Cover des Buches Sie haben ihr Ziel erreicht (ISBN: 9781611099232)
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Rezension zu Sie haben ihr Ziel erreicht von Friedrich Kalpenstein

Luxusmann, Hausmeister und Frauenarzt oder doch nur drei alte, schrullige Freunde auf Wellness?

von Antek vor 7 Jahren

Rezension

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Antekvor 7 Jahren

Friedrich Kalpensteins Bücher tragen völlig zu Recht den Aufkleber, # 1 Kindle Humor Autor. Das hat er mir mit seiner genialen Herbert Reihe, die inzwischen vier Bände umfasst, und auch mit seinem „Das Leben ist kein Zweizeiler“ mehr als nur einmal eindringlich bewiesen. Deshalb war es für mich gar keine Frage, ob ich, sondern absolute Pflicht, dass ich die drei schrulligen Rentner ganz unbedingt auf Wellnessurlaub begleiten muss und ich wurde nicht enttäuscht.

Erwin igelt sich nach dem Tod seiner Frau Renate immer mehr ein, Willi fällt, gerade in Rente gekommen, zuhause die Decke auf den Kopf und deshalb nimmt Justus, der Jungspund unter den Dreien, seinen bevorstehenden 60. Geburtstag als Anlass sie zu einer Reise in einen Wellnesstempel einzuladen. Der luxusverwöhnte Lebemann überträgt Erwin die Aufgabe drei Zimmer im Ammersteiner Hof, dem Paradies unter diesen Tempeln, zu reservieren. Da Erwin, der Sparfuchs, statt direkt beim Hotel zu reservieren, wie der Auftrag lautete, für seinen Freund den günstigsten Preis heraus kitzeln will, versinkt er in den Tiefen des Internets. Warum das super Schnäppchen eigentlich kein Schnäppchen war, ist spätestens klar, als die drei ihr Gepäck wieder aus dem Luxusschuppen tragen und sich auf den Weg ins „Kurhotel Erika“ machen müssen. Schnell ist klar, „Neptunplatte und Crème brulee werden wir hier mit aller Wahrscheinlichkeit nicht bekommen.“

Als Leser darf man mit den drei schrulligen Herren eine Woche in genau diesem Kurhotel verbringen, dort im Speisesaal „mit dem Charme eine Krankenhauskantine“ dinieren, das Thermalbad besteigen und natürlich auch einige Anwendungen genießen. Da auf die Frage „Aber schaut mal, die Eisbehandlung, kann man da die Sorten wählen?“ die Antwort nein lautet, wird Wassergymnastik, Heusäckchen und Töpferkurs gebucht. Von Schmimmnudel-Schlacht bis Kunstwerke wie Buddha vom Klo, weil „wegmeditieren wird er sich seine Notdurft wohl nicht“, ist hier so einiges geboten. Auch Sport wie Nordic Walking, der neu aufgelegt Skiabfahrtsläufern Konkurrenz macht, oder eine Radltour mit dem E-Bike, bei der am Ende nicht nur die Fahrradhelme in knalligem Rot leuchten, gehören dazu. Die drei Freunde seit Kindertagen könnten unterschiedlicher nicht sein und so darf man mit Justus auf Frauenfang gehen oder zurückhaltend ausgedrückt, „Ich flirte lediglich ein wenig. Das hält mich jung.“, auch wenn die Antwort „Das macht ein Waldspaziergang auch.“ heißen muss. Mit Willi darf der Leser dem Hausmeister helfen und wird erfahren, warum die anderen beiden sagen, „Vielleicht schraubst du mal ein wenig mehr an deiner Ehe rum, der eine oder andere Aufzug wird es dir danken.“ Richtig spannend und witzig wird es mit Erwin, der bei seinen Ermittlungen gegen das Verbrechen vor Ort, natürlich perfekt ausgerüstet mit Stirnlampe und Diktiergerät u.a. wütende Sätze wie „Sie sind ein Spanner!“ entkräften muss. Nicht nur ich konnte mich über den „Schmalspurschnüffler köstlich amüsieren“.

Der spritzige Sprachstil des Autors macht das Lesen zum großen Vergnügen und die Seiten fliegen, leider, viel zu schnell dahin. Auch seine neue Geschichte sprudelt nur so an Situationskomik, wenn ich nur alleine an den ersten Testdurchlauf Willis im Thermalbecken denke, könnte ich jetzt noch Tränen lachen, denn hier gilt nicht nur „Die Düse presst die Parasiten aus den Poren“, sondern die bläst noch ganz andere Dinge aus dem Becken. Die drei liefern sich auch nicht nur einen schlagfertig, spitzigen Dialog, bei dem ich fett grinsen musste. Da ist Justus Frage „Gab es die nicht mit eurem Namen? beim Anblick der zwei anderen Herren in ihrem Hotelbademantel mit dem Zusatz „Weil bei euch beiden Erika eingestickt ist.“ nur ein Beispiel dafür. Die Geschichte ist aber durch Erwins Ermittlungen nicht nur bestes Lachmuskeltraining, sondern sogar noch spannend. Auch wenn man die Absichten des Betrügerehepärchens vielleicht schneller durchschaut als die Herren, will man doch unbedingt wissen, ob sie noch ihre gerechte Strafe bekommen.

Zwar hat der Münchner Autor wie bei seiner Herbertreihe kein solches Dialektoriginal aus dem Hut gezaubert, aber die individuell, schrulligen Charaktere stellt dies keineswegs in den Schatten. Justus ist der Lebemann, der Luxus in vollen, vielleicht auch zu vollen Zügen, auslebt. Klar, immer ganz schnicke in Anzug und Fliege gekleidet, ist für ihn Champagner das Mindeste. Dank der smarten, taffen Iris kann er vielleicht endlich mal Schluss machen mit seinen „Frühlingsfrauen“ und findet einen Deckel im angepassten Alter. Für Willi zählt eine Runde mit dem Aufsitzrasenmäher zweifelsohne zu den Highlights der Reise und, da er kurzen Prozess mit der lahmen Schiebetür und Fahrstuhl macht, wird Hausmeister Werner Wirth zu seinem besten Freund. Ich konnte mich oft darüber amüsieren, wenn Willi nicht nur die falsche Leitung kappt, sondern auch des Öfteren auf dieser steht. Bei Erwin, der völlig in seinen Ermittlungen aufgeht, habe ich mich richtig gefreut, dass ihn die neu entdeckte Leidenschaft fürs Schnüffeln wieder so richtig aufleben lässt. Trotz ihrer Verschiedenartigkeit demonstrieren die drei dem Leser, was gute Freundschaft wirklich bedeutet, eine tolle Botschaft, die hier mitschwingt.

Alles in allem hat mir Friedrich Kalpenstein mit einer rundum gelungen Story wieder einmal bestes Lachmuskeltraining und mehr als vergnügliche Lesestunden bereitet, die auf jeden Fall 5 Sterne verdienen.

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