Cover des Buches Die Nacht der Zugvögel (ISBN: 9783426281222)
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Rezension zu Die Nacht der Zugvögel von Franziska Fischer

Zugvögel auf der Suche nach einem Platz im Leben

von Corsicana vor 8 Jahren

Rezension

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Corsicanavor 8 Jahren
Ausgangspunkt dieses Buches ist eine kurze Begegnung in Berlin: Viola ist unterwegs in ihre Heimatstadt zur Beerdigung ihrer Schwester. Zufällig landet sie auf einer Party in der WG von Leo. Diese Begegnung ist für beide der zunächst unbemerkte Startpunkt, Veränderungen im Leben zuzulassen und sich zu öffnen für Andere und für das Leben. Beide leben in einer Art Starre, können und wollen sich nicht fest binden und leben fast noch so ungebunden wie Jugendliche, obwohl sie schon Ende zwanzig sind.

Leo ist der Typ ewiger Student, lebt vom Monatsscheck seines Vaters und verkriecht sich ansonsten in seinem Zimmer. Viola hat auf den ersten Blick schon mehr erreicht, sie hat ihr Studium abgeschlossen und arbeitet in London als Auslandskorrespondentin. Aber Viola trägt immer noch schwer am Verschwinden ihrer Zwillingsschwester vor vielen Jahren und hat damals fluchtartig ihre Heimat verlassen und im Ausland studiert. Nun wird sie sich gemeinsam mit ihren Eltern der Vergangenheit stellen müssen. Und auch Leo trägt Narben aus seiner Familiengeschichte mit sich herum und versucht zunächst, dem Kontakt mit seiner Familie zu entgehen.

Viola und Leo schreiben sich nach der kurzen Begegnung gegenseitig Briefe, die aber nicht beim Empfänger ankommen können. Denn Leo geht auf einen Roadtrip quer durch Deutschland mit seiner Mitbewohnerin, die auf der Suche nach ihrem verschwundenen Bruder ist und die Adresse von Viola hat Leo nicht. Sind die Briefe nur Hilfe auf dem Weg zu sich selbst oder werden die Briefe auch den Adressaten erreichen? Werden Viola und Leo sich wiedersehen? Dies sind die Fragen, die sich der Leser in diesem Buch sicherlich stellt.

Darüber hinaus erzählt das Buch von Geschwister-Beziehungen. Und davon, wie sehr Verletzungen und Geschehnisse in der Kindheit das eigene Leben beeinflussen können. Und wie es gelingen kann, den eigenen Platz im Leben zu finden - oder zu erkennen, dass es ihn schon gibt.

Das sehr Besondere an diesem Buch ist die Sprache, in der es geschrieben ist. Melancholisch, tiefgründig, poetisch. Es gibt viele Sprachbilder, viele schöne Beschreibungen von Landschaften und von Gefühlen. Natürlich gibt es auch gut beschriebene Handlung, z.B. Leos Roadtrip quer durch Deutschland, der irgendwann in seinem Elternhaus landet. Oder Violas Erfahrungen mit ehemaligen Mitschülern und deren heutiger Lebenswelt. Und die Protagonisten und Nebenfiguren werden gut beschrieben. Einiges bleibt jedoch im Unklaren und manche Dinge hätte man als Leser sicherlich gerne noch gewusst, so ein ganz klein wenig Unzufriedenheit könnte übrig bleiben nach der Lektüre, so ging es mir zumindest.

Aber die wunderschöne Sprache wiegt das für mich auf. Mich hat damals schon der Debüt- Roman der Autorin "Das Meer in dem ich Schwimmen lernte" nachhaltig beeindruckt und auch diesmal war ich wieder begeistert.

Ein sehr besonderes Buch - das ich bald in einem meiner Lesekreise empfehlen werde.
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