Auch nach über 25 Jahren hat mir die Erzählung über den stotternden Studenten Martin (Buster) erneut gefallen. Delius verstand es, sehr einfühlsam über Busters Probleme mit den Frauen, seiner Umwelt und den anerzogenen Werten zu berichten. Das Buch liest sich deshalb sehr zügig - gewisse Vorkenntnisse aus dem Berlin der sechziger Jahre sind aber von Vorteil.
Friedrich Christian Delius
Lebenslauf
Alle Bücher von Friedrich Christian Delius
Der Spaziergang von Rostock nach Syrakus
Der Sonntag, an dem ich Weltmeister wurde
Die Frau, für die ich den Computer erfand
Mein Jahr als Mörder
Bildnis der Mutter als junge Frau
Die Birnen von Ribbeck
Die Minute mit Paul McCartney
Die Flatterzunge
Neue Rezensionen zu Friedrich Christian Delius
„Der Königsmacher“ von Friedrich Christian Delius ist ein Roman, den ich ohne meine Doktorarbeit wahrscheinlich auch eher nicht zur Hand genommen hätte. Delius, der 2022 verstorben ist, nahm tatsächlich als einer der damals jüngeren Autor*innen an einigen Tagungen der Gruppe 47 teil – ist aber bisher komplett an mir vorbeigegangen. Und nach der Lektüre von „Der Königsmacher“ muss ich sagen: zu Unrecht! Delius schreibt meiner Meinung nach zugänglicher als etwa Walser und hat schon vor 20 Jahren Themen aufgegriffen, die heute nach wie vor aktuell sind.
Denn in „Der Königsmacher“ geht es um einen höchstens mittelmäßig erfolgreichen Schriftsteller, der manisch nach einer zündenden Idee für den nächsten Bestseller sucht – das ist sein ganzer Antrieb. Sein neues Buch muss ein Bestseller werden, sonst kann er bald seine Miete nicht mehr zahlen und überhaupt hat er das, so sieht er das selbst, mehr als verdient. Als er auf eine wahre Goldgrube, nämlich seine Abstammung von der unehelichen Tochter eines holländischen Königs stößt, scheint sich das Blatt zu wenden – denn mit historischen Romanen mit weiblicher Perspektive und noch dazu persönlicher Komponente lässt sich schließlich jede Menge Geld machen. Oder?
Es ist aber nicht nur die Geschichte Albert Ruschs, des bis dato erfolglosen Autors, die in „Der Königsmacher“ eine Rolle spielt. Es ist auch die Geschichte von Minna von Dietz, ebenjener unehelicher Tochter, um die es geht. Der Roman nämlich besteht einerseits aus Ruschs in der Ich-Perspektive geschilderten Erfahrungen als Autor und andererseits aus der, mal mehr und mal weniger ausgearbeiteten, Rohfassung seines Romans über den Oranienkönig Willem I., seine Affären und seine uneheliche Tochter. Dieses Wechselspiel aus Autorensicht und (fiktivem) Werk fand ich unglaublich interessant – insbesondere da sich Ruschs Motivation, die sich im Verlauf der Handlung wandelt, zunehmend in der Detailhaftigkeit oder eben Skizzenhaftigkeit seines eigenen Romans niederschlägt.
F. C. Delius macht damit einerseits den möglichen Schreibprozess eines unter dauerhaftem Druck stehenden Autoren sichtbar und zeigt andererseits, welche Auswirkungen Buchmarkt und Literaturbetrieb auf den Antrieb und die Schaffenskraft eines Schriftstellers bzw. einer Schriftstellerin haben können. Für mich aus literaturwissenschaftlicher Sicht natürlich hochinteressant! Auch sonst war der Roman sehr unterhaltsam, wenn auch in der Mitte stellenweise etwas langatmig und in Bezug auf die Innensicht des Autors Albert Rusch hier und da ein wenig repetitiv. Insgesamt aber gibt es von mir eine Empfehlung für „Der Königsmacher“, dessen pointierte Kritik am deutschen Literaturbetrieb mir ohne die Doktorarbeit entgangen wäre – und das wäre sehr schade gewesen!
Der Roman greift das Schicksal eines Widerstandskämpfers gegen den Nationalsozialismus auf. Georg Groscurth wurde am 8.5.1944 geköpft. Die Handlung setzt im Jahre 1968 an, als ein mitverantwortlicher Richter freigesprochen wurde und ein Student, der mit den Söhnen Groscruths aufgewachsen ist, entscheidet, ein Zeichen gegen diese Ungerechtigkeit zu setzen. Er recherchiert und tritt auch mit der Witwe von Groscurth in engen Kontakt.
Die Handlung verläuft auf mehreren Ebenen. Sie rollt der Fall aus der Widerstandsbewegung auf. Die Gruppe hieß interessanterweise: Europäische Union. Außerdem wird der Konflikt zwischen den beiden deutschen Systemen in der Nachkriegszeit beleuchtet und dass es dabei durchaus auch im Westen zu politisch motivierter Rechtsbeugung kam. Nicht neu ist, dass vor allem im Westen sehr schludrig mit der Entnazifizierung umgegangen wurde. Und dann geht es auch noch um die westdeutsche Studentenbewegung der 1960er Jahr.
Ich habe mich beim Lesen sehr aufgeregt über die Ungerechtigkeit der westdeutschen Justiz bezüglich der Witwe eines ausgewiesenen Widerstandskämpfers. Die Hydra, die immer wieder auftaucht, wühlte mich sehr auf. Doch diese Schilderungen ziehen sich irgendwie auch sehr in die Länge, welches ein stilistischer Kritikpunkt von mir ist. Ansonsten schreibt Delius recht schnörkellos.
Anneliese Groscurth starb im Jahr 1996.
Der Roman wurde 2004 erstmals veröffentlicht und im Februar 2013 neu aufgelegt.
Fazit: Ein wichtiges Buch, eine interessante Geschichtsstunde.
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Friedrich Christian Delius wurde am 13. Februar 1943 in Rom (als Deutscher) (Deutschland) geboren.
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