Passend zum 70ten Geburtstag von Georg Danzer (wenn er nicht schon gestorben wäre) wurden bisher unveröffentlichte Texte des Liederaten – so bezeichnete er sich stets selbst – in einer sehr guten Sammlung zusammengestellt. Oft bin ich ja skeptisch, wenn Künstler gleich welcher Art in verwandte Genres eintauchen und damit ihren Job quasi diversifizieren, denn nicht jeder ist in einer verwandten Arbeit gleich gut wie in seinem Hauptjob, aber gerade Liedermacher, die Ihre Texte selbst schreiben, haben es offensichtlich wirklich auch in der Literatur drauf, wie man auch letzte Woche bei Bob Dylan bemerken durfte, denn die Lyrik der Musik hat weit mehr mit dem Jobprofil des Schriftstellers zu tun, als es landläufig angenommen wird.
In dieser Geschichtensammlung gibt es sehr wenig Liedertexte, sondern mehr Kurzgeschichten, und obwohl ich gar nicht so ein Fan von Kurzgeschichten bin, war ich diesmal begeistert.
Ein wichtiger Teil dieses Buchs ist Danzers Beschreibung seines Musikerlebens, die nicht nur sehr anschaulich unter anderem die Achterbahn der Gefühle nach einem Konzert und auf Tournee thematisiert, sondern auch sprachlich sehr eloquent und mit gemeinem Wortwitz daherkommt. Diese Geschichte hätte ich mir übrigens in Danzers Biografie gewünscht, die vor ein paar Jahren herausgekommen ist.
"Es war die Zeit, in der wir alle von «Swinging London» träumten, wir, die wir im nicht swinging Wien hockten, einer Stadt, die damals mit dem Hintern auf dem Boden herumrutschte wie eine fette Dickmamsell, der etwas unerhört peinlich ist. Wir, die wir Musik machen wollten und denen man in ihrer Kindheit mit Heinz Conrads die seelischen Geschmacksnerven verätzt hatte.
[…] Und alle sind so unheimlich alternativ. Manche sind so alternativ, dass sie Musik, in der ein Schlagzeug verwendet wird, sofort als Discomusik abtun.
[…] Das Antisystem gehorcht engeren Normen als das sogenannte System, gegen das es kämpft."
Aber Georg Danzer kann nicht nur narzisstisch über sich selbst schreiben, es gibt auch andere gnadenlos zynische Geschichten, z.B. jene über die Familie, die in den 80ern einen Atombunker baute und trotzdem verreckte.
"Man hätte beim Bau doch vielleicht ein wenig tiefer graben sollen. Ein paar Bücher an der Wand: die Bibel, Mein Kampf (nur damit die Kinder einmal wissen, was es für Furchtbarkeiten auf der Welt gegeben hat)
[…] Alles umasunst, leider leider… Der dritte Weltkrieg war doch etwas heftiger, als man sich das so vorgestellt hat. "
Hier thematisiert er wundervoll die Angst einer ganzen Generation vor dem ulitmativen Fallout, und versteckt durch den gemeinen Zynismus des total grotesken Überlebenskampfes mehr als ein Fünkchen Galgenhumor in der Story.
Lediglich wenn Danzer existenzialistisch philosophisch mit einzelnen Wortschöpfungen und lyrischer Sprache gleich einem Lied herumspielt, wird es mir manchmal persönlich ein bisschen zu viel, aber das ist erstens Jammern auf hohem Niveau und wird zweitens einige von Euch sicher sehr begeistern.
Fazit: Super Sammlung von meist unbekannten Texten, ein Lob auch an den Herausgeber für die ausgewogene Zusammenstellung in diesem Buch. Kaum Liedertexte sondern richtig gute Geschichten aus der Feder von Danzer.
Franz Christian Schwarz
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
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Georg Danzer ist ein sehr berühmter Liederat und seine witzigen, intelligenten, teilweise schlüpfrigen, manchmal auch tiefsinnigen Lieder haben das Gefühl von mindestens drei Generationen Österreichern punktgenau ausgedrückt. Er ist der Inbegriff des Wienerischen. Bekannt sind vor allem der „Nackerte im Hawelka (Jö Schau)“, die „Ballade vom versteckten Tschurifetzn“ oder die austriachische Hymne der verlassenen Männer „Schau Schatzi Schau“
sie wer’n jetzt frag’n: was is a tschurifetzen?
also, ohne ihr gefühl zu verletzen
des is a tüachl, bitte sehr
was ma nimmt nach dem geschlechtsverkehr
ma sollt’ es also nicht benutzen
zum schuhe- oder fensterputzen
ma hat’s halt liegen – griffbereit
unterm bett, ist`s wieder an der zeit
Was erwarte ich mir also nun von einer Biografie, in der der erste Teil sogar vom Sänger selbst geschrieben wurde? Naja auf jeden Fall seinen künstlerischen Werdegang – wie wurde aus dem Schurli vom Gürtel Der Danzer, alle Gschichtln und Anekdoten rund um die witzigen Lieder, vor allem wie sie entstanden sind und welche Skandale sie verursacht haben, wie seine Zeit in Deutschland war, wie sein Comback mit Austria 3 vonstatten ging…. Leider befriedigt dieses Buch so gar nicht meine Ansprüche.
Der erste Teil ist größtenteils Danzers sehr persönliche Kindheitsgeschichte, die ich und tausend andere übrigens auch genauso erlebt haben – gut aber nix Besonderes: z.B. Leben in der Stadt, die Eltern, der Gürtel in Wien, die Sommerfrische in der Steiermark, der erste Rausch am Faakersee im Urlaub… Ab der Entdeckung des Cafe Hawelka wird es zwar spannend, seine musikalische und berufliche Entwicklung bleibt aber trotzdem völlig ausgespart – Danzer schreibt nach einem riesigen Zeitsprung wieder nur über Persönliches wie den Selbstmord seines Vaters.
Das wäre nun gar keine Katastrophe und würde sogar zusätzlich rein private Eindrücke des Künstlers vermitteln, wenn der restliche Teil als saubere Biografie die künstlerische Entwicklung thematisieren und die restlichen Antworten liefern würde. Tut er aber nicht. Im zweiten Teil wird es richtig gruselig. Franz Christian Schwarz und Andy Zahradnik, interviewen Weggefährten aus der Musikindustrie, die ein Bild von Danzer abgeben sollten. Zuerst wird der urwichtige (Produzent, Musiker, Konzertveranstalter, Plattenstudiobesitzer…) mit all seinen Erfolgen ausführlich von den Autoren vorgestellt, wobei sich die Interviewten anschließend dann auch noch seitenweise und überschwänglich mit ihren Leistungen selbst beweihräuchern. Wen interessiert übrigens in einer Danzer Bio wie viele Goldene Schallplatten irgendein Produzent aus dem Musikbusiness erhalten hat und wer Musiker wie den Gary Lux entdeckt hat? Was tut dies alles in einem Danzer Buch, wenn dem Leser diese Infos über den Georg schmählich vorenthalten werden? Das ist wirklich nur mehr peinlich! Wenn dann nach unsäglich seitenweise langen Einführungen die Rede auf den Georg kommt, werden so lapidare Sachen wie „ich habe ihm ein Curry gekocht“, oder „ich habe mal mit ihm gespielt, aber befreundet waren wir nicht“ dahergeschwafelt. Lediglich die wirklich Großen wie der Ambros, der Fendrich und der Bär, die so ein Verhalten offensichtlich nicht notwendig haben, liefern ein paar Schnipsel seiner künstlerischen Persönlichkeit und Entwicklung, die meine Eingangsfragen rudimentär beantworten. Alle Interviewten erzählen aber dann unisono, wo sie waren bzw. was sie gefühlt haben, als sie die Nachricht vom Tode Danzers erreicht hat. Hallo! Ich will wissen wie er gelebt hat und nicht wie er gestorben ist bzw. wie Euch die Nachricht von seinem Tod erschüttert hat. Was für eine wehleidige narzisstische Selbstinszenierung! Schämt Euch österreichische Musikindustrie!
Fazit: Ein an sich gar nicht schlechtes Gesamtkonzept, dass an der aufgeblasenen Eitelkeit und der Larmoyanz der österreichischen traditionellen Musikschaffenden episch gescheitert ist.
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