Rezension zu "Brief an Deutschland" von Franz Josef Wagner
Franz-Josef Wagner, Brief an Deutschland, Diederichs 2010, 158 Seiten, ISBN 978-3-424-35041-8
Er ist der vielleicht meist gelesene Autor in Deutschland und vielleicht auch der am meisten angegriffene, verleumdete und verlachte. Die Rede ist von Franz Josef Wagner, der mit seiner Kolumne „Post von Wagner“ in der BILD-Zeitung täglich Millionen von Lesern erreicht. Er hat schon an alle Berühmten und Mächtigen dieser Welt geschrieben und ihnen seine Meinung gesagt, sie gelobt, kritisiert, ermutigt.
Er wagt es aber auch, Dingen und Phänomenen Briefe zu schreiben wie dem Wetter etwa. Das liest sich nicht selten trivial, und die meisten seiner Texte sind auch von einer großen sprachlichen Einfachheit. Etwas, was das klassische Feuilleton von vornherein verachtet. Und unterschätzt. Denn durch ihre sprachliche Einfachheit und Kürze können Franz-Josef Wagners Kolumnen, die oft den Charakter der Kommentarseiten der großen Tages- und Wochenzeitungen haben, von Millionen Menschen gelesen und verstanden werden, die eine solche dicke Tages- oder Wochenzeitung nie in die Hand nehmen, geschweige denn für mehr als drei oder vier Euro kaufen würden.
Sein Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung, aber auch zu Werten, Regeln und Normen, die Wagner immer wieder hochhält und propagiert, sollte nicht unterschätzt werden.
Hier legt er nun in einem Verlag, der für viele philosophische und literarische Themen bekannt ist, einen „Brief an Deutschland“ vor, in dem er sein Leben erzählt. In seinem nunmehr siebzigjährigen Leben spiegelt sich die ganze Geschichte Deutschlands in dieser Zeit. Das Buch hat große Stärken, etwa wenn Wagner sehr bewegend seine Kindheit erzählt, aber auch viel Oberflächliches, dem man abspürt, dass er das Buch wohl geschrieben hat wie seine Kolumnen auch.
Dennoch: sein Impetus ist beeindruckend. Er will seinen deutschen Mitbürgern, Deutschland eben, Mut machen, zu sich zu stehen, stolz zu sein auf das Geleistete und Erreichte.
Man hat diesen Boulevardjournalisten viel zu lange ungerechterweise unterschätzt. Nach diesem Buch geht das nicht mehr.