Rezension zu "Nonna stirbt" von Freddy Derwahl
Diese Geschichte spielt nicht in unserer technologischen Zeit der Smartphones, Tablets und dem Internet. Das würde auch gar nicht zur Erzählung „Nonna stirbt – Die Geschichte einer Lebenswende“ von Freddy Derwahl passen. Nonna, sie mag diesen Namen, den ihr ihre Enkelkinder gegeben haben, lebt bis zum Ende der 70er-Jahre. Bewusst vor vielen Jahren trotz vieler Wiederstände der damaligen Zeit geschieden, war sie lange Jahre in einer glücklichen Beziehung, die auch ihren Kindern und Enkeln gut tat. Doch nun ist sie alleine. Und sehr krank. Dabei liebt sie ihren Garten über alles, die Winter in Lourmarin, den will sie nämlich nicht im trüben Eupen verbringen, und das Licht, die Sonne, die Weite, auch Barfuß über die Felder laufen.
Man kann sich schon auf den ersten Seiten verlieren, mag sich kuscheln, verstecken, hineinkriechen in den Garten von Nonna oder mit ihr nach Frankreich fahren. Derwahl versteht es, mit wenigen Worten und kurzen Sätzen eine Atmosphäre zu schaffen, die einem die Protagonisten für einen zu echten Figuren werden lässt. Es ist so viel Trauer enthalten in den Absätzen, in denen Nonna Max, ihren zweiten Ehemann verliert. Nicht einfach so, krank wird er, hat er sein Leben etwa selbstbestimmt beendet? Als Nonna kurz vor dem Tod von Max den Herrn Professor befragt, wie gefährlich krank er denn sei, meint er „In Todesgefahr, Madame, sind wir alle“.
Aus Tagebucheintragungen erfahren wir mehr über ihr gemeinsames Leben, ihren philosophischen und literarischen Diskussionen, ihre verschiedenen Vorstellungen von den Dingen und von Religion und wie sie es trotz ihrer unterschiedlichen Auffassungen dennoch meistern, sich zu arrangieren.
Über all die Zeit wird sie bereits vom besten Freund ihres Sohnes, Fred, verehrt und geliebt. Und als nun Max nicht mehr ist und sie alleine nach Frankreich fährt, da erkrankt Fred dramatisch. Es wird ihm empfohlen, sich zu schonen, am besten ganz weit weg von allem, was er kennt. Fred mag die Frauen und diese ihn, doch die liebevolle Freundschaft zu Nonna ist ihm heilig. Sie schreiben sich so lange, bis er soweit ist, dass er zu ihr fahren kann, um zu genesen. Das hilft ihr über die Trauer hinweg. Sie ist nicht im mindesten eifersüchtig auf die Frauen in Freds Leben, kommt ihre Liebe doch nie über einen „keuschen Kuss“ hinaus. Fred lernt in der Zeit seines Aufenthaltes Lourmarin kennen, samt der kleinen Bar, die Märkte ringsum und vieles mehr. Schaut man sich heute die Fotos auf Google an, so versteht man die Wahl des Autors für diesen Ort. Und nun versetze man sich noch fast 40 Jahre zurück.
Und nun also, nach dem letzten Aufenthalt in Frankreich, kehrt sie selbst schmerzvoll zurück. Es ist der Krebs, der ihre letzte Romanze begleiten wird. Nun muss Fred Tagebuch für sie führen, und nicht nur das. Für diese Liebe macht er alles, die Familie unterstützt so gut es geht, doch die Trauer hat auch die Kinder von Nonna mehr denn je ergriffen. Was jetzt zählt sind die Diskussionen mit Fred über Kirche, Religion, Maria, katholische und evangelische Riten. Nonna möchte am liebsten beides vereinen, das, was ihr an beiden Religionen gut gefällt.
Derwahl lässt ihr die ganze Zeit über ihre Schönheit, auch wenn es ihr noch so schlecht geht, Fred kann es kaum glauben. Erst am Ende legt sie den immer benutzten Lippenstift beiseite, es geht dem Ende zu. Sie sucht den Frieden, sucht nach Gott, nach einem spirituellen Weg, nach etwas, das sie auffängt, wenn sie geht. Aber auch, die Stille. Nicht reden. Einfach da sein. Einfühlsam beschreibt der Autor wie Nonna einen Weg für sich sucht, zu begreifen was mit ihr geschieht, die fast fühlbare Angst, vor dem, was sein wird.
Dieses Buch berührt, lässt einen selbst hinterfragen, lässt einem wieder ins Bwusstsein rufen, endlich sind wir alle. Und lässt uns leben voller Lust.
Der Autor ist belgischer Journalist, Filmemacher, PEN-Mitglied, Sachbuch- und Romanautor. Unter https://de.wikipedia.org/wiki/Freddy_Derwahl finden sich mehr Informationen, außerdem hat er einen Account bei Facebook.