Der scharlachrote Buchstabe (1850 erschienen) gilt als grosser Roman der Weltliteratur. Er ist zwar weniger bekannt als Anna Karenina oder Effi Briest, nähert sich den Themen Ehebruch, Schuld und Rache aber auf weitaus eindringlichere Weise. Ein grandioses Werk mit einer starken, faszinierenden Frauenfigur. Raffiniert, spannend und dicht.
Im puritanischen Milieu Neu-Englands um 1650 herum wird Hester Prynne schwanger, während ihr Ehemann als verschollen gilt. Den Namen des Kindsvaters verschweigt sie hartnäckig. Sie muss bis zur Geburt des Kindes ins Gefängnis und lebenslänglich ein rotes A (wohl für adultery) an ihrer Kleidung anbringen. Als ihr Ehemann wieder auftaucht, nimmt ein psychologisches Rachespiel seinen Lauf, das tief in die Abgründe menschlicher Gefühle und Triebe blicken lässt.
Dieser Roman hat mich sehr gefesselt und begeistert! Was für Charakterstudien, was für eine Sprache! Und immer diese starke, stolze Hester Prynne.
Hawthorne soll „Der scharlachrote Buchstabe“ in lediglich vier Monaten geschrieben haben, fast ohne nachträgliche Korrekturen. Ich bin tief beeindruckt! Unbedingte Leseempfehlung! Und: wer nur den Film mit Demi Moore kennt, hat keine Ahnung von der tatsächlichen Geschichte der Esther Prynne.
„Die junge Frau war hochgewachsen und besaß eine Gestalt von vollkommener Eleganz im großen Maßstabe. Sie hatte dunkles, üppiges Haar von solchem Glanze, daß es den Sonnenschein schimmernd zurückwarf, und ein Gesicht, das, nicht bloß durch regelmäßige Züge und warme Farbe schön, auch noch den eindrucksvollen Charakter besaß, welchen eine wohlgeformte Stirn und tiefschwarze Augen verleihen. Überdies sah sie vornehm aus, wie man bei den Frauen jener Zeit die Vornehmheit verstand, das heißt, sie besaß mehr eine gewisse Stattlichkeit und Würde als die zarte, vergängliche und unbeschreibliche Grazie, welche heutzutage als ihre Zeichen gelten. Und nie hatte Esther Prynne vornehmer in diesem alten Sinne des Ausdrucks ausgesehen, als da sie aus dem Gefängnisse trat.“