Franz Pettinger

 4 Sterne bei 1 Bewertungen
Autor*in von Hörg.

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Cover des Buches Hörg (ISBN: 9783935719094)

Hörg

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Erschienen am 01.05.2002

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Cover des Buches Hörg (ISBN: 9783935719094)
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Rezension zu "Hörg" von Franz Pettinger

Ein seltenes Beispiel für Heimat-Horror
glasratzvor 4 Jahren

Ich bin schon lange der Ansicht, dass sich viele der bayerischen Spukgestalten von der Specht über die Drud bis hin zu den verschiedenen Auslegungen der Hee- oder Hoimänner vorzüglich für Horrorgeschichten eignen würden. Mit diesem Buch wurde einmal ein sehr lobenswerter Versuch unternommen. Leider gelang er nur teilweise.

Die Geschichte spielt vermutlich im späten 19. Jahrhundert im bayerischen Wald in einem Dorf mit seltsamerweise oberbayerischem Namen. Die geographische Lage ist nicht genau erfassbar: Zwar erwähnt der Autor verschiedene nahegelegene Ortschaften, ich kann aber sagen, da ich einige davon gut kenne, dass ihre Position zueinander nicht im geringsten stimmt. In Niederkandelbach gibt es beispielsweise weder Kirche noch Glockenturm.
Ein regenloser Sommer plagt den Ort und gleichzeitig gehen seltsame Dinge vor. Menschen werden terrorisiert und auf merkwürdige Arten angegriffen. Vieh wird gequält, Hunde und Hühner getötet. Eine große, grob wirkende Gestalt, die keinen Ton spricht zieht nachts durch die Wälder. Bedrängt von einem unsichtbaren Feind spannt sich die Stimmung im Ort bis zum zerreißen. Eine Atmosphärisch dichte Verwebung von Sagenelementen aus Niederbayern und der Oberpfalz.

Der Schreibstil ist einfach und wirkt durch die Abfassung im Präsens, die kurzen Sätze und häufigen Wiederholungen fast archaisch. Dies kann durchaus gewollt sein und passt sehr gut in die Gesamtstimmung des Buches. Bei den Charakteren handelt es sich fast ausschließlich um sehr einfache Menschen, deren Gedankengänge auf diese Weise sehr stimmungsvoll hervorgehoben werden. Auch schafft es der Autor durch seine naive Art die Grenzen zwischen Fantasie und Wirklichkeit so weit aufzulösen, dass dem Leser ebenso wie den Personen im Buch nicht genau klar ist, was wirklich geschieht und was nur Aberglaube ist. Dieses Verschwimmen wird bis zum Ende durchgehalten, führt aber leider so zu einem enttäuschend ambivalenten Abschluss.
Insgesamt lebt das Buch hauptsächlich von seiner Stimmung und diese ist der Grund für meine positive Bewertung. Ich mochte das Buch einfach. Objektiver betrachtet lässt es an einigen Stellen doch sehr viel zu wünschen übrig. Das möchte ich natürlich auch nicht verschweigen. 


So hat der Autor in seinem eigentümlichen Schreibstil die schlechte Angewohnheit, am Ende eines Kapitels einen Erzählstrang komplett abzuschließen. Dies wäre kein Problem, wenn die einzelnen Plots nicht teilweise parallel verlaufen würden. Somit ist ein Handlungsstrang abgeschlossen und greift bereits auf eine Zeit vor, in welcher ein anderer gerade zu seinem Höhepunkt gelangt - oder meint man. Stattdessen wird im den folgenden Kapiteln diese Geschichte aber auch als abgeschlossen betrachtet, was zu dem Schluss führen könnte, sie verliefen nacheinander. Dies lässt der Zeitraum von wenigen Wochen während eines Sommers, in dem das Buch spielt aber nicht zu! Ein chronologisches Chaos.
Ein abstraktes, so nicht im Buch vorkommendes Beispiel: Eine Kampfszene in welcher ein Charakter schwer verwundet, gar verkrüppelt wird, endet. Nun setzt der Autor einen Nachsatz daran, dass sich der Charakter nach langer Pflege wieder einigermaßen erholte. Im nächsten Kapitel ist der Charakter dann wieder auf dem Damm und es ist immernoch der selbe Sommer.
So verzieht sich der gesamte zeitliche Ablauf des Buches

Des weiteren ist der Plot leider etwas ungeschickt gestrickt. Der Autor hat sich stark bei in vielen Variationen bekannten Volkserzählungen bedient, die aber naturgemäß die Eigenschaft haben sehr kurz und einfach zu sein. Hier hat es Pettinger leider versäumt die dadurch entstehenden Lücken mit verbindenden Elementen zu füllen. Über weite Teile wirkt das Buch daher episodenhaft und unzusammenhängend. Wie am Ende der Ursprung des Hörg erzählt wird, hat mich fast etwas verärgert: Das Buch arbeitet nicht darauf hin und die Szene hätte an jeder beliebigen Stelle eingesetzt werden können.

Insgesamt ergibt sich ein durchwachsenes Bild, aber ich bleibe dem Buch gegenüber positiv eingenommen. Zu selten ist es, einen solche fantastischen Roman aus dem - wenn auch weiteren - Kreis der Heimat zu haben. Und zu selten ist es auch, einigermaßen ordentlichen Horror zu haben.

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