Rezension zu "Die Eroberung Amerikas" von Franzobel
Die Stärke des Romans liegt in der Kreativität des Autors und auch einen gewissen Mut, abstruse Plots und Pointen rauszuhauen. Die erste Hälfte bzw. erste zwei Drittel des Buches sind noch relativ unterhaltsam, die Vielzahl an Personen und Wechsel der Zeiten und Orte erfordern Konzentration beim Lesen, aber das ist ok.
Der Witz an dem Buch ist, dass die spanischen Eroberer, die grausam, ungewaschen und aus heutiger Sicht ungebildet sind, sich berufen fühlen, die "Wilden" in Westindien zu zivilisieren, zu missionieren oder auch umzubringen; und sich dabei für unglaublich fortschrittlich halten. Dann kommt es zu absurd-komischen Szenen, so werden nach Landung in Florida erstmal die Krokodile (nein, Alligatoren) exkommuniziert.
Sprachlich eine Mischung, die Charaktere reden teils in ihrem eigenen Slang, auch das passt gut. Es ist, auch sprachlich, keine historisch korrekte Darstellung, und deshalb gibt es keine, überhaupt keine Notwendigkeit, das N-Wort zu benutzen. Und das ist kein Ausrutscher, sondern eine Grundhaltung. Der Kolonialismus scheint auch in diesem Buch durch, die "Wilden", die "Indianer", die "N*", deren Ermordungen teils flapsig kommentiert werden. Ich muss dem Autor zu Gute halten, dass er in alle Richtungen austeilt, aber: während den spanischen Figuren in dem Roman noch Charaktereigenschaften zugeschrieben werden, sind die "Wilden" nichts anderes als unzivilisiert. Das gilt umso mehr für die weiblichen Figuren in dem Buch: es ist ja leider ein Klassiker, das insbesonders männliche Autoren häufig ihre weiblichen Romanfiguren reduzuiert auf ihre Äußerlichkeiten beschreiben und diese Figuren nur in Relation zu einem Mann relevant werden. Das ist in diesem Roman wirklich besonders extrem. Und wenn der Autor dann immer wieder von den gelenkigen, liebeskundigen Indianerfrauen schwadroniert, dann ekelt einen das nur noch an. Für mich endete der Roman vorzeitg im letzten Drittel in den Sümpfen Floridas, abgestoßen und angeekelt von den "Altherren" (nicht böse gemeint) - Phantasien des Autors.