In den ersten 78 Seiten des 144-seitigen Romanes vermeint man das Drehbuch zu einem Splatter-Film vor sich zu haben: Man wird ohne jegliche Erklärung in ein blutrünstiges und brutales Szenario hinein geworfen und ist dort genauso verwirrt und verloren wie der Protagonist selbst. Da werden keinerlei Informationen und Hintergründe für die Situation geschweige denn über die Hauptfigur geliefert. Man scheint sich für das Weglassen eines Prologes entschieden zu haben... überhaupt erscheint dieser Roman etwas "gehuscht" - eilends geschrieben. Erst in der zweiten Hälfte des Buches gibt es ein wenig Aufhellung. Es bleibt bei dem "wenig", denn einige Logistikfehler (u. a. ist es verwunderlich, wenn eine Religionswissenschafterin den Ich-Erzähler zu einem katholischen Kreuz befragt) sowie eine absolut unnötige Liebesgeschichte, die in dem Buch vollkommen deplaciert erscheint und durch das Verhalten des Liebespaares mehr nervt als dienlich ist, zerren gewaltig an der Lust weiterzulesen. Der Clou der Geschichte wird in der Mitte des Romanes bereits vorweg genommen und man schlägt das Buch dann mit dem Wissen zu, alles bereits stringenter und spannender in "Fight Club" gelesen zu haben.
Die Idee, religiöse Motive für die Vorfälle in die Geschichte einfließen zu lassen, ist ein müdes Nachhecheln eines Trends, der sich spätestens seit Dan Brown's Vorliebe dafür erledigt hat.
Bei vielen Büchern wünscht man sich, sie würden kürzer ausfallen... bei diesem Roman hätten einige zusätzliche Seiten sowohl den Charakteren als auch der Geschichte selbst gut getan!
Frederike Witt
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In Fleisch und Blut - Memento vivere
Neue Rezensionen zu Frederike Witt
Einen peppigen Horrorpsychothriller hat Frederike Witt mit ihrem Debütroman da abgeliefert. Obwohl der Plot über viele Schichten und Ebenen verfügt und sich der Schreibstil durch eine gewisse Verziertheit auszeichnet, ist das Werk hübsch knackig. So ausgefeilt die Sprache ist, es wird kein Wort mehr als nötig gesagt, um die Handlung voranzutreiben. Dieses Unterfangen gelingt dank der präzisen Szenenbeschreibung und der aufs Wesentliche beschränkten Figurenzeichnung. Letzteres erweist sich speziell bei der obligatorischen Auflösung als Glücksfall, verstärkt es doch den Aha-Effekt. Was zu Anfang noch psychologisch eindimensional anmutet, wird auf den letzten Seiten frappant logisch. Pfiffig, dieses Spiel mit den Erwartungen!
Die Jungautorin beweist bei der konkreten Ausgestaltung der Grundidee viel Gespür für Gefahrensituationen und ein gehöriges Fachwissen über Psychologie. Zugegeben, das Konzept „Fiktion vermengt sich mit Realität“ ist nicht neu. In diesem Bereich gibt es bereits jede Menge Stoff. Aber entscheidend ist immer, was man daraus macht, und Frederike Witt gewinnt der strapazierten Thematik einige originelle Aspekte ab.
Immer, wenn man meint, die Pointe dieses Nägelkau-Anstifters erraten zu haben, merkt man kurz darauf, dass jene bloß der Aufhänger für ein neues, anders gestricktes Szenarium ist. Das hält die Sache im Fluss, und eh man sichs versieht, ist man auch schon durch mit diesem nicht gerade dicken Buch. Findet man sich zuerst in einem klassischen Splatterplot wieder, wähnt man sich plötzlich im Cyberspace, um anschließend durch eine angegriffene Psyche zu wandern. Pünktlich zum Schlussakt landet man dann endlich im Hier und Jetzt. Oder etwa nicht ...?
Mit einer fast schon lustvollen Unverfrorenheit setzt sich Frederike Witt über die für die Handlung zwangsläufigen Brüche hinweg. Mit langatmigen Erläuterungen hält sich die gebürtige Hamburgerin nicht auf. Soll der Leser doch selbst denken. Nötig sind derartige Zwischendrinerklärungen eh nicht, wie das Ende zeigt. Aus dieser Haltung entwickelt sich ein recht neckisches Hase-und-Igel-Spiel zwischen der Autorin und ihrer Leserschaft. Auch eine große Stärke des Werkes: Obgleich die Settings häufig wechseln, kann man dem Geschehen mühelos folgen. Es kommt zwar Rätselhaftigkeit auf, aber keinerlei Verwirrung. Alles verläuft stringent. Ein bisschen Effekthascherei in Form von ausgesuchten Brutalitäten darf indes nicht fehlen. Aber auch dies hat seinen Sinn, beschränkt sie sich doch auf den Anfang und dient vor allem dazu, eine (falsche) Fährte zu legen.
Fazit: Ein handwerklich gelungener, für Genreverhältnisse erfreulich ungewöhnlicher Kurzthriller.
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