Rezension zu "Die Flucht" von Fuminori Nakamura
Dieser im Diogenes-Verlag am 20.03.2024 erschienene Roman ist der erste, den ich von Fuminori Nakamura gelesen habe.
Übersetzt von Luise Steggewentz - 496 Seiten.
Kenji Yamamine - ein Journalist und Kritiker - wird zu Beginn der Geschichte bedroht und verfolgt, weil er im Besitz der sogenannten Teufelstrompete ist. Verschieden Mächte - eine religiöse Sekte, ein Mann namens B. und die Regierung - verfolgen ihn und versuchen auf unterschiedliche Art und Weise an die Trompete zu kommen. Eine schöne Frau bietet sich ihm an, B. droht ihm mit Folter oder qualvollem Tod.
Er entkommt jedoch und reist Zwecks Recherchen auf die Philipinen; dort trifft er die junge Anh und verliebt sich in sie.
Zurück in Japan dauert es nicht lang und Anh meldet sich bei ihm; sie ist als Sprachschülerin nach Japan gekommen, muss sich die horrende Gebühr dieser Schule jedoch als Hostess verdienen (da ihr keine andere lukrative Arbeit gestattet ist).
Kenji kauft sie frei und beide werden ein Liebespaar - sie beschließen, zu heiraten.
Anh und Kenji bzw. ihre Ahnen haben - ohne dass die beiden es geahnt hätten - eine gemeinsame Vergangenheit.
Doch Anh stirbt bei gewaltsamen Ausschreitungen während einer Demonstration durchbringen Schubser.
Kenji ist der Verzweiflung nah und macht sich - auch getrieben durch die Flucht vor seinen Verfolgern - auf, um die Geheimnisse der Trompete aufzudecken.
Er findet Aufzeichnungen des Trompeters Suzuki, in denen dieser seine Erlebnisse mit der Trompete an der Front des zweiten Weltkrieges schildert. Diese Aufzeichnungen beginnen noch in Japan und schildern die Liebe Suzukis zu einer jungen Frau; später erzählen sie von der Gewalt an der Front, geprägt auch von Massenvergewaltigungen von Frauen an den Orten der Kämpfe durch japanische Soldaten.
Weiter möchte ich hier nicht vorgreifen.
Der Autor schafft es meisterlich, die Handlungsstränge eines Krimis mit denen einer (oder eigentlich zweier) Liebesgeschichte(n) zu verknüpfen und mit historischen Daten zu unterfüttern. Hinzu kommt die Selbstanalyse des Trompeters, wodurch die Story nochmals auf ein nächsthöheres Niveau gehoben wird.
Als Leser erfährt man etwas über die japanische Geschichte, was - zumindest mir - bisher nicht so geläufig war. So war ich erstaunt, von der sehr grausamen Christenverfolgung in Japan zu lesen. Zudem zeigt es schonungslos auf, welche Fremdenfeindlichkeit in Japan noch lange herrschte.
Sprachlich lässt der Autor einen weitestgehend durch die Seiten fliegen, auch wenn man sich manchmal schon einlassen muss auf die Sprünge in Zeit und Perspektive.
Teilweise tatsächlich ein ganz wenig zu lang in der Wortgewalt - und der Epilog bzw. das Ende haben mich doch ein ganz klein wenig verwirrt.
Wie auch immer. Ein Buch, welches ich jedem empfehlen möchte, der moderne japanische Literatur mag.
Wer also Haruki Murakami oder Kenzaburo Oe mag, der ist hier gut bedient.
Oder auch Kazuo Ishiguro - wenn dieser auch in England aufgewachsen ist, beherrscht er eine ähnlich literarische Magie.
Von mir 4,5/5 Sternen und eine klare Leseempfehlung.