Rezension zu "Die schwarze Statue" von Fredric Brown
„Der Tod ist eine unheilbare Krankheit, mit der Männer und Frauen geboren werden; früher oder später erwischt es sie alle. Ein Mörder tötet eigentlich gar nicht, er nimmt nur vorweg. Er tötet immer jemanden, der bereits stirbt, bereits zum Untergang verurteilt ist. Und er tut nie denen weh, die er tötet, sondern denen, die zurückbleiben und weiterleben müssen.“
Chicago in den späten 1940-er Jahren. Orientierungslos irrt Bill Sweeney durch die Straßen.
Nach einer monatelangen Sauftour aus dem Alkoholtaumel erwacht, muss er wieder Ordnung in sein Leben bringen.
Er hat Glück, denn seine Vermieterin hat ihn keineswegs vor die Tür gesetzt, wie er befürchtet hatte.
Nachdem er ein Bad genommen und sich neue Klamotten angelegt hat, ist Sweeney fast wieder wie neugeboren. Aber natürlich braucht er Geld, und deshalb muss er seinen alten Job zurückhaben. Denn Sweeney ist Journalist. Eine starke Story muss her, um seinen Chef bei der Tageszeitung zu überzeugen.
Doch der Zufall kommt ihm zur Hilfe. Er wird Zeuge einer seltsamen Szene: Im Eingangsbereich eines Apartmentkomplexes steht eine halbnackte Blondine. Blutüberströmt. Sie ist schön, ja atemberaubend. Fast wäre sie Opfer eines Gewaltverbrechens geworden. Wäre nicht plötzlich ein Polizist aufgetaucht, der den Angreifer in die Flucht schlagen konnte.
In Chicago geht offensichtlich ein Serienmörder um, der bereits zwei Frauen auf dem Gewissen hat. Die Presse verpasste dem Täter den Namen „Der Ripper“. Die Blondine hätte sein drittes Opfer werden sollen.
Für Bill Sweeney heißt es Liebe auf den ersten Blick. Die Dame heißt Yolanda Lang und ist Nachtclubsängerin. Sweeney sieht seine Chance gekommen und macht sich an die Frau heran. Er ist überzeugt, dass der Killer es erneut versuchen wird und will sowohl privat wie auch beruflich auf seine Kosten kommen. Sweeney hat vor, den Killer zu entlarven, wenn dieser erneut zuschlägt.
Doch die junge Frau ist nicht ungebunden. Ihr Psychotherapeut Doc Greene, der gleichzeitig auch als ihr Manager fungiert, wacht über sie und sieht die Annäherungsversuche des Reporters gar nicht gern. Greene scheint eine recht zwielichtige Figur zu sein. Und Sweeney hat ihn bald im Verdacht, selbst hinter dem Ripper zu stecken. Die beiden Männer belauern sich und jeder will den anderen der Taten überführen.
Bill Sweeney ist ein ziemlich origineller Protagonist. Obwohl er ganz offensichtlich ein Alkoholproblem hat, sieht er sich selbst nicht als Alkoholiker, sondern als normalen Menschen, der einfach von Zeit zu Zeit einen über den Durst trinkt. Sein bester Freund ist ein obdachloser Säufer. Dessen Motto ist: „Man kriegt im Leben alles, wenn man sich’s nur dringend genug wünscht.“
Sweeney wünscht sich nichts dringender als die heiße Yolanda Lang, doch dazu muss er den Ripper finden, noch bevor die Polizei oder die Konkurrenz ihn aufspüren können.
So wird Sweeney zum hemmungslosen Karrieristen, dem jedes Mittel recht ist. Ohne jegliche Skrupel bricht er in Doc Greenes Büro ein, um Informationen über dessen dubiose Vergangenheit zu sammeln. Er hält Beweismittel vor der Polizei zurück und stellt auf eigene Faust Ermittlungen an.
In der Wohnung des letzten Mordopfers wird Sweeney auf einen eigenartigen Gegenstand aufmerksam. Die Skulptur einer Frau, mit vor Schrecken verzerrtem Gesicht. Die Statue trägt den Namen „Die Schreiende“. Sweeney glaubt, dass es eine Verbindung zwischen dem Mord und der Statue gibt. Er ist der Meinung, dass der Täter genau diese Art von nacktem Entsetzen bei seinen Opfern auslösen will, die die Skulptur ausdrückt. Es gelingt ihm den Bildhauer aufzuspüren, der den Kunstgegenstand entworfen hat und kommt dadurch der Lösung gefährlich nahe.
1949 als „Die Schwarze Statue“ erschien waren Serienkiller noch nicht allgegenwärtig in der Unterhaltungsliteratur. Die Psychologie (des Abnormen) spielt immer eine wichtige Rolle bei Serienkiller-Geschichten. Traumata aus der Vergangenheit, die sich auf die Gegenwart auswirken. Der Einfluss von Dr. Freud und Konsorten ist auch in diesem Fall unverkennbar. Für den modernen Leser kommt die Handlung dann auch nicht gänzlich überraschend daher. Aber die Auflösung wirkt durchaus einleuchtend und psychologisch glaubwürdig. Trotzdem ist Die Schwarze Statue glänzend erzählt und besitzt eine für dieses Subgenre ungewöhnliche Intelligenz. Für Freunde von cleveren Thrillern eine klare Empfehlung.
Das Buch wurde verfilmt und diente später als Inspiration für Dario Argentos berühmten Giallo-Film Das Geheimnis der Schwarzen Handschuhe (den ich leider noch nicht gesehen habe).