 14 Jahren

Rezension

Ein LovelyBooks-Nutzervor 14 Jahren
Konstantinopel im Jahr 674. Eine übermächtige Flotte belagert die byzantinische Hauptstadt, die nicht bereit ist, sich dem Feind zu ergeben. Auf einem der Schiffe befindet sich Daud, Kommandant des Kalifen Muawiya. Ihn treibt nicht nur der Wunsch, die Stadt der Ungläubigen zu stürzen, sondern auch ein persönlicher Rachefeldzug gegen die dort lebende und ihm verhasste Pelagia, die er als Verräterin ansieht. Pelagia, die in Karthago als Tochter eines reichen Kaufmanns geboren wurde und die es später in die Sklaverei verschlug, lebt nun als freie Frau in der Stadt. Sie hütet ein Geheimnis, das die Flotte des Kalifen in arge Bedrängnis bringen kann. So beginnt Frank S. Beckers Roman bzw. so endet er, denn der Prolog könnte auch als Epilog angesehen werden. Die Ereignisse, die der Belagerung vorweg gingen, erzählt der Autor von diesem Zeitpunkt an in Rückblicken: Die Geschichte des Mönches Padraich, der von Irland auszieht, um den Menschen das Christentum zu bringen, die Geschichte von Daud, der vom einfachen Jungen zum Kommandanten des Kalifen aufsteigt und von Pelagia, die als Tochter eines zunächst wohlhabenden Händlers durch verschiedenste Ereignisse erst aufsteigt um dann in Armut und Sklaverei zu geraten. Jedem dieser Protagonisten widmet der Autor einen eigenen Teil des Buches, um alle drei Schicksale schließlich im letzten Abschnitt zusammen zu führen. Padraichs Lebensgeschichte nimmt einen großen Teil des Buches ein. Der Leser begleitet ihn von seiner Kindheit, über seine Jugend bis hin zum Erwachsenenalter, pilgert mit ihm über die Alpen nach Rom. Ich fand diesen Teil des Buches zu lang. Um die Figur des Padraich verstehen zu können, hätte es nicht so ausführlicher Schilderungen bedurft. Kurz hingegen fällt der Abschnitt um die Entwicklung des Jungen Daud aus. Über seinen Werdegang erfährt man nicht viel, weil hier nur ein kurzer Abschnitt seines Lebens geschildert wird und so kann man im Verlaufe der weiteren Geschichte nur ahnen, wie aus dem lernbegierigen und korantreuen Jungen im späteren Leben ein fanatischer Islamist wird. Der Schwerpunkt des Buches aber liegt auf der Schilderung und dem Schicksalsweg von Pelagia, die vom behüteten Elternhaus ins rauhe Leben gestoßen wird, wo ihr zunächst das vermeintliche Glück winkt, das sich aber nur von kurzer Dauer herausstellt, deren weiterer Lebensweg in Armut und später in die Sklaverei führt. Hier finden die ersten Fäden zusammen, denn sie begegnet Daud, der sie zunächst auf Händen trägt, später jedoch fallen lässt. Sie flieht nach Konstantinopel und dort trifft sie auch Padraich wieder. Hier finden die nächsten Fäden zusammen. Dieser letzte Abschnitt hat mir auch am besten Gefallen, denn hier kam endlich Tempo in die Geschichte, der Konflikt zwischen dem vordrängenden Islam und dem an alten Traditionen festhaltenden Kaiserreich ist auf jeder Seite dieses Abschnittes spürbar. Es ist eine unruhige, im Aufbruch befindliche Zeit, die von Farbenpracht und Leben auf der einen und beständigem Zerfall und Resignation auf der anderen Seite geprägt ist. Vom historischen Aspekt aus betrachtet ist das Buch eine echte Perle. Man merkt ihm deutlich an, dass der Autor die Zeit, über die er schreibt, wirklich kennt und hier mit viel Liebe zum Detail den Übergang von der Spätantike zum Mittelalter in allen Facetten plastisch und lebendig präsentiert. Während mir der Autor das Lebensgefühl und die Ansichten der damaligen Zeit wirklich nahe gebracht hat, hatte ich mit den Protagonisten meine Probleme. Den Wandel Dauds konnte ich nicht nachvollziehen, auch Padraich blieb mir mit seinem Verhalten fremd. Einzig Pelagia wies für mich eine gewisse Tiefe auf, die durch ihre Schicksalsschläge noch verstärkt wurde. Dafür gibt es als "Entschädigung" wunderbare Nebenfiguren wie den unbedarften und immer fröhlichen Urso, der mich so manches Mal zum Schmunzeln gebracht hat. Beim Lesen entsteht oft eine Distanz zu den Protagonisten, die vielleicht auch dem Schreibstil des Autors geschuldet ist. In manchen Situationen verwendet Frank Becker oft nicht den Namen der jeweiligen Figur, sondern statt dessen Bezeichnungen wie: "Die Frau" oder "Der Mann". Das irritiert und hat zur Folge, dass man das Geschehen dann wie aus weiter Ferne betrachtet. Als würde sich etwas Fremdes zwischen Leser und Protagonist schieben. Auf den letzten zwei Seiten sorgt der Autor dann noch für eine kleine Überraschung in Sachen Pelagia, mit der ich so nicht gerechnet habe und die mich etwas unzufrieden zurückgelassen hat. Wer sich für die Ereignisse um die Belagerung von Konstantinopel, das Vorrücken des Islam und generell für die Zeit zwischen Spätantike und frühem Mittelalter interessiert, der ist mit Frank S. Beckers Roman aber hervorragend bedient
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