Rezension zu "Die Frau, die Nein sagt" von Françoise Gilot
DIE FRAU, DIE NEIN SAGT in einem Bücherregal bei LovelyBooks entdeckt.
Ein hochwertiges Buch mit Schutzumschlag und Lesezeichenbändchen, kunstvoll gestaltet und mit zahlreichen Fotos bereichert, die neben den Worten Einblicke eröffnen. Das Cover zeigt Françoise Gilot, geboren 1921. Es vermittelt den Eindruck von Altern in Würde. Optisch und haptisch ist das Buch bereits unabhängig vom geschriebenen Inhalt ein Gewinn.
Malte Herwig erzählt das lange, erfüllte Leben einer Grande Dame der Kunstgeschichte. Der Autor hat sie mehrfach über einen Zeitraum von zwei Jahren in ihren Ateliers in New York und Paris besucht. Von diesen Treffen berichtet er und bettet Anekdotisches und Zitate aus einem autobiografischen Buch seiner Protagonistin (Françoise Gilot/Carlton Lake: Leben mit Picasso) ein. Beim Lesen erfährt man lebendigen Dialog.
Für mich bezieht das Buch seine Kraft aus einem Antagonismus: Der „berühmteste Maler des 20. Jahrhunderts“ wird mit seinem Genie, seiner Egozentrik und auch seinem Sexismus entblößt. Pablo Picasso ist permanent als eigentliche Hauptfigur anwesend. Streckenweise habe ich den Eindruck, dass die Protagonistin zur Heldin hochstilisiert wird. Sicher ein probates Mittel. Sie hat zehn Jahre mit dem Malerfürsten zusammengelebt und ihm zwei Kinder geboren. Dass sie sich danach anscheinend von ihm lösen und noch ein eigenständiges Leben als Künstlerin finden konnte, ist der eigentliche Kern der Geschichte. Dass wir uns darüber wundern, ist das eigentlich Verwunderliche daran.
Eine tiefgründige Recherche, wohlstrukturierte Aufbereitung auch der kunstfachlichen Zusammenhänge verbinden sich hier mit dem spürbaren Willen, die Sinnhaftigkeit des Tuns einem breiten Publikum nahezubringen.
Das gelingt Malte Herwig auch durch die Einteilung in „Lektionen“:
- „Es kommt nicht darauf an, wie die Dinge sind, sondern wie du sie nimmst.“
- „Du musst mit deinem inneren Selbst malen, dann malst du die Wahrheit.“
- „Auf einer Leinwand gewinnt das Licht erst seinen Glanz aus dem Kontrast zum Dunkel - warum sollte das im Leben anders sein?“
- „Disziplin ist eben unerlässlich. Ohne sie hilft dir auch Intuition nicht.“
- „Mein ganzes Leben lang habe ich solche kleinen Skizzen gemacht und oft habe ich Worte danebengeschrieben. Siehst du jetzt, dass du als Schriftsteller mit deinen Worten gar nicht so weit entfernt bist von einem Zeichner?“
- „Suche also das Interessante und arbeite mit dem, was du findest, statt alles von vornherein deinem Ego unterzuordnen.“
Gerade weil Malte Herwig sein malerisches Laientum offenbart und selbst von vornherein die Rolle des Lernenden einnimmt, kann er uns mitnehmen und tiefe Erkenntnis ermöglichen. So wird aus dem vordergründigen Thema des Buches im sechsten Kapitel aus den Einsichten über Farben und Formen noch eine tiefgründige philosophische Zusammenschau.
Ein erstaunliches Buch, reich an impliziter Lebensweisheit!