Rezension

Sikals avatar
Sikalvor 11 Jahren

Franz-Ferdinand von Österreich-Este, seines Zeichens künftiger Thronfolger der Habsburg-Monarchie, begab sich 1892 auf große Reise. Vor Übernahme der Regierungstätigkeiten in der Heimat wollte er noch einmal versteckte Plätzchen unseres Planeten erkunden. Es kam nie zur Regentschaft FFs, wurde er doch 1914 in Sarajewo ermordet – dieses Ereignis löste den 1. Weltkrieg aus.

Während dieser Reise füllte er unendliche Seiten seiner Reisetagebücher. Frank Gerbert wählte nun aus dieser Exklusivfassung eine beschauliche Menge an Berichten aus, beließ die Schreibweise sowie Grammatik im ursprünglichen Stil und schmückte das Werk noch mit Fotos und eigenen Kommentaren.

Der Leser darf nun mit FF auf eine Reise in eine andere Welt, zu einer anderen Zeit. Diese führt quer durch Asien, Australien bis hin nach Nordamerika und beschert uns Einblicke in die Lebensgewohnheiten der Eingeborenen ebenso wie in kulturelle Brauchtümer, die uns sehr anschaulich geschildert werden.
Immer wieder in den Vordergrund dringt seine Jagdleidenschaft, die er während dieser Reise voll und ganz auslebt, wobei er nicht davor zurückschreckt, mit seiner Gefolgschaft aus dem fahrenden Zug auf alles zu ballern, das sich bewegt.
So erbeutet FF mit seiner Mannschaft nicht nur Tiger, Elefanten, Koalas oder Kängurus, sondern er bringt auch diversen Schmuck, Menschenfleisch-Kochtöpfe oder etliche lebende Exemplare, wie z.B. Papageien mit in die Heimat. Dass für unser heutiges Verständnis, dieses Verhalten als höchst bedenklich eingestuft wird, ist unumgänglich. Doch sollte man nicht außer Acht lassen, dass das Werteverhalten im 19. Jahrhundert noch anders gepolt war.

Seiner oftmals zynischen und abwertenden Beschreibung über die Einwohner dieser Länder, steht ein anbetender, poetischer Bericht der Landschaften und Kulturgüter gegenüber. Durch die bildhafte Sprache fühlt man sich hineinversetzt in eine Welt, die den meisten von uns wohl verborgen bleibt. Zwischendurch dringt eine wunderbare Heimatverbundenheit durch, ein Patriotismus, der seinesgleichen sucht, sind doch die Sitten und Gebräuche in Österreich das einzig Wahre…

Wie immer man zu diesen „Beutezügen“ stehen mag, eines steht mit Sicherheit fest: Hätte es diese Menschen nicht gegeben, die naturhistorischen und völkerkundlichen Museen würden heute anders aussehen – ziemlich leer. Wir würden vielen unserer Erkenntnisse noch nachlaufen, oder manche Erfahrungen wären gar nicht mehr möglich. So haben die Erkundungen von FF auch ihren Nutzen gebracht – bei allen ethischen Bedenken, die wir heute solchen Expeditionen entgegenbringen…

Fazit: Ein spannendes Werk, das jeden einzelnen Leser mit auf eine fantastische Reise nimmt – und man lässt sich gerne entführen. Alle, die sich auf einen kurzen geschichtlichen Exkurs, gespickt mit den Macken eines jungen, neugierigen Thronfolgers einlassen können, sei dieses Buch ans Herz gelegt – so genießt man viele Momente mit Freude, die einem so manches Schmunzeln entlocken, während man über so manch andere Szene nur den Kopf schütteln kann.

Angehängte Bücher und Autor*innen einblenden (1)

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks