Ich bin in keiner Mythologie sonderlich bewandert, auch wenn ich es super interessant finde. Circe kannte ich überhaupt nicht, daher war ich sehr gespannt. Man fiebert richtig mit, wie sie sich von ihrer Familie losreißt, die sie unterschätzt, und sich dann als mächtige Zauberin behaupten muss, sogar gegen die Götter. Ihre charakterliche Entwicklung war intensiv. Ich hab ihre Einsamkeit gespürt, ihre Wut 🐖 und dann ihre unglaubliche Stärke, die sie sich ganz allein erkämpft!
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Der Schreibstil schafft es, die antike Welt so lebendig und greifbar zu machen, dass man das Gefühl hat, selbst auf Aiaia zu sein. Ein wenig musste ich auch erst einmal reinkommen und zwischenzeitlich habe ich mich gewundert, was denn noch alles passieren soll. Denn irgendwie ist immer sehr viel passiert, aber ich hatte gleichzeitig noch so viele Seiten übrig. 👀
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Besonders habe ich mich gefreut, als Prometheus und Odysseus vorkamen. Da gab's für mich einen kurzen Kindheitsflashback: Autofahrt in den Urlaub, die Geschichte des Odysseus und dem Zyklopen kam im Radio - es war blutig, meine Mom wollte es ausmachen, aber ich habe es unbedingt anhören wollen und mein Dad hat etwas lauter gemacht. 🤍
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Dieses Buch ist definitiv mehr als nur eine Neuerzählung eines Mythos. Es geht um Selbstfindung, weibliche Stärke und darum, seinen eigenen Weg zu gehen, egal wie viele Hindernisse einem in den Weg gelegt werden.
Frauke Brodd
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„Sag den Wölfen, ich bin zu Hause“ habe ich auf Empfehlung einer lieben Buchhändlerin hin gekauft - sie ist so ins Schwärmen über „eins ihrer absoluten Lieblingsbücher“ verfallen, dass ich nicht anders konnte, als dieses Schätzchen mit nach Hause zu nehmen.
Die Story dreht sich um die 14-Jährige June, die ihren Onkel Finn als wichtigste Bezugsperson und Freund betrachtet. Als Finn an Aids stirbt, bricht für June eine Welt zusammen. Sie und ihre Familie müssen sich mit Finns Tod und seiner Homosexualität auseinandersetzen, was zu Spannungen führt. June findet sich in einer Situation wieder, in der sie sich mit ihrem eigenen Verständnis von Familie, Tod und Verlust auseinandersetzen muss.
Es ist eine dieser Geschichten, die eher ruhig daherkommen - es gibt nicht viele Plottwists und manchmal plätschert die Story auch etwas vor sich hin (was wahrscheinlich auch der Grund ist, warum in einigen Rezis von gewissen Längen die Rede ist - fair enough). Unsere Protagonistin, June Elbus, verbringt ihre Zeit lieber allein oder mit ihrem Onkel Finn, statt mit Gleichaltrigen abzuhängen. In der Schule zählt sie zum gesunden Mittelmaß und sie hat auch kein besonderes Talent wie ihre Schwester Greta. Aber sie äußert einige der scharfsinnigsten und ehrlichsten Beobachtungen, die ich je gelesen habe.
„Ich interessierte mich nicht für Biertrinken oder Wodka oder Zigarettenrauchen oder das ganze andere Zeug. Greta bildete sich ein, ich sei überhaupt nicht in der Lage, mir das überhaupt vorzustellen. Aber ich will mir das alles auch gar nicht vorstellen. Jeder kann sich diese Dinge vorstellen. Ich will mir eine Zeitfalte vorstellen und Wälder voller Wölfe und düstere mitternächtliche Moore. Ich träume von Menschen, die keinen Sex zu haben brauchen, um zu wissen, dass sie sich lieben. Ich träume von Menschen, die sich immer nur auf die Wange küssen.“
Im Zentrum der Handlung steht Junes Versuch, den Tod ihres geliebten Onkels Finn zu verarbeiten, der an AIDS gestorben ist. Nachdem sie einen Brief von einem geheimnisvollen Mann (Toby) erhält, der ebenfalls eine Verbindung zu Finn gehabt haben will, beschließt June, ihn zu treffen – und damit beginnt eine Kette von Ereignissen, die ihr vielleicht helfen können, ihren Trauerprozess voranzubringen, seinen Tod zu verarbeiten und zu heilen.
June ist eine ziemlich unperfekte Protagonistin mit Ecken und Kanten – man könnten sie sogar teilweise als unsympathisch bezeichnen. Ihre Gefühle und Emotionen, die sie im Rahmen ihres Trauerprozesses durchlebt, ließen sie teils abstruse, (wahrscheinlich) von Eifersucht getriebene Dinge tun, die ich auf ihre tiefe Einsamkeit zurückzuführen würde - so oft habe ich mir gedacht während meiner Lektüre, dass ich sie gerade gern mal zum Trost in den Arm nehmen und gern mit ihr weinen würde. Zuflucht und einen Ort für ihre Trauer findet sie im nahegelegenen Wald - wann immer sie struggelt oder überwältigt wird von ihren Emotionen, zieht es sie an den Ort, wo die Wölfe zu Hause sind. Wie ihr merkt, haben wir es hier mit einem äußerst melancholischen Roman zu tun - und ich oute mich an dieser Stelle gerne als Fan von Melancholie in der Literatur.
„Ich fragte mich wirklich, warum Leute immer das taten, worauf sie überhaupt keine Lust hatten. Das Leben schien ein immer enger werdender Tunnel zu sein. Im Augenblick der Geburt war der Tunnel riesengroß und unendlich lang. Alles stand einem noch offen. Dann, in exakt einer Sekunde nach der Geburt, verengte sich der Tunnel bereits um die Hälfte. Als Junge stand fest, dass man niemals Mutter werden würde und wahrscheinlich auch kein Nagelpfleger oder Kindergärtner. Dann wurde man älter, und alles, was man tat, verengte den Tunnel nur noch mehr. Nach einem Armbruch war eine Laufbahn als Baseball-Pitcher ausgeschlossen. Fiel man im ersten Mathe-Test seines Lebens durch, erlosch jede Hoffnung, Naturwissenschaftler zu werden. Ungefähr so ging das jahrelang weiter, bis man festsaß. Als Bäcker oder Bibliothekar oder Barkeeper. Oder Buchhalter. Dumm gelaufen. Ich stellte mir vor, dass der Tunnel an dem Tag, an dem man starb, so furchtbar eng geworden war, dass man da drinnen zerdrückt wurde.“
Was mich auch begeistert hat, war die Handlung rund um das Porträt mit dem Titel „Sag den Wölfen, ich bin zu Hause“ (titelgebend) das Onkel Finn von June und ihrer Schwester Greta angefertigt hat. Zunächst angedacht hatte er es, um in seinem Sterbeprozess regelmäßig Zeit mit June verbringen zu können - als Vorwand quasi, aber in dem Bild steckt mehr, als man zunächst vermutet (versteckte Botschaften und Geheimnisse, die es zu lüften gilt - aber mehr erfahrt ihr nur, bei einer eigenen Lektüre.. Na, neugierig geworden??).
Brunt schreibt sehr präzise und zugänglich, daher würde ich den Roman durchaus auch als für Jugendliche geeignet halten. Meine Leseempfehlung geht an alle, die sich mit den Themen Verlust, Trauer, Erwachsenwerden, Familienkonflikte und der damaligen Aids-Epidemie im New York der 1980er literarisch auseinandersetzen möchten. Die Autorin Carol Rifka Brunt verbindet ein autobiografischer Bezug zu dieser Thematik, da sie während der Aids-Epidemie in New York gelebt hat, was dem Roman eine besondere Authentizität verleiht.
Mich persönlich hat „Sag den Wölfen, ich bin zu Hause“ emotional sehr berührt und ich zähle es zu den schönsten und ergreifendsten Bücher zum Thema Trauer, die ich bisher gelesen habe. Fazit: Ich bin der lieben Buchhändlerin mehr als dankbar für diesen wundervollen Lesetipp - Melancholie vom feinsten, unbedingt lesen!
Die Nymphe Circe ist von klein auf anders als ihre göttliche Familie. Als Außenseiterin und schwarzes Schaf fällt es ihr schwer, ihren Platz in der Welt zu finden. Der Roman begleitet Circe auf ihrem Weg, Selbstbestimmung und zu ihrer Macht zu finden.
Ich kannte Circe bisher nur aus ihrer Rolle in der Odyssee – umso spannender war es, zu lesen, wie sie auch in viele andere Mythen verwoben ist. Das erste Drittel des Buches braucht ein wenig, um richtig in Schwung zu kommen, aber ab dem Moment, als Circe auf der Insel Aiaia ankommt und langsam zu sich selbst findet, hat mich die Geschichte nicht mehr losgelassen.
Ein poetischer, fesselnder Roman über Selbstfindung, Macht und Unabhängigkeit aus eiiner starken weiblichen Perspektive. Für mich 4,5/5 Sternen.
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